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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Das Stenogrciphiemuvcsen

Wenn es auf dem Wege der geordneten Unterweisung, als wenn es auf heim¬
lichen Umwegen erlangt würde. Die sexuelle Frage ist nun einmal die Wurzel
und die Blute, der Anfang und das Ende jeder Moral. "Da jedes menschliche
Leben und Dasein seinen Ursprung in einem geschlechtlichen Verhältnis findet,
kauu das letztere als das Herz der Menschheit betrachtet werden. Wird
dessen Wirksamkeit erschüttert und zerstört, so leiden davon alle Glieder der
Menschheit."

Nibbings Buch hat in Schweden viele Angriffe erfahren, aber auch viel
Anerkennung gefunden. Der deutschen Jugend kann es nicht genug zum
eifrigen Studium empfohlen werden.




Das ^tenographieunwesen

nun der weiland kais
erliche Rat und Stadtschreiber zu Stra߬
burg, Sebastian Braut, wieder unter die Lebenden träte und
eine neue Ausgabe seines berühmten Hauptwerkes veranstaltete,
wie würde er staunen über die Fülle neuer Simpel und
Gimpel, mit denen er die Bevölkerung seines "Narrenschiffcs"
vermehren könnte! Er brauchte nur hineinzugreifen in die volle Narretei der
Gegenwart, an jeden: Finger würde ihm ein Dutzend der wunderlichsten
Narren häugen bleiben. Wie wnchtig würden z. B. die Hiebe seiner satirischen
Geißel niedersausen ans die Gigerl, die Vereinskäuze, die Volapükfexe, die
Zweiradhnnswürste und viele andre närrische Kerle mehr! Auch den Steuo-
graphienarren würde er unzweifelhaft eine besondre Ehrenstelle in seinem
Narrenschiffe zuweisen.

Mau verstehe mich nicht falsch. Der Besitz stenographischer Fertigkeit
ist für alle mit Schreibarbeit geplagten Menschenkinder, namentlich für alle
Gebildeten so vorteilhaft, daß es Rosen nach Schiras tragen hieße, überhaupt
noch Auseinandersetzungen darüber vorzunehmen. Auch ist erst vor wenigen
Wochen an dieser Stelle in einem besondern Aufsatz") die Einführung der
Stenographie an den höhern Lehranstalten wohlwollend besprochen worden.
Aber dieser Aufsatz übergeht ein starkes Hemmuis der Stenographie, nam-



°y Veranlaßt durch mancherlei irrige Vermutungen in der stenographischen Fachpresse
bemerken wir ausdrücklich, daß der Aufsatz in Ur. 8 ebensowenig wie der vorliegende von
D. Red. Dr. I. Brauns verfaßt ist.
Grenzboten II 1391 73
Das Stenogrciphiemuvcsen

Wenn es auf dem Wege der geordneten Unterweisung, als wenn es auf heim¬
lichen Umwegen erlangt würde. Die sexuelle Frage ist nun einmal die Wurzel
und die Blute, der Anfang und das Ende jeder Moral. „Da jedes menschliche
Leben und Dasein seinen Ursprung in einem geschlechtlichen Verhältnis findet,
kauu das letztere als das Herz der Menschheit betrachtet werden. Wird
dessen Wirksamkeit erschüttert und zerstört, so leiden davon alle Glieder der
Menschheit."

Nibbings Buch hat in Schweden viele Angriffe erfahren, aber auch viel
Anerkennung gefunden. Der deutschen Jugend kann es nicht genug zum
eifrigen Studium empfohlen werden.




Das ^tenographieunwesen

nun der weiland kais
erliche Rat und Stadtschreiber zu Stra߬
burg, Sebastian Braut, wieder unter die Lebenden träte und
eine neue Ausgabe seines berühmten Hauptwerkes veranstaltete,
wie würde er staunen über die Fülle neuer Simpel und
Gimpel, mit denen er die Bevölkerung seines „Narrenschiffcs"
vermehren könnte! Er brauchte nur hineinzugreifen in die volle Narretei der
Gegenwart, an jeden: Finger würde ihm ein Dutzend der wunderlichsten
Narren häugen bleiben. Wie wnchtig würden z. B. die Hiebe seiner satirischen
Geißel niedersausen ans die Gigerl, die Vereinskäuze, die Volapükfexe, die
Zweiradhnnswürste und viele andre närrische Kerle mehr! Auch den Steuo-
graphienarren würde er unzweifelhaft eine besondre Ehrenstelle in seinem
Narrenschiffe zuweisen.

Mau verstehe mich nicht falsch. Der Besitz stenographischer Fertigkeit
ist für alle mit Schreibarbeit geplagten Menschenkinder, namentlich für alle
Gebildeten so vorteilhaft, daß es Rosen nach Schiras tragen hieße, überhaupt
noch Auseinandersetzungen darüber vorzunehmen. Auch ist erst vor wenigen
Wochen an dieser Stelle in einem besondern Aufsatz") die Einführung der
Stenographie an den höhern Lehranstalten wohlwollend besprochen worden.
Aber dieser Aufsatz übergeht ein starkes Hemmuis der Stenographie, nam-



°y Veranlaßt durch mancherlei irrige Vermutungen in der stenographischen Fachpresse
bemerken wir ausdrücklich, daß der Aufsatz in Ur. 8 ebensowenig wie der vorliegende von
D. Red. Dr. I. Brauns verfaßt ist.
Grenzboten II 1391 73
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[0621] Das Stenogrciphiemuvcsen Wenn es auf dem Wege der geordneten Unterweisung, als wenn es auf heim¬ lichen Umwegen erlangt würde. Die sexuelle Frage ist nun einmal die Wurzel und die Blute, der Anfang und das Ende jeder Moral. „Da jedes menschliche Leben und Dasein seinen Ursprung in einem geschlechtlichen Verhältnis findet, kauu das letztere als das Herz der Menschheit betrachtet werden. Wird dessen Wirksamkeit erschüttert und zerstört, so leiden davon alle Glieder der Menschheit." Nibbings Buch hat in Schweden viele Angriffe erfahren, aber auch viel Anerkennung gefunden. Der deutschen Jugend kann es nicht genug zum eifrigen Studium empfohlen werden. Das ^tenographieunwesen nun der weiland kais erliche Rat und Stadtschreiber zu Stra߬ burg, Sebastian Braut, wieder unter die Lebenden träte und eine neue Ausgabe seines berühmten Hauptwerkes veranstaltete, wie würde er staunen über die Fülle neuer Simpel und Gimpel, mit denen er die Bevölkerung seines „Narrenschiffcs" vermehren könnte! Er brauchte nur hineinzugreifen in die volle Narretei der Gegenwart, an jeden: Finger würde ihm ein Dutzend der wunderlichsten Narren häugen bleiben. Wie wnchtig würden z. B. die Hiebe seiner satirischen Geißel niedersausen ans die Gigerl, die Vereinskäuze, die Volapükfexe, die Zweiradhnnswürste und viele andre närrische Kerle mehr! Auch den Steuo- graphienarren würde er unzweifelhaft eine besondre Ehrenstelle in seinem Narrenschiffe zuweisen. Mau verstehe mich nicht falsch. Der Besitz stenographischer Fertigkeit ist für alle mit Schreibarbeit geplagten Menschenkinder, namentlich für alle Gebildeten so vorteilhaft, daß es Rosen nach Schiras tragen hieße, überhaupt noch Auseinandersetzungen darüber vorzunehmen. Auch ist erst vor wenigen Wochen an dieser Stelle in einem besondern Aufsatz") die Einführung der Stenographie an den höhern Lehranstalten wohlwollend besprochen worden. Aber dieser Aufsatz übergeht ein starkes Hemmuis der Stenographie, nam- °y Veranlaßt durch mancherlei irrige Vermutungen in der stenographischen Fachpresse bemerken wir ausdrücklich, daß der Aufsatz in Ur. 8 ebensowenig wie der vorliegende von D. Red. Dr. I. Brauns verfaßt ist. Grenzboten II 1391 73

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/621>, abgerufen am 04.07.2024.