Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Daß es der gemeinsame deutsche Kaiser sei, kam ihr nicht in den Sinn. "Ihr "Achtung und Schonung der berechtigten Stammeseigentümlichkeiten" ist Wir haben unsern Vismarck gehabt, nein, gottlob! wir haben ihn uoch, Zur Frage der Fleischeinfuhr von A. Lschenbach ußer der jüngsten Reichstagsdebatte in der zweiten Lesung des Daß es der gemeinsame deutsche Kaiser sei, kam ihr nicht in den Sinn. „Ihr „Achtung und Schonung der berechtigten Stammeseigentümlichkeiten" ist Wir haben unsern Vismarck gehabt, nein, gottlob! wir haben ihn uoch, Zur Frage der Fleischeinfuhr von A. Lschenbach ußer der jüngsten Reichstagsdebatte in der zweiten Lesung des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0590" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209823"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1652" prev="#ID_1651"> Daß es der gemeinsame deutsche Kaiser sei, kam ihr nicht in den Sinn. „Ihr<lb/> Kaiser" — das ist der Ausdruck eines erschreckend großen Bruchteiles des<lb/> deutschen Volkes, der Kaiser und Reich unwillig oder gleichgültig als fremde<lb/> Bestandteile seines Daseins empfindet. Und im Gegensatz zu den Blättern, die<lb/> blind an solchen Zustünden vorübergehen oder mit gewandter Dialektik dar¬<lb/> über hinweghüpfen, muß man den andern noch dankbar sein, die wenigstens<lb/> offen heraussagen, daß sie das Svndertnm wollen und auf seine Kräftigung<lb/> hinarbeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1653"> „Achtung und Schonung der berechtigten Stammeseigentümlichkeiten" ist<lb/> im vergangenen Winter ein beliebtes Mahnwort gewesen, das der Süden dem<lb/> Norden zugerufen hat. Ich glaube, rührender, zartfühlender in dieser Be¬<lb/> ziehung ist wohl nie eine Staatskunst verfahren als die unsrige. Durch diese<lb/> Schonung haben wir es fertig gebracht, daß die Elsässer heute französischer<lb/> sind als vor dem Kriege, und daß nach einem Vierteljahrhundert das Welfen-<lb/> tnm in ungebrochener Stärke blüht. Ebenso werden wir gebeten — mit einer<lb/> Freundlichkeit, die den Pferdefuß schlecht versteckt — die Schwarzseherei, die<lb/> Unkenrufe zu unterlassen. Wahrlich, es ist keine erfreuliche Aufgabe, die<lb/> Kassandra zu spielen. Aber wem das Herz für sein großes, schönes Vater¬<lb/> land schlägt, wer es einig, frei und glücklich erhalten will, der sorgt beizeiten<lb/> und warnt, ehe es zu spät ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1654"> Wir haben unsern Vismarck gehabt, nein, gottlob! wir haben ihn uoch,<lb/> der uus das Reich gegründet und aufgerichtet hat. Möchte nie die Zeit kommen,<lb/> wo wir einen Richelieu herbeiwünschen, es zu vollenden!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zur Frage der Fleischeinfuhr<lb/><note type="byline"> von A. Lschenbach</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1655" next="#ID_1656"> ußer der jüngsten Reichstagsdebatte in der zweiten Lesung des<lb/> Etats sind es drei Punkte, die von neuem den Blick auf das<lb/> Verbot der Einfuhr vou amerikanischem Schweinefleisch (und<lb/> Schweineschmalz) gelenkt haben: der Preis des frischen Fleisches,<lb/> die Mac-Kinley-Bill, für die das Verbot unter Umständen als<lb/> Kompensationsniittel gelten kann, und endlich das neue amerikanische Gesetz<lb/> über die Verhinderung des Verkaufs von verfälschtem Schmalz. Zur Beur-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0590]
Daß es der gemeinsame deutsche Kaiser sei, kam ihr nicht in den Sinn. „Ihr
Kaiser" — das ist der Ausdruck eines erschreckend großen Bruchteiles des
deutschen Volkes, der Kaiser und Reich unwillig oder gleichgültig als fremde
Bestandteile seines Daseins empfindet. Und im Gegensatz zu den Blättern, die
blind an solchen Zustünden vorübergehen oder mit gewandter Dialektik dar¬
über hinweghüpfen, muß man den andern noch dankbar sein, die wenigstens
offen heraussagen, daß sie das Svndertnm wollen und auf seine Kräftigung
hinarbeiten.
„Achtung und Schonung der berechtigten Stammeseigentümlichkeiten" ist
im vergangenen Winter ein beliebtes Mahnwort gewesen, das der Süden dem
Norden zugerufen hat. Ich glaube, rührender, zartfühlender in dieser Be¬
ziehung ist wohl nie eine Staatskunst verfahren als die unsrige. Durch diese
Schonung haben wir es fertig gebracht, daß die Elsässer heute französischer
sind als vor dem Kriege, und daß nach einem Vierteljahrhundert das Welfen-
tnm in ungebrochener Stärke blüht. Ebenso werden wir gebeten — mit einer
Freundlichkeit, die den Pferdefuß schlecht versteckt — die Schwarzseherei, die
Unkenrufe zu unterlassen. Wahrlich, es ist keine erfreuliche Aufgabe, die
Kassandra zu spielen. Aber wem das Herz für sein großes, schönes Vater¬
land schlägt, wer es einig, frei und glücklich erhalten will, der sorgt beizeiten
und warnt, ehe es zu spät ist.
Wir haben unsern Vismarck gehabt, nein, gottlob! wir haben ihn uoch,
der uus das Reich gegründet und aufgerichtet hat. Möchte nie die Zeit kommen,
wo wir einen Richelieu herbeiwünschen, es zu vollenden!
Zur Frage der Fleischeinfuhr
von A. Lschenbach
ußer der jüngsten Reichstagsdebatte in der zweiten Lesung des
Etats sind es drei Punkte, die von neuem den Blick auf das
Verbot der Einfuhr vou amerikanischem Schweinefleisch (und
Schweineschmalz) gelenkt haben: der Preis des frischen Fleisches,
die Mac-Kinley-Bill, für die das Verbot unter Umständen als
Kompensationsniittel gelten kann, und endlich das neue amerikanische Gesetz
über die Verhinderung des Verkaufs von verfälschtem Schmalz. Zur Beur-
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