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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

UM seinen Bruder Anton handelt; damit erklärt sich auch der Schluß sehr
befriedigend: Anton war viel im Ausland und starb bereits 1601. Endlich
ist neuerdings noch eine Stelle ans einem Briefe des Grafen Essex an Bacon
angeführt worden: "Ich stehe allen dichterischen Versuchen fern, sonst würde
ich Ihnen etwas über Ihr xüstieul kx^apto sagen." Auch dies wird aus
Dichtungen Baeons gedeutet. Aber da uns der Brief des Staatsmannes,
worauf Essex antwortet, noch erhalten ist, so ersehen wir daraus, daß diese
Worte auf eine Dichterstelle deuten, die ans das Verhältnis zwischen Elisabeth
und Essex aufpickten, nicht aber auf Baeons Dichtungen-

Aus dieser kurzen Darstellung wird sich hoffentlich herausgestellt haben,
daß, so wenig wir Gründe gefunden haben, Shakespeare seine Schauspiele ab¬
zusprechen, ebenso wenig sich Gründe ergeben, um sie Bneon zuzusprechen;
wir können die ganze Vaconfrage mir für eine Frage erklären, die jeder festen
Grundlage entbehrt.

Wer sich aber uicht von der UnHaltbarkeit der ganzen Frage überzeugt
hat, dem wollen wir noch folgenden Vorschlag machen. Bacon legt in seinein
Testament seinen Testamentsvollstreckern sehr ans Herz, daß alle seine Schriften,
sowohl die in englischer als die in lateinischer Sprache, in sechs Vüchersammlungen
schon gebunden aufgestellt werden sollten. Diese Sammlungen sind: 'lixz Xing-'s
ludrur^, die Sammlung der Hochschule zu Cambridge, ebenda die des Triuty
College, die des Beneke College, die der Hochschule zu Oxford, die des Erz-
bischofs von Canterbury und die zu Eton. Bei seinem Tode hatte doch Bacon
sicherlich keinen Grund mehr, die Schauspiele uicht als seine Geisteskinder an¬
zuerkennen und seine Testamentsvollstrecker nicht darüber aufzuklären. Es wäre
daher zu untersuchen, ob sich in den genannten Büchersammlungen neben den
Werken von Bacon auch die Folio oder alle Quartos aus der Schenkung des
Staatsmannes finden. Ist dies nicht der Fall, dann läßt sich auch nicht das
Geringste mehr für Baeons Verfasserschaft der Werke Shakespeares vorbringen,
und es ist zu hoffen, daß die ganze Baconfrage bald wieder in das Nichts,
aus dein sie entstanden ist, zurücksinken wird.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die "offiziöse Presse"

hat bei der Opposition im preußischen Abgeordneten-
Hause wieder einmal Beschwerden hervorgerufen, die in ernstem Tone zu besprechen
einige Überwindung kostet. Der Grundgedanke war der jenes Rekruten, der
das Hinschießeu ganz unterhaltend, das Zurückschießen dagegen unpassend fand-
Damit sind natürlich auch die den Rednern nahestehenden Blätter einverstanden,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

UM seinen Bruder Anton handelt; damit erklärt sich auch der Schluß sehr
befriedigend: Anton war viel im Ausland und starb bereits 1601. Endlich
ist neuerdings noch eine Stelle ans einem Briefe des Grafen Essex an Bacon
angeführt worden: „Ich stehe allen dichterischen Versuchen fern, sonst würde
ich Ihnen etwas über Ihr xüstieul kx^apto sagen." Auch dies wird aus
Dichtungen Baeons gedeutet. Aber da uns der Brief des Staatsmannes,
worauf Essex antwortet, noch erhalten ist, so ersehen wir daraus, daß diese
Worte auf eine Dichterstelle deuten, die ans das Verhältnis zwischen Elisabeth
und Essex aufpickten, nicht aber auf Baeons Dichtungen-

Aus dieser kurzen Darstellung wird sich hoffentlich herausgestellt haben,
daß, so wenig wir Gründe gefunden haben, Shakespeare seine Schauspiele ab¬
zusprechen, ebenso wenig sich Gründe ergeben, um sie Bneon zuzusprechen;
wir können die ganze Vaconfrage mir für eine Frage erklären, die jeder festen
Grundlage entbehrt.

Wer sich aber uicht von der UnHaltbarkeit der ganzen Frage überzeugt
hat, dem wollen wir noch folgenden Vorschlag machen. Bacon legt in seinein
Testament seinen Testamentsvollstreckern sehr ans Herz, daß alle seine Schriften,
sowohl die in englischer als die in lateinischer Sprache, in sechs Vüchersammlungen
schon gebunden aufgestellt werden sollten. Diese Sammlungen sind: 'lixz Xing-'s
ludrur^, die Sammlung der Hochschule zu Cambridge, ebenda die des Triuty
College, die des Beneke College, die der Hochschule zu Oxford, die des Erz-
bischofs von Canterbury und die zu Eton. Bei seinem Tode hatte doch Bacon
sicherlich keinen Grund mehr, die Schauspiele uicht als seine Geisteskinder an¬
zuerkennen und seine Testamentsvollstrecker nicht darüber aufzuklären. Es wäre
daher zu untersuchen, ob sich in den genannten Büchersammlungen neben den
Werken von Bacon auch die Folio oder alle Quartos aus der Schenkung des
Staatsmannes finden. Ist dies nicht der Fall, dann läßt sich auch nicht das
Geringste mehr für Baeons Verfasserschaft der Werke Shakespeares vorbringen,
und es ist zu hoffen, daß die ganze Baconfrage bald wieder in das Nichts,
aus dein sie entstanden ist, zurücksinken wird.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die „offiziöse Presse"

hat bei der Opposition im preußischen Abgeordneten-
Hause wieder einmal Beschwerden hervorgerufen, die in ernstem Tone zu besprechen
einige Überwindung kostet. Der Grundgedanke war der jenes Rekruten, der
das Hinschießeu ganz unterhaltend, das Zurückschießen dagegen unpassend fand-
Damit sind natürlich auch die den Rednern nahestehenden Blätter einverstanden,


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[0246] Maßgebliches und Unmaßgebliches UM seinen Bruder Anton handelt; damit erklärt sich auch der Schluß sehr befriedigend: Anton war viel im Ausland und starb bereits 1601. Endlich ist neuerdings noch eine Stelle ans einem Briefe des Grafen Essex an Bacon angeführt worden: „Ich stehe allen dichterischen Versuchen fern, sonst würde ich Ihnen etwas über Ihr xüstieul kx^apto sagen." Auch dies wird aus Dichtungen Baeons gedeutet. Aber da uns der Brief des Staatsmannes, worauf Essex antwortet, noch erhalten ist, so ersehen wir daraus, daß diese Worte auf eine Dichterstelle deuten, die ans das Verhältnis zwischen Elisabeth und Essex aufpickten, nicht aber auf Baeons Dichtungen- Aus dieser kurzen Darstellung wird sich hoffentlich herausgestellt haben, daß, so wenig wir Gründe gefunden haben, Shakespeare seine Schauspiele ab¬ zusprechen, ebenso wenig sich Gründe ergeben, um sie Bneon zuzusprechen; wir können die ganze Vaconfrage mir für eine Frage erklären, die jeder festen Grundlage entbehrt. Wer sich aber uicht von der UnHaltbarkeit der ganzen Frage überzeugt hat, dem wollen wir noch folgenden Vorschlag machen. Bacon legt in seinein Testament seinen Testamentsvollstreckern sehr ans Herz, daß alle seine Schriften, sowohl die in englischer als die in lateinischer Sprache, in sechs Vüchersammlungen schon gebunden aufgestellt werden sollten. Diese Sammlungen sind: 'lixz Xing-'s ludrur^, die Sammlung der Hochschule zu Cambridge, ebenda die des Triuty College, die des Beneke College, die der Hochschule zu Oxford, die des Erz- bischofs von Canterbury und die zu Eton. Bei seinem Tode hatte doch Bacon sicherlich keinen Grund mehr, die Schauspiele uicht als seine Geisteskinder an¬ zuerkennen und seine Testamentsvollstrecker nicht darüber aufzuklären. Es wäre daher zu untersuchen, ob sich in den genannten Büchersammlungen neben den Werken von Bacon auch die Folio oder alle Quartos aus der Schenkung des Staatsmannes finden. Ist dies nicht der Fall, dann läßt sich auch nicht das Geringste mehr für Baeons Verfasserschaft der Werke Shakespeares vorbringen, und es ist zu hoffen, daß die ganze Baconfrage bald wieder in das Nichts, aus dein sie entstanden ist, zurücksinken wird. Maßgebliches und Unmaßgebliches Die „offiziöse Presse" hat bei der Opposition im preußischen Abgeordneten- Hause wieder einmal Beschwerden hervorgerufen, die in ernstem Tone zu besprechen einige Überwindung kostet. Der Grundgedanke war der jenes Rekruten, der das Hinschießeu ganz unterhaltend, das Zurückschießen dagegen unpassend fand- Damit sind natürlich auch die den Rednern nahestehenden Blätter einverstanden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/246>, abgerufen am 26.06.2024.