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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Zum deutsch-Österreichischen Handelsvertrage

und wer noch so unbekannt wäre mit den Verhältnissen des
internationalen Handels, der wird doch wissen, daß ein Handels¬
erleichterungsvertrag zwischen dein deutschen Reich und der
österreichisch-ungarischen Monarchie notwendig eine Herabsetzn"",
der deutschen Getreidezölle enthalten muß. Denn Österreich hat
mien Überschuß ein landwirtschaftlicher Produktion, während Deutschland seinen
einheimischen Bedarf an landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht deckt. Ander¬
seits ist die deutsche Industrie einer großartigen Steigerung fähig, während
ihr auf den bisherigen Märkten Verluste drohen, und während der Zoll¬
krieg, den wir seit 1881 lind namentlich seit 1887 mit Österreich führen, ihr
schon beträchtliche Verluste gebracht hat. Das ist also der Stand der Sache:
in Osterreich hoffen die Landwirte, in Deutschland hoffen die Industriellen
Vorteile von einer gegenseitig erleichterten Einfuhr.

Es giebt aber auch hüben und drüben Gegner eines solchen Handels¬
vertrages, die alle ans seinen Abschluß gerichteten Bemühungen in der Geburt
ersticken mochten. In Österreich scheinen die Gegner weniger zahlreich lind
weniger mächtig als in Deutschland, wo die Gegenwirkung von der mächtigen
Partei der Agrarier ausgeht. Bekanntlich wurden die deutschen Getreidezölle
zuerst im Jahre 1879 mit dem mäßigen Satz von 1 Mark für den Doppel¬
zentner eingeführt, aber im Jahre 1885 wurde der Satz verdreifacht und im
Jahre 1887 verfünffacht. Dieser hohe Satz ist es, den unsre Agrarier krampf¬
haft festhalten, und um deswillen sie dem heranziehenden Handelsvertrag ihre
Weherufe entgegensenden. Bei der Verhandlung im Reichstag am 1.'!., 14.,
15. und 16. Januar, wo die Anträge Alters und Richters, der eine zur Aus¬
hebung, der andre zur Ermäßigung der Lebeusmittelzölle, beraten wurden, erklärten


Grenzbowl 1 1891 87


Zum deutsch-Österreichischen Handelsvertrage

und wer noch so unbekannt wäre mit den Verhältnissen des
internationalen Handels, der wird doch wissen, daß ein Handels¬
erleichterungsvertrag zwischen dein deutschen Reich und der
österreichisch-ungarischen Monarchie notwendig eine Herabsetzn««,
der deutschen Getreidezölle enthalten muß. Denn Österreich hat
mien Überschuß ein landwirtschaftlicher Produktion, während Deutschland seinen
einheimischen Bedarf an landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht deckt. Ander¬
seits ist die deutsche Industrie einer großartigen Steigerung fähig, während
ihr auf den bisherigen Märkten Verluste drohen, und während der Zoll¬
krieg, den wir seit 1881 lind namentlich seit 1887 mit Österreich führen, ihr
schon beträchtliche Verluste gebracht hat. Das ist also der Stand der Sache:
in Osterreich hoffen die Landwirte, in Deutschland hoffen die Industriellen
Vorteile von einer gegenseitig erleichterten Einfuhr.

Es giebt aber auch hüben und drüben Gegner eines solchen Handels¬
vertrages, die alle ans seinen Abschluß gerichteten Bemühungen in der Geburt
ersticken mochten. In Österreich scheinen die Gegner weniger zahlreich lind
weniger mächtig als in Deutschland, wo die Gegenwirkung von der mächtigen
Partei der Agrarier ausgeht. Bekanntlich wurden die deutschen Getreidezölle
zuerst im Jahre 1879 mit dem mäßigen Satz von 1 Mark für den Doppel¬
zentner eingeführt, aber im Jahre 1885 wurde der Satz verdreifacht und im
Jahre 1887 verfünffacht. Dieser hohe Satz ist es, den unsre Agrarier krampf¬
haft festhalten, und um deswillen sie dem heranziehenden Handelsvertrag ihre
Weherufe entgegensenden. Bei der Verhandlung im Reichstag am 1.'!., 14.,
15. und 16. Januar, wo die Anträge Alters und Richters, der eine zur Aus¬
hebung, der andre zur Ermäßigung der Lebeusmittelzölle, beraten wurden, erklärten


Grenzbowl 1 1891 87
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[0297] [Abbildung] Zum deutsch-Österreichischen Handelsvertrage und wer noch so unbekannt wäre mit den Verhältnissen des internationalen Handels, der wird doch wissen, daß ein Handels¬ erleichterungsvertrag zwischen dein deutschen Reich und der österreichisch-ungarischen Monarchie notwendig eine Herabsetzn««, der deutschen Getreidezölle enthalten muß. Denn Österreich hat mien Überschuß ein landwirtschaftlicher Produktion, während Deutschland seinen einheimischen Bedarf an landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht deckt. Ander¬ seits ist die deutsche Industrie einer großartigen Steigerung fähig, während ihr auf den bisherigen Märkten Verluste drohen, und während der Zoll¬ krieg, den wir seit 1881 lind namentlich seit 1887 mit Österreich führen, ihr schon beträchtliche Verluste gebracht hat. Das ist also der Stand der Sache: in Osterreich hoffen die Landwirte, in Deutschland hoffen die Industriellen Vorteile von einer gegenseitig erleichterten Einfuhr. Es giebt aber auch hüben und drüben Gegner eines solchen Handels¬ vertrages, die alle ans seinen Abschluß gerichteten Bemühungen in der Geburt ersticken mochten. In Österreich scheinen die Gegner weniger zahlreich lind weniger mächtig als in Deutschland, wo die Gegenwirkung von der mächtigen Partei der Agrarier ausgeht. Bekanntlich wurden die deutschen Getreidezölle zuerst im Jahre 1879 mit dem mäßigen Satz von 1 Mark für den Doppel¬ zentner eingeführt, aber im Jahre 1885 wurde der Satz verdreifacht und im Jahre 1887 verfünffacht. Dieser hohe Satz ist es, den unsre Agrarier krampf¬ haft festhalten, und um deswillen sie dem heranziehenden Handelsvertrag ihre Weherufe entgegensenden. Bei der Verhandlung im Reichstag am 1.'!., 14., 15. und 16. Januar, wo die Anträge Alters und Richters, der eine zur Aus¬ hebung, der andre zur Ermäßigung der Lebeusmittelzölle, beraten wurden, erklärten Grenzbowl 1 1891 87

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/297>, abgerufen am 22.07.2024.