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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Zum deutsch-Österreichischen Handelsverträge

l
e "Hamburger Nachrichten" habe" sich in letzter Zeit wiederholt
in bemerkenswerter Weise mit unserm Verhältnis zu Österreich-
Ungarn beschäftigt, indem sie es sich zur Aufgabe machten, dar-
zuthun, daß das Bündnis mit Österreich bei allem unzweifel¬
haften Wert, den es für uns habe, doch überschätzt werde.
Diese Überschätzung der österreichischen Freundschaft habe Österreich eine
gewisse Berechtigung zu der Auffassung gegeben, daß es die leitende Stelle
im Bunde einnehme, und nun glaube Österreich seine günstige Stellung dazu
benutzen zu können, wirtschaftliche Zugeständnisse von nus zu erlangen. Schon
früher habe man von österreichischer Seite im Interesse des ungarischen
.Kornhandels an Deutschland ähnliche Zumutungen gestellt wie jetzt, diesen
sei mau bei uns höflich entgegengekommen, habe sie aber doch abzulehnen
gewußt. Damals sei eben Deutschland in einer günstigeren Stellung gewesen
durch sein System der gleichzeitigen Anlehnung an Rußland. Österreich habe
damals der Sache ihre beste Seite abzugewinnen gesucht und sich mit dem
begnügt, was zu erlangen war, denn es habe Deutschland nicht nur für
mächtiger gehalten als sich selbst, sondern auch für klüger.

Wenn hiernach die Abkühlung unsrer Beziehungen zu Nußland") geradezu
als ein Umstand bezeichnet wird, der Deutschland zum Abschluß eines un¬
vorteilhaften Vertrags mit Österreich-Ungarn geführt habe, so wollen wir,
die Fehlerhaftigkeit des Vertrags zunächst als gegeben betrachtend, vor allem



Während wir dies schreiben, kommt uns eine Auslassung der Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung zu, worin es in Abrede gestellt wird, daß die deutsch-russischen Beziehungen gestört
seien. Nun ja, in der offiziellen und offiziösen Sprache redet man von gestörten Beziehungen
erst, wenn der Krieg vor der Thür steht, und daß dies nicht der Fall sei, glauben wir recht
gern. Man kann sich sehr kühl gegenüberstehen, ohne sich zu bekriegen.
Grenzboten II 1891 K9


Zum deutsch-Österreichischen Handelsverträge

l
e „Hamburger Nachrichten" habe» sich in letzter Zeit wiederholt
in bemerkenswerter Weise mit unserm Verhältnis zu Österreich-
Ungarn beschäftigt, indem sie es sich zur Aufgabe machten, dar-
zuthun, daß das Bündnis mit Österreich bei allem unzweifel¬
haften Wert, den es für uns habe, doch überschätzt werde.
Diese Überschätzung der österreichischen Freundschaft habe Österreich eine
gewisse Berechtigung zu der Auffassung gegeben, daß es die leitende Stelle
im Bunde einnehme, und nun glaube Österreich seine günstige Stellung dazu
benutzen zu können, wirtschaftliche Zugeständnisse von nus zu erlangen. Schon
früher habe man von österreichischer Seite im Interesse des ungarischen
.Kornhandels an Deutschland ähnliche Zumutungen gestellt wie jetzt, diesen
sei mau bei uns höflich entgegengekommen, habe sie aber doch abzulehnen
gewußt. Damals sei eben Deutschland in einer günstigeren Stellung gewesen
durch sein System der gleichzeitigen Anlehnung an Rußland. Österreich habe
damals der Sache ihre beste Seite abzugewinnen gesucht und sich mit dem
begnügt, was zu erlangen war, denn es habe Deutschland nicht nur für
mächtiger gehalten als sich selbst, sondern auch für klüger.

Wenn hiernach die Abkühlung unsrer Beziehungen zu Nußland") geradezu
als ein Umstand bezeichnet wird, der Deutschland zum Abschluß eines un¬
vorteilhaften Vertrags mit Österreich-Ungarn geführt habe, so wollen wir,
die Fehlerhaftigkeit des Vertrags zunächst als gegeben betrachtend, vor allem



Während wir dies schreiben, kommt uns eine Auslassung der Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung zu, worin es in Abrede gestellt wird, daß die deutsch-russischen Beziehungen gestört
seien. Nun ja, in der offiziellen und offiziösen Sprache redet man von gestörten Beziehungen
erst, wenn der Krieg vor der Thür steht, und daß dies nicht der Fall sei, glauben wir recht
gern. Man kann sich sehr kühl gegenüberstehen, ohne sich zu bekriegen.
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[0549] [Abbildung] Zum deutsch-Österreichischen Handelsverträge l e „Hamburger Nachrichten" habe» sich in letzter Zeit wiederholt in bemerkenswerter Weise mit unserm Verhältnis zu Österreich- Ungarn beschäftigt, indem sie es sich zur Aufgabe machten, dar- zuthun, daß das Bündnis mit Österreich bei allem unzweifel¬ haften Wert, den es für uns habe, doch überschätzt werde. Diese Überschätzung der österreichischen Freundschaft habe Österreich eine gewisse Berechtigung zu der Auffassung gegeben, daß es die leitende Stelle im Bunde einnehme, und nun glaube Österreich seine günstige Stellung dazu benutzen zu können, wirtschaftliche Zugeständnisse von nus zu erlangen. Schon früher habe man von österreichischer Seite im Interesse des ungarischen .Kornhandels an Deutschland ähnliche Zumutungen gestellt wie jetzt, diesen sei mau bei uns höflich entgegengekommen, habe sie aber doch abzulehnen gewußt. Damals sei eben Deutschland in einer günstigeren Stellung gewesen durch sein System der gleichzeitigen Anlehnung an Rußland. Österreich habe damals der Sache ihre beste Seite abzugewinnen gesucht und sich mit dem begnügt, was zu erlangen war, denn es habe Deutschland nicht nur für mächtiger gehalten als sich selbst, sondern auch für klüger. Wenn hiernach die Abkühlung unsrer Beziehungen zu Nußland") geradezu als ein Umstand bezeichnet wird, der Deutschland zum Abschluß eines un¬ vorteilhaften Vertrags mit Österreich-Ungarn geführt habe, so wollen wir, die Fehlerhaftigkeit des Vertrags zunächst als gegeben betrachtend, vor allem Während wir dies schreiben, kommt uns eine Auslassung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung zu, worin es in Abrede gestellt wird, daß die deutsch-russischen Beziehungen gestört seien. Nun ja, in der offiziellen und offiziösen Sprache redet man von gestörten Beziehungen erst, wenn der Krieg vor der Thür steht, und daß dies nicht der Fall sei, glauben wir recht gern. Man kann sich sehr kühl gegenüberstehen, ohne sich zu bekriegen. Grenzboten II 1891 K9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/549>, abgerufen am 04.07.2024.