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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Beschränkung der Arbeit

le für den 1. Mai geplante großartige Kundgebung der Arbeiter
für Einführung des achtstündigen Arbeitstages ist im wesentliche!?
mißlungen. Damit ist aber die Frage noch nicht ans der Welt
geschafft. Nun glauben wir freilich, daß die sozialdemokratischen
Führer, die den achtstündigen Arbeitstag ans ihre Fahne ge¬
schrieben haben, kaum zu den Lesern dieser Blatter gehören werden. Immerhin
aber lohnt es sich, daß man sich auch in andern Kreisen darüber klar werde,
was daraus werden würde, wenn wirklich einmal der Versuch gemacht werden
sollte, den abgekürzten Arbeitstag einzuführen.

Ohne Zweifel denken sich die Arbeiter die Sache so: es soll ihnen künftig
sür acht Stunden Arbeit derselbe Lohn gezahlt werden, den sie jetzt, sagen wir
tur zwölf Stunden Arbeit erdulden. Daun, meinen sie, könnten sie gerade so
fortleben wie bisher, hätten aber, statt der bisherigen vier, fortan acht Feier¬
stunden zu ihrer Erholung. In diesem Glauben liegt aber eine arge
Täuschung.

Das Maß unsers Wohllebens wird bestimmt durch die Summe der Güter,
^ wir erzengen. Das Geld, das jeder verdient, bestimmt nur deu verhältnis¬
mäßigen Anteil, zu dem jeder Einzelne an der Summe dieser Güter teil¬
nimmt. Deshalb ist das Geld, das wir auszugeben haben, relativ gleichgiltig.
senken wir, daß Nur in der Lage wären, im Vergleich zu bisher das
Anderthalbfache der Güter zu erzeugen, so würden wir auch sofort anderthalbmal
so viel an Gütern zu verzehren haben und daher weit besser leben können,
auch wenn wir nicht mehr als bisher an Geld besäßen. Es würden nämlich
Güter, die wir zum Leben brauchen, so wohlfeil werden, daß wir für
dasselbe Geld anderthalbfach so viel laufen könnten.


Grenzbvwi II 18!"" 37


Die Beschränkung der Arbeit

le für den 1. Mai geplante großartige Kundgebung der Arbeiter
für Einführung des achtstündigen Arbeitstages ist im wesentliche!?
mißlungen. Damit ist aber die Frage noch nicht ans der Welt
geschafft. Nun glauben wir freilich, daß die sozialdemokratischen
Führer, die den achtstündigen Arbeitstag ans ihre Fahne ge¬
schrieben haben, kaum zu den Lesern dieser Blatter gehören werden. Immerhin
aber lohnt es sich, daß man sich auch in andern Kreisen darüber klar werde,
was daraus werden würde, wenn wirklich einmal der Versuch gemacht werden
sollte, den abgekürzten Arbeitstag einzuführen.

Ohne Zweifel denken sich die Arbeiter die Sache so: es soll ihnen künftig
sür acht Stunden Arbeit derselbe Lohn gezahlt werden, den sie jetzt, sagen wir
tur zwölf Stunden Arbeit erdulden. Daun, meinen sie, könnten sie gerade so
fortleben wie bisher, hätten aber, statt der bisherigen vier, fortan acht Feier¬
stunden zu ihrer Erholung. In diesem Glauben liegt aber eine arge
Täuschung.

Das Maß unsers Wohllebens wird bestimmt durch die Summe der Güter,
^ wir erzengen. Das Geld, das jeder verdient, bestimmt nur deu verhältnis¬
mäßigen Anteil, zu dem jeder Einzelne an der Summe dieser Güter teil¬
nimmt. Deshalb ist das Geld, das wir auszugeben haben, relativ gleichgiltig.
senken wir, daß Nur in der Lage wären, im Vergleich zu bisher das
Anderthalbfache der Güter zu erzeugen, so würden wir auch sofort anderthalbmal
so viel an Gütern zu verzehren haben und daher weit besser leben können,
auch wenn wir nicht mehr als bisher an Geld besäßen. Es würden nämlich
Güter, die wir zum Leben brauchen, so wohlfeil werden, daß wir für
dasselbe Geld anderthalbfach so viel laufen könnten.


Grenzbvwi II 18!»» 37
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[0297] [Abbildung] Die Beschränkung der Arbeit le für den 1. Mai geplante großartige Kundgebung der Arbeiter für Einführung des achtstündigen Arbeitstages ist im wesentliche!? mißlungen. Damit ist aber die Frage noch nicht ans der Welt geschafft. Nun glauben wir freilich, daß die sozialdemokratischen Führer, die den achtstündigen Arbeitstag ans ihre Fahne ge¬ schrieben haben, kaum zu den Lesern dieser Blatter gehören werden. Immerhin aber lohnt es sich, daß man sich auch in andern Kreisen darüber klar werde, was daraus werden würde, wenn wirklich einmal der Versuch gemacht werden sollte, den abgekürzten Arbeitstag einzuführen. Ohne Zweifel denken sich die Arbeiter die Sache so: es soll ihnen künftig sür acht Stunden Arbeit derselbe Lohn gezahlt werden, den sie jetzt, sagen wir tur zwölf Stunden Arbeit erdulden. Daun, meinen sie, könnten sie gerade so fortleben wie bisher, hätten aber, statt der bisherigen vier, fortan acht Feier¬ stunden zu ihrer Erholung. In diesem Glauben liegt aber eine arge Täuschung. Das Maß unsers Wohllebens wird bestimmt durch die Summe der Güter, ^ wir erzengen. Das Geld, das jeder verdient, bestimmt nur deu verhältnis¬ mäßigen Anteil, zu dem jeder Einzelne an der Summe dieser Güter teil¬ nimmt. Deshalb ist das Geld, das wir auszugeben haben, relativ gleichgiltig. senken wir, daß Nur in der Lage wären, im Vergleich zu bisher das Anderthalbfache der Güter zu erzeugen, so würden wir auch sofort anderthalbmal so viel an Gütern zu verzehren haben und daher weit besser leben können, auch wenn wir nicht mehr als bisher an Geld besäßen. Es würden nämlich Güter, die wir zum Leben brauchen, so wohlfeil werden, daß wir für dasselbe Geld anderthalbfach so viel laufen könnten. Grenzbvwi II 18!»» 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/297>, abgerufen am 26.06.2024.