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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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so erleuchtet und rechtschaffen sein. Verloren sind ihre Lehren nicht, wen" se.'
bei den Neubildungen, deren jede Zeit bedarf, beachtet werden.

Guglias Stil ist nicht überall unanfechtbar, und die -- vielleicht unbe¬
wußte -- Nachahmung nautischer Wendungen gereicht ihm nicht zum Vorteil
weil sie zur Vergleichung zwingt; ,,im vorhinein" (S. 448) und so manche
Satzfügung schmecken ganz und gar uicht nach Ranke. Auch siud weit mehr
Druckfehler stehen geblieben, als die Berichtigungen anführen. Dem sachlichen
Werte des verdienstvollen Werkes thun diese Mängel der Form keinen
Eintrag.




Die Stenographie in der Schule

er Verfasser des Aufsatzes "Die lateinischen und griechischen
Persa" (in Ur. 49 der Grenzboten vom vorigen Jahre) hat in
seinen Ausführungen auch einen Punkt berührt, der bei deu
jetzigen Reformbestrebungen merkwürdigerweise kaum einmal ge¬
streift worden ist, obwohl er einer gründlichen Erörterung würdig
wäre, nämlich die Verminderung des Schreibwerkes in den höhern Lehr¬
anstalten.

Wir leben -- und es wird oft genug darüber geklagt -- in einem
Papiernen Zeitalter, das Ströme von Tinte über Rollen endlosen Papiers aus¬
gießt. Unsre verwickelten und vielgestaltigen Knlturverhältnisse verlangen eben
gebieterisch das Festhalten der irgendwie beträchtlichen Geschehnisse durch sicht¬
bare Zeichen, da hinter der Menge dessen, was für kürzere oder längere
Zeit unverändert der Kenntnis erhalten werden muß, die Kraft und Zuver¬
lässigkeit des Gedächtnisses weit zurücksteht. In mancher Beziehung wird hierin
des Guten gewiß zu viel gethan, aber auch bei Beschränkung auf das Uner¬
läßliche bleibt das Schreibwerk eine schwere Bürde, die wir als ein von der
Kultur verlangtes Opfer entsagungsvoll und gleichmütig zu tragen ge¬
zwungen sind.

Auch von deu Schülern der höhern Lehranstalten wird die Schreiberei
als drückende Last empfunden. Die Beseitigung der griechischen und lateinischen
Persa von diesem Standpunkte betrachtet würde freilich nur geringe Erleich¬
terung schaffen, denn nicht in den fremden Sprachen muß die Hauptmasse des
Schreibwerkes geleistet werden, sondern in der Muttersprache, und bei der
scharfen Betonung des Deutschnativnalen in der jetzigen Schulreformbeweguug
kann es uicht ausbleiben, daß künftig das Schreiben in der Muttersprache noch


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so erleuchtet und rechtschaffen sein. Verloren sind ihre Lehren nicht, wen» se.'
bei den Neubildungen, deren jede Zeit bedarf, beachtet werden.

Guglias Stil ist nicht überall unanfechtbar, und die — vielleicht unbe¬
wußte — Nachahmung nautischer Wendungen gereicht ihm nicht zum Vorteil
weil sie zur Vergleichung zwingt; ,,im vorhinein" (S. 448) und so manche
Satzfügung schmecken ganz und gar uicht nach Ranke. Auch siud weit mehr
Druckfehler stehen geblieben, als die Berichtigungen anführen. Dem sachlichen
Werte des verdienstvollen Werkes thun diese Mängel der Form keinen
Eintrag.




Die Stenographie in der Schule

er Verfasser des Aufsatzes „Die lateinischen und griechischen
Persa" (in Ur. 49 der Grenzboten vom vorigen Jahre) hat in
seinen Ausführungen auch einen Punkt berührt, der bei deu
jetzigen Reformbestrebungen merkwürdigerweise kaum einmal ge¬
streift worden ist, obwohl er einer gründlichen Erörterung würdig
wäre, nämlich die Verminderung des Schreibwerkes in den höhern Lehr¬
anstalten.

Wir leben — und es wird oft genug darüber geklagt — in einem
Papiernen Zeitalter, das Ströme von Tinte über Rollen endlosen Papiers aus¬
gießt. Unsre verwickelten und vielgestaltigen Knlturverhältnisse verlangen eben
gebieterisch das Festhalten der irgendwie beträchtlichen Geschehnisse durch sicht¬
bare Zeichen, da hinter der Menge dessen, was für kürzere oder längere
Zeit unverändert der Kenntnis erhalten werden muß, die Kraft und Zuver¬
lässigkeit des Gedächtnisses weit zurücksteht. In mancher Beziehung wird hierin
des Guten gewiß zu viel gethan, aber auch bei Beschränkung auf das Uner¬
läßliche bleibt das Schreibwerk eine schwere Bürde, die wir als ein von der
Kultur verlangtes Opfer entsagungsvoll und gleichmütig zu tragen ge¬
zwungen sind.

Auch von deu Schülern der höhern Lehranstalten wird die Schreiberei
als drückende Last empfunden. Die Beseitigung der griechischen und lateinischen
Persa von diesem Standpunkte betrachtet würde freilich nur geringe Erleich¬
terung schaffen, denn nicht in den fremden Sprachen muß die Hauptmasse des
Schreibwerkes geleistet werden, sondern in der Muttersprache, und bei der
scharfen Betonung des Deutschnativnalen in der jetzigen Schulreformbeweguug
kann es uicht ausbleiben, daß künftig das Schreiben in der Muttersprache noch


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[0361] so erleuchtet und rechtschaffen sein. Verloren sind ihre Lehren nicht, wen» se.' bei den Neubildungen, deren jede Zeit bedarf, beachtet werden. Guglias Stil ist nicht überall unanfechtbar, und die — vielleicht unbe¬ wußte — Nachahmung nautischer Wendungen gereicht ihm nicht zum Vorteil weil sie zur Vergleichung zwingt; ,,im vorhinein" (S. 448) und so manche Satzfügung schmecken ganz und gar uicht nach Ranke. Auch siud weit mehr Druckfehler stehen geblieben, als die Berichtigungen anführen. Dem sachlichen Werte des verdienstvollen Werkes thun diese Mängel der Form keinen Eintrag. Die Stenographie in der Schule er Verfasser des Aufsatzes „Die lateinischen und griechischen Persa" (in Ur. 49 der Grenzboten vom vorigen Jahre) hat in seinen Ausführungen auch einen Punkt berührt, der bei deu jetzigen Reformbestrebungen merkwürdigerweise kaum einmal ge¬ streift worden ist, obwohl er einer gründlichen Erörterung würdig wäre, nämlich die Verminderung des Schreibwerkes in den höhern Lehr¬ anstalten. Wir leben — und es wird oft genug darüber geklagt — in einem Papiernen Zeitalter, das Ströme von Tinte über Rollen endlosen Papiers aus¬ gießt. Unsre verwickelten und vielgestaltigen Knlturverhältnisse verlangen eben gebieterisch das Festhalten der irgendwie beträchtlichen Geschehnisse durch sicht¬ bare Zeichen, da hinter der Menge dessen, was für kürzere oder längere Zeit unverändert der Kenntnis erhalten werden muß, die Kraft und Zuver¬ lässigkeit des Gedächtnisses weit zurücksteht. In mancher Beziehung wird hierin des Guten gewiß zu viel gethan, aber auch bei Beschränkung auf das Uner¬ läßliche bleibt das Schreibwerk eine schwere Bürde, die wir als ein von der Kultur verlangtes Opfer entsagungsvoll und gleichmütig zu tragen ge¬ zwungen sind. Auch von deu Schülern der höhern Lehranstalten wird die Schreiberei als drückende Last empfunden. Die Beseitigung der griechischen und lateinischen Persa von diesem Standpunkte betrachtet würde freilich nur geringe Erleich¬ terung schaffen, denn nicht in den fremden Sprachen muß die Hauptmasse des Schreibwerkes geleistet werden, sondern in der Muttersprache, und bei der scharfen Betonung des Deutschnativnalen in der jetzigen Schulreformbeweguug kann es uicht ausbleiben, daß künftig das Schreiben in der Muttersprache noch Grenzbote» I 18K1 4b

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/361>, abgerufen am 22.07.2024.