Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Raimund-Reliquien

Teil diese Mitteilungen entnommen sind, die Worte schrieb: "Er wurde etwa
anno 1758 als 8ooretarin8 bei Fürstlicher Bibliothek angestellt, in welcher
Bedienung er auch imvn 179!) im 70. Jahre seines Alters gestorben ist, zwar
verheiratet, aber ohne Kinder nachzulassen, wie dies mit vielen der Bibliothek-
Bedienten der Fall gewesen ist."




Raimund-Reliquien
Mitgeteilt von Moritz Reck er

om Wiener Gemeinderate, als dein Vertreter der gesamten Wiener
Bürgerschaft, ist kürzlich ein Wettbewerb zur Errichtung eines
Denkmals für Ferdinand Raimund ausgeschrieben worden. Es
soll vor der Stirnseite des deutschen Volkstheatcrs seinen Platz
finden, das zwar bisher keines der Naimundischen Stücke auf¬
führt hat, von dem man aber -- die Zukunft vorwegnehmend -- hofft,
es sich zur Pflegestätte der heimatlichen Muse ausbilden werde. In
^n>um Wochen, um 1. Juni, soll auch der hundertste Geburtstag Raimunds
gefeiert werden. Die meisten Wiener Bühnen veranstalten eigne Raimund-
^rstellnngen, deren Reinertrag dem Denkmalsouds zufließen soll.

Der größte Volksdichter Wiens tritt also wieder einmal mit Macht in
öffentliche Bewußtsein seiner Heimat. Ganz ist er daraus trotz dem Wandel
^ ^ Zeiten und des Geschmacks niemals verschwunden. Wenn nach ihm Nestrvh,
/um Offenbach, dann die Operette, dann Anzengrnber zeitweilig die Wiener
. Mksbühne beherrschten, so haben sie Raimund doch nicht verdrängen können,
seine Stücke, mit Ausnahme des "Verschwenders," haben zwar viele
Zeilen, die man für veraltet erklären muß; aber in jedem von ihnen stehen
sind nieder andre, die nichts von ihrer Frische verloren haben, und zwar
es gerade die, die schon bei den ersten Aufführungen den größten Erfolg
und die mit ihrer vollen und doch verklärten Lebenswahrheit, mit ihrem
^fühlten Humor, mit ihrer dramatischen Kraft auch unvergänglich bleiben
^'n. Ans ihnen beruht Raimunds Unsterblichkeit. Man "denke an den
^'""er als Millionär," an den Florian im "Mädchen aus der Feenwelt,"
^den Nappelkopf im "Alpenkönig." Was Fritz Reuter für den deutscheu
^' ^' H^'^ ^ ^" deutschen Südwesten, das ist Ferdinand
'"und für den deutschen Südosten, für deu bairisch-österreichische" Stamm


Raimund-Reliquien

Teil diese Mitteilungen entnommen sind, die Worte schrieb: „Er wurde etwa
anno 1758 als 8ooretarin8 bei Fürstlicher Bibliothek angestellt, in welcher
Bedienung er auch imvn 179!) im 70. Jahre seines Alters gestorben ist, zwar
verheiratet, aber ohne Kinder nachzulassen, wie dies mit vielen der Bibliothek-
Bedienten der Fall gewesen ist."




Raimund-Reliquien
Mitgeteilt von Moritz Reck er

om Wiener Gemeinderate, als dein Vertreter der gesamten Wiener
Bürgerschaft, ist kürzlich ein Wettbewerb zur Errichtung eines
Denkmals für Ferdinand Raimund ausgeschrieben worden. Es
soll vor der Stirnseite des deutschen Volkstheatcrs seinen Platz
finden, das zwar bisher keines der Naimundischen Stücke auf¬
führt hat, von dem man aber — die Zukunft vorwegnehmend — hofft,
es sich zur Pflegestätte der heimatlichen Muse ausbilden werde. In
^n>um Wochen, um 1. Juni, soll auch der hundertste Geburtstag Raimunds
gefeiert werden. Die meisten Wiener Bühnen veranstalten eigne Raimund-
^rstellnngen, deren Reinertrag dem Denkmalsouds zufließen soll.

Der größte Volksdichter Wiens tritt also wieder einmal mit Macht in
öffentliche Bewußtsein seiner Heimat. Ganz ist er daraus trotz dem Wandel
^ ^ Zeiten und des Geschmacks niemals verschwunden. Wenn nach ihm Nestrvh,
/um Offenbach, dann die Operette, dann Anzengrnber zeitweilig die Wiener
. Mksbühne beherrschten, so haben sie Raimund doch nicht verdrängen können,
seine Stücke, mit Ausnahme des „Verschwenders," haben zwar viele
Zeilen, die man für veraltet erklären muß; aber in jedem von ihnen stehen
sind nieder andre, die nichts von ihrer Frische verloren haben, und zwar
es gerade die, die schon bei den ersten Aufführungen den größten Erfolg
und die mit ihrer vollen und doch verklärten Lebenswahrheit, mit ihrem
^fühlten Humor, mit ihrer dramatischen Kraft auch unvergänglich bleiben
^'n. Ans ihnen beruht Raimunds Unsterblichkeit. Man "denke an den
^'""er als Millionär," an den Florian im „Mädchen aus der Feenwelt,"
^den Nappelkopf im „Alpenkönig." Was Fritz Reuter für den deutscheu
^' ^' H^'^ ^ ^" deutschen Südwesten, das ist Ferdinand
'»und für den deutschen Südosten, für deu bairisch-österreichische» Stamm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207570"/>
          <fw type="header" place="top"> Raimund-Reliquien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_752" prev="#ID_751"> Teil diese Mitteilungen entnommen sind, die Worte schrieb: &#x201E;Er wurde etwa<lb/>
anno 1758 als 8ooretarin8 bei Fürstlicher Bibliothek angestellt, in welcher<lb/>
Bedienung er auch imvn 179!) im 70. Jahre seines Alters gestorben ist, zwar<lb/>
verheiratet, aber ohne Kinder nachzulassen, wie dies mit vielen der Bibliothek-<lb/>
Bedienten der Fall gewesen ist."</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Raimund-Reliquien<lb/><note type="byline"> Mitgeteilt von Moritz Reck er</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_753"> om Wiener Gemeinderate, als dein Vertreter der gesamten Wiener<lb/>
Bürgerschaft, ist kürzlich ein Wettbewerb zur Errichtung eines<lb/>
Denkmals für Ferdinand Raimund ausgeschrieben worden. Es<lb/>
soll vor der Stirnseite des deutschen Volkstheatcrs seinen Platz<lb/>
finden, das zwar bisher keines der Naimundischen Stücke auf¬<lb/>
führt hat, von dem man aber &#x2014; die Zukunft vorwegnehmend &#x2014; hofft,<lb/>
es sich zur Pflegestätte der heimatlichen Muse ausbilden werde. In<lb/>
^n&gt;um Wochen, um 1. Juni, soll auch der hundertste Geburtstag Raimunds<lb/>
gefeiert werden. Die meisten Wiener Bühnen veranstalten eigne Raimund-<lb/>
^rstellnngen, deren Reinertrag dem Denkmalsouds zufließen soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_754" next="#ID_755"> Der größte Volksdichter Wiens tritt also wieder einmal mit Macht in<lb/>
öffentliche Bewußtsein seiner Heimat. Ganz ist er daraus trotz dem Wandel<lb/>
^ ^ Zeiten und des Geschmacks niemals verschwunden. Wenn nach ihm Nestrvh,<lb/>
/um Offenbach, dann die Operette, dann Anzengrnber zeitweilig die Wiener<lb/>
. Mksbühne beherrschten, so haben sie Raimund doch nicht verdrängen können,<lb/>
seine Stücke, mit Ausnahme des &#x201E;Verschwenders," haben zwar viele<lb/>
Zeilen, die man für veraltet erklären muß; aber in jedem von ihnen stehen<lb/>
sind    nieder andre, die nichts von ihrer Frische verloren haben, und zwar<lb/>
es gerade die, die schon bei den ersten Aufführungen den größten Erfolg<lb/>
und die mit ihrer vollen und doch verklärten Lebenswahrheit, mit ihrem<lb/>
^fühlten Humor, mit ihrer dramatischen Kraft auch unvergänglich bleiben<lb/>
^'n.  Ans ihnen beruht Raimunds Unsterblichkeit.  Man "denke an den<lb/>
^'""er als Millionär," an den Florian im &#x201E;Mädchen aus der Feenwelt,"<lb/>
^den Nappelkopf im &#x201E;Alpenkönig."  Was Fritz Reuter für den deutscheu<lb/>
^' ^' H^'^ ^ ^" deutschen Südwesten, das ist Ferdinand<lb/>
'»und für den deutschen Südosten, für deu bairisch-österreichische» Stamm</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0275] Raimund-Reliquien Teil diese Mitteilungen entnommen sind, die Worte schrieb: „Er wurde etwa anno 1758 als 8ooretarin8 bei Fürstlicher Bibliothek angestellt, in welcher Bedienung er auch imvn 179!) im 70. Jahre seines Alters gestorben ist, zwar verheiratet, aber ohne Kinder nachzulassen, wie dies mit vielen der Bibliothek- Bedienten der Fall gewesen ist." Raimund-Reliquien Mitgeteilt von Moritz Reck er om Wiener Gemeinderate, als dein Vertreter der gesamten Wiener Bürgerschaft, ist kürzlich ein Wettbewerb zur Errichtung eines Denkmals für Ferdinand Raimund ausgeschrieben worden. Es soll vor der Stirnseite des deutschen Volkstheatcrs seinen Platz finden, das zwar bisher keines der Naimundischen Stücke auf¬ führt hat, von dem man aber — die Zukunft vorwegnehmend — hofft, es sich zur Pflegestätte der heimatlichen Muse ausbilden werde. In ^n>um Wochen, um 1. Juni, soll auch der hundertste Geburtstag Raimunds gefeiert werden. Die meisten Wiener Bühnen veranstalten eigne Raimund- ^rstellnngen, deren Reinertrag dem Denkmalsouds zufließen soll. Der größte Volksdichter Wiens tritt also wieder einmal mit Macht in öffentliche Bewußtsein seiner Heimat. Ganz ist er daraus trotz dem Wandel ^ ^ Zeiten und des Geschmacks niemals verschwunden. Wenn nach ihm Nestrvh, /um Offenbach, dann die Operette, dann Anzengrnber zeitweilig die Wiener . Mksbühne beherrschten, so haben sie Raimund doch nicht verdrängen können, seine Stücke, mit Ausnahme des „Verschwenders," haben zwar viele Zeilen, die man für veraltet erklären muß; aber in jedem von ihnen stehen sind nieder andre, die nichts von ihrer Frische verloren haben, und zwar es gerade die, die schon bei den ersten Aufführungen den größten Erfolg und die mit ihrer vollen und doch verklärten Lebenswahrheit, mit ihrem ^fühlten Humor, mit ihrer dramatischen Kraft auch unvergänglich bleiben ^'n. Ans ihnen beruht Raimunds Unsterblichkeit. Man "denke an den ^'""er als Millionär," an den Florian im „Mädchen aus der Feenwelt," ^den Nappelkopf im „Alpenkönig." Was Fritz Reuter für den deutscheu ^' ^' H^'^ ^ ^" deutschen Südwesten, das ist Ferdinand '»und für den deutschen Südosten, für deu bairisch-österreichische» Stamm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/275
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/275>, abgerufen am 26.12.2024.