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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Kinderheilstätten mi der See

Vor, daß sie die im Tierreich herrschende" Entwicklungsgesetze in unverständig
roher Weise unverändert nuf die mit Vernunft begabte Menschheit anwenden,
und den Malthusianismus, der notwendigerweise zur Billigung und Empfeh¬
lung aller möglichen Laster und Verbrechen führt, fertigt er in eiuer wahrhaft
glänzenden Widerlegung ab (S. 350 ff.).

Somit erkennen Nur dem Sozialismus ein doppeltes Verdienst zu; er hat
unsre volkswirtschaftlichen Begriffe berichtigt, und er hat zu einer Zeit, wo
die natürlichen Bedingungen irdischer Glückseligkeit weithin zerstört waren und
das Volk die Hoffnung auf deu Himmel verloren hatte, für beides einen zeit¬
weiligen Ersatz geschaffen in dem energischen Streben nach einer bessern Gesell-
schaftsordnung. Auf der neugewonnenen Grundlage dieser richtigern Begriffe
im christlichen Geiste an unsern gesellschaftlichen Zuständen bessern, was ver¬
dorben, und umbauen, was unhaltbar geworden ist, das wäre, so will es uus
scheinen, die Aufgabe der echt konservativen Geister, die ja zugleich auch die
echt liberalen sind.




Die deutschen Kinderheilstätten an der ^>ce

ein das Glück zu teil ward, aus des Tages hastigem. Gedränge,
nach aufreibender Thätigkeit oder schwerem Kranksein sich hierher
zu retten an den unvergleichlich herrlichen Meeresstrand, wer hier
tief aufatmend die frische Seeluft in die Brust gesogen hat, der
versteht deu wahrhaft menschenfreundlichen Gedanken ganz zu
würdigen, gerade hier eine Genesungsstätte für kränkliche Kinder zu schaffen,
die daheim in dein schweren Kampfe gegen unverschuldete Not und Krankheit
mahl auszukommen vermögen, nnn aber von voller, frischer Lebenslust, von dem
beglückenden Gefühle wiedererwachter Gesundheit durchdrungen werden. Und
niemand anders, als der Schöpfer und Schirmer unsers deutschen Reiches,
Kaiser Wilhelm I,, hat diesen Gedanken tief in seinem milden, menschenfreund¬
lichen Herzen gehegt und ihn dann mit wahrhaft königlicher Freigebigkeit zur
That werden küssen. Ihm erschien die Idee besonders ansprechend, daß das
deutsche Volk hier gemeinsame, nationale Genesungsstätten besitzen sollte, wie
sie andre Völker zum Teil seit langem schon für ihre konstitutionell schwachen
und skrofulösen Kinder begründet hatten.


Die deutschen Kinderheilstätten mi der See

Vor, daß sie die im Tierreich herrschende« Entwicklungsgesetze in unverständig
roher Weise unverändert nuf die mit Vernunft begabte Menschheit anwenden,
und den Malthusianismus, der notwendigerweise zur Billigung und Empfeh¬
lung aller möglichen Laster und Verbrechen führt, fertigt er in eiuer wahrhaft
glänzenden Widerlegung ab (S. 350 ff.).

Somit erkennen Nur dem Sozialismus ein doppeltes Verdienst zu; er hat
unsre volkswirtschaftlichen Begriffe berichtigt, und er hat zu einer Zeit, wo
die natürlichen Bedingungen irdischer Glückseligkeit weithin zerstört waren und
das Volk die Hoffnung auf deu Himmel verloren hatte, für beides einen zeit¬
weiligen Ersatz geschaffen in dem energischen Streben nach einer bessern Gesell-
schaftsordnung. Auf der neugewonnenen Grundlage dieser richtigern Begriffe
im christlichen Geiste an unsern gesellschaftlichen Zuständen bessern, was ver¬
dorben, und umbauen, was unhaltbar geworden ist, das wäre, so will es uus
scheinen, die Aufgabe der echt konservativen Geister, die ja zugleich auch die
echt liberalen sind.




Die deutschen Kinderheilstätten an der ^>ce

ein das Glück zu teil ward, aus des Tages hastigem. Gedränge,
nach aufreibender Thätigkeit oder schwerem Kranksein sich hierher
zu retten an den unvergleichlich herrlichen Meeresstrand, wer hier
tief aufatmend die frische Seeluft in die Brust gesogen hat, der
versteht deu wahrhaft menschenfreundlichen Gedanken ganz zu
würdigen, gerade hier eine Genesungsstätte für kränkliche Kinder zu schaffen,
die daheim in dein schweren Kampfe gegen unverschuldete Not und Krankheit
mahl auszukommen vermögen, nnn aber von voller, frischer Lebenslust, von dem
beglückenden Gefühle wiedererwachter Gesundheit durchdrungen werden. Und
niemand anders, als der Schöpfer und Schirmer unsers deutschen Reiches,
Kaiser Wilhelm I,, hat diesen Gedanken tief in seinem milden, menschenfreund¬
lichen Herzen gehegt und ihn dann mit wahrhaft königlicher Freigebigkeit zur
That werden küssen. Ihm erschien die Idee besonders ansprechend, daß das
deutsche Volk hier gemeinsame, nationale Genesungsstätten besitzen sollte, wie
sie andre Völker zum Teil seit langem schon für ihre konstitutionell schwachen
und skrofulösen Kinder begründet hatten.


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[0407] Die deutschen Kinderheilstätten mi der See Vor, daß sie die im Tierreich herrschende« Entwicklungsgesetze in unverständig roher Weise unverändert nuf die mit Vernunft begabte Menschheit anwenden, und den Malthusianismus, der notwendigerweise zur Billigung und Empfeh¬ lung aller möglichen Laster und Verbrechen führt, fertigt er in eiuer wahrhaft glänzenden Widerlegung ab (S. 350 ff.). Somit erkennen Nur dem Sozialismus ein doppeltes Verdienst zu; er hat unsre volkswirtschaftlichen Begriffe berichtigt, und er hat zu einer Zeit, wo die natürlichen Bedingungen irdischer Glückseligkeit weithin zerstört waren und das Volk die Hoffnung auf deu Himmel verloren hatte, für beides einen zeit¬ weiligen Ersatz geschaffen in dem energischen Streben nach einer bessern Gesell- schaftsordnung. Auf der neugewonnenen Grundlage dieser richtigern Begriffe im christlichen Geiste an unsern gesellschaftlichen Zuständen bessern, was ver¬ dorben, und umbauen, was unhaltbar geworden ist, das wäre, so will es uus scheinen, die Aufgabe der echt konservativen Geister, die ja zugleich auch die echt liberalen sind. Die deutschen Kinderheilstätten an der ^>ce ein das Glück zu teil ward, aus des Tages hastigem. Gedränge, nach aufreibender Thätigkeit oder schwerem Kranksein sich hierher zu retten an den unvergleichlich herrlichen Meeresstrand, wer hier tief aufatmend die frische Seeluft in die Brust gesogen hat, der versteht deu wahrhaft menschenfreundlichen Gedanken ganz zu würdigen, gerade hier eine Genesungsstätte für kränkliche Kinder zu schaffen, die daheim in dein schweren Kampfe gegen unverschuldete Not und Krankheit mahl auszukommen vermögen, nnn aber von voller, frischer Lebenslust, von dem beglückenden Gefühle wiedererwachter Gesundheit durchdrungen werden. Und niemand anders, als der Schöpfer und Schirmer unsers deutschen Reiches, Kaiser Wilhelm I,, hat diesen Gedanken tief in seinem milden, menschenfreund¬ lichen Herzen gehegt und ihn dann mit wahrhaft königlicher Freigebigkeit zur That werden küssen. Ihm erschien die Idee besonders ansprechend, daß das deutsche Volk hier gemeinsame, nationale Genesungsstätten besitzen sollte, wie sie andre Völker zum Teil seit langem schon für ihre konstitutionell schwachen und skrofulösen Kinder begründet hatten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/407>, abgerufen am 03.07.2024.