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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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John Lothrop Motley

el einem Hoffeste in Wien während der Friedensverhandlungen
zwischen den deutschen Mächten und Däueiuark (18(i4) unirde
dem Könige vou Preußen das diplomatische Korps vorgestellt,
und er äußerte zu dem Gesandten der Vereinigten Staaten:
"Ah. ich habe von Ihnen gehört durch meine Schwiegertochter.
Sie sind ein Schriftsteller?" Der Ton. in dem Motley seiner ältesten
Tochter über diese Ansprache berichtet, läßt einige Enttäuschung durchblicken.
Er war durch die Aufnahme seines ersten Werkes über deu Abfall der Nieder¬
lande bei drei Nationen verwöhnt worden. Die Nordamerikaner waren stolz
auf diesen schnell berühmt gewordnen Landsmann, die Holländer fühlten sich
geschmeichelt, und in England war man angenehm berührt durch die Ver¬
herrlichung des Ahnherrn jenes Mannes, der die englische Revolution so
glücklich zum Abschluß gebracht hat. Sie alle kargten nicht mit ihrem Bei¬
fall. J" Deutschland aber ist Motley wohl kaum so allgemein bekannt ge¬
worden, wie etwa Bancroft und Prescott. Dem entspricht es auch, daß nach
dem Erscheinen seines Briefwechsels im Original die deutsche Presse darin
namentlich das beachtete, was sich auf seine Freundschaft mit Bismarck be¬
zieht. Und in der That mußte man seine Freude über die Veröffentlichung
der Briefe haben, die so schön die längst bekannten, an seine Frau gerichteten
ergänzen. Wie köstlich ist gleich das erste, in einer Landtagssitzung begonnene
Schreiben vom 17. April 18<"3! ..Ich bin genötigt, ungewöhnlich abgeschmackte
Reden aus dem Munde ungewöhnlich kindischer und aufgeregter Politiker an¬
zuhören, und habe dadurch einen Angenblick unfreiwilliger Muße, die ich nicht
besser benutzen kauu, als indem ich dir von meinem Wohlbefinden Nachricht
gebe. Ich habe niemals geglaubt, daß ich in meinen reifen Jahren genötigt
werden würde, ein so unwürdiges Gewerbe wie das eines parlamentarischen


Grenzbown I 1801 IN


John Lothrop Motley

el einem Hoffeste in Wien während der Friedensverhandlungen
zwischen den deutschen Mächten und Däueiuark (18(i4) unirde
dem Könige vou Preußen das diplomatische Korps vorgestellt,
und er äußerte zu dem Gesandten der Vereinigten Staaten:
„Ah. ich habe von Ihnen gehört durch meine Schwiegertochter.
Sie sind ein Schriftsteller?" Der Ton. in dem Motley seiner ältesten
Tochter über diese Ansprache berichtet, läßt einige Enttäuschung durchblicken.
Er war durch die Aufnahme seines ersten Werkes über deu Abfall der Nieder¬
lande bei drei Nationen verwöhnt worden. Die Nordamerikaner waren stolz
auf diesen schnell berühmt gewordnen Landsmann, die Holländer fühlten sich
geschmeichelt, und in England war man angenehm berührt durch die Ver¬
herrlichung des Ahnherrn jenes Mannes, der die englische Revolution so
glücklich zum Abschluß gebracht hat. Sie alle kargten nicht mit ihrem Bei¬
fall. J„ Deutschland aber ist Motley wohl kaum so allgemein bekannt ge¬
worden, wie etwa Bancroft und Prescott. Dem entspricht es auch, daß nach
dem Erscheinen seines Briefwechsels im Original die deutsche Presse darin
namentlich das beachtete, was sich auf seine Freundschaft mit Bismarck be¬
zieht. Und in der That mußte man seine Freude über die Veröffentlichung
der Briefe haben, die so schön die längst bekannten, an seine Frau gerichteten
ergänzen. Wie köstlich ist gleich das erste, in einer Landtagssitzung begonnene
Schreiben vom 17. April 18<»3! ..Ich bin genötigt, ungewöhnlich abgeschmackte
Reden aus dem Munde ungewöhnlich kindischer und aufgeregter Politiker an¬
zuhören, und habe dadurch einen Angenblick unfreiwilliger Muße, die ich nicht
besser benutzen kauu, als indem ich dir von meinem Wohlbefinden Nachricht
gebe. Ich habe niemals geglaubt, daß ich in meinen reifen Jahren genötigt
werden würde, ein so unwürdiges Gewerbe wie das eines parlamentarischen


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[0153] [Abbildung] John Lothrop Motley el einem Hoffeste in Wien während der Friedensverhandlungen zwischen den deutschen Mächten und Däueiuark (18(i4) unirde dem Könige vou Preußen das diplomatische Korps vorgestellt, und er äußerte zu dem Gesandten der Vereinigten Staaten: „Ah. ich habe von Ihnen gehört durch meine Schwiegertochter. Sie sind ein Schriftsteller?" Der Ton. in dem Motley seiner ältesten Tochter über diese Ansprache berichtet, läßt einige Enttäuschung durchblicken. Er war durch die Aufnahme seines ersten Werkes über deu Abfall der Nieder¬ lande bei drei Nationen verwöhnt worden. Die Nordamerikaner waren stolz auf diesen schnell berühmt gewordnen Landsmann, die Holländer fühlten sich geschmeichelt, und in England war man angenehm berührt durch die Ver¬ herrlichung des Ahnherrn jenes Mannes, der die englische Revolution so glücklich zum Abschluß gebracht hat. Sie alle kargten nicht mit ihrem Bei¬ fall. J„ Deutschland aber ist Motley wohl kaum so allgemein bekannt ge¬ worden, wie etwa Bancroft und Prescott. Dem entspricht es auch, daß nach dem Erscheinen seines Briefwechsels im Original die deutsche Presse darin namentlich das beachtete, was sich auf seine Freundschaft mit Bismarck be¬ zieht. Und in der That mußte man seine Freude über die Veröffentlichung der Briefe haben, die so schön die längst bekannten, an seine Frau gerichteten ergänzen. Wie köstlich ist gleich das erste, in einer Landtagssitzung begonnene Schreiben vom 17. April 18<»3! ..Ich bin genötigt, ungewöhnlich abgeschmackte Reden aus dem Munde ungewöhnlich kindischer und aufgeregter Politiker an¬ zuhören, und habe dadurch einen Angenblick unfreiwilliger Muße, die ich nicht besser benutzen kauu, als indem ich dir von meinem Wohlbefinden Nachricht gebe. Ich habe niemals geglaubt, daß ich in meinen reifen Jahren genötigt werden würde, ein so unwürdiges Gewerbe wie das eines parlamentarischen Grenzbown I 1801 IN

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/153>, abgerufen am 22.07.2024.