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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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richten, eingedenk der Worte Scneeas, die Gvedeke als Motto auf das Titelblatt
gesetzt hat: Nnlrnin Rllin" restat: oxsris, mnltnmPrs rosea-die; nov ulu xr^svln-
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Wer gleich uns die endlosen Reden des Negierungsassessvrs ni. D.
Eugen Richter bisher mir zu lesen das sonderbare Vergnügen gehabt hat, konnte
sich nicht erklären, wodurch sie regelmäßig den stürmischen Beifall einer GrnPPe
in den Parlamenten und einiger Zeitungsberichterstntter entfesselten Vor einem
Vierteljahrhundert ist seiner Wahl zum Landrate die Bestätigung versagt worden,
und in der laugen Zeit ist auch keinerlei Versuch gemacht worden, ihn für dies
Mißgeschick zu entschädigen: ein solches Benehmen kränkt natürlich jeden Bieder¬
mann sehr, und die Ausdauer, mit der er seinem Schmerz darüber und seinein
Groll gegen die bestätigten Laudräte Luft macht, hat schon beinahe etwas Ehr¬
würdiges. Aber interessiren kann diese höchst persönliche Angelegenheit andre auf
die Liiuge unmöglich; wer liest heute die Klagelieder Jeremia, obwohl es sich in
diesen um die Leiden eines ganzes Volkes, nicht allein eines Landrates in xai-libr"
handelt! Nun bringt uus eine der "Freisinnigen Zeitung" entnommene Mitteilung
die Lösung des Rätsels. Herr Richter soll sich nämlich eines "Organs" erfreuen,
das "auch für Versammlungen bis zu Personen ausreichen würde"; und
in diesen: Falle wird die genannte Zeitung, selbst ein "Organ" des Herrn Richter
(ob ausreichend für 10 000 Personen, wissen wir nicht), wohl gut unterrichtet sein.
Damit ist die Sache aufgeklärt. Um so weniger begreiflich erscheint aber die Be¬
schwerde darüber, daß seine Rede über den Getreidezoll im preußischen Abgeordneten¬
hause stellenweise wegen der Unruhe im Hause nicht einmal den Stenographen
verständlich geworden sei. Es kommt ja anch bei Opernsängern vor, daß man
kein Wort des Textes versteht, und die physische Wirkung ihrer Kunstleistungen
dadurch nicht im mindesten beeinträchtigt wird. Und wenn Pednuten sich über
den Verlust einiger Kraftstelleu nicht sollten trösten können, so brauchen, sie ja nnr
frühere Reden Richters nnchznlesen. Eine Nachtigall ist er zwar nicht, aber auch
seine Verehrer dürfte" gegen die Anwendung der Uhlaudschen Strophen auf ihn
nichts einzuwenden haben:


Was Neues hat sie nicht gelernt,
singt alte liebe Lieder.



Litteratur
Hat Aristoteles die Schrift vom Staate der Athener geschrieben? Bon Friedrich
Cauer, Stuttgart, G. I. Gvschensche Berlagshaudlnng, 1891

Die reit gefundene Schrift über die ätherische Stnatsverfassnng (s. Grenz-
boten 1891, 2, S. 15 ff.) versucht Friedrich Cauer dem Aristoteles abzustreiten.
Ans die Frage, die er auf dem Titel seines Schriftchens aufwirft, giebt er die
Antwort: Aristoteles, der grundsätzliche Gegner der demokratischen Verfassung


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richten, eingedenk der Worte Scneeas, die Gvedeke als Motto auf das Titelblatt
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Wer gleich uns die endlosen Reden des Negierungsassessvrs ni. D.
Eugen Richter bisher mir zu lesen das sonderbare Vergnügen gehabt hat, konnte
sich nicht erklären, wodurch sie regelmäßig den stürmischen Beifall einer GrnPPe
in den Parlamenten und einiger Zeitungsberichterstntter entfesselten Vor einem
Vierteljahrhundert ist seiner Wahl zum Landrate die Bestätigung versagt worden,
und in der laugen Zeit ist auch keinerlei Versuch gemacht worden, ihn für dies
Mißgeschick zu entschädigen: ein solches Benehmen kränkt natürlich jeden Bieder¬
mann sehr, und die Ausdauer, mit der er seinem Schmerz darüber und seinein
Groll gegen die bestätigten Laudräte Luft macht, hat schon beinahe etwas Ehr¬
würdiges. Aber interessiren kann diese höchst persönliche Angelegenheit andre auf
die Liiuge unmöglich; wer liest heute die Klagelieder Jeremia, obwohl es sich in
diesen um die Leiden eines ganzes Volkes, nicht allein eines Landrates in xai-libr»
handelt! Nun bringt uus eine der „Freisinnigen Zeitung" entnommene Mitteilung
die Lösung des Rätsels. Herr Richter soll sich nämlich eines „Organs" erfreuen,
das „auch für Versammlungen bis zu Personen ausreichen würde"; und
in diesen: Falle wird die genannte Zeitung, selbst ein „Organ" des Herrn Richter
(ob ausreichend für 10 000 Personen, wissen wir nicht), wohl gut unterrichtet sein.
Damit ist die Sache aufgeklärt. Um so weniger begreiflich erscheint aber die Be¬
schwerde darüber, daß seine Rede über den Getreidezoll im preußischen Abgeordneten¬
hause stellenweise wegen der Unruhe im Hause nicht einmal den Stenographen
verständlich geworden sei. Es kommt ja anch bei Opernsängern vor, daß man
kein Wort des Textes versteht, und die physische Wirkung ihrer Kunstleistungen
dadurch nicht im mindesten beeinträchtigt wird. Und wenn Pednuten sich über
den Verlust einiger Kraftstelleu nicht sollten trösten können, so brauchen, sie ja nnr
frühere Reden Richters nnchznlesen. Eine Nachtigall ist er zwar nicht, aber auch
seine Verehrer dürfte» gegen die Anwendung der Uhlaudschen Strophen auf ihn
nichts einzuwenden haben:


Was Neues hat sie nicht gelernt,
singt alte liebe Lieder.



Litteratur
Hat Aristoteles die Schrift vom Staate der Athener geschrieben? Bon Friedrich
Cauer, Stuttgart, G. I. Gvschensche Berlagshaudlnng, 1891

Die reit gefundene Schrift über die ätherische Stnatsverfassnng (s. Grenz-
boten 1891, 2, S. 15 ff.) versucht Friedrich Cauer dem Aristoteles abzustreiten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/638>, abgerufen am 04.07.2024.