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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Arbeitsämter

u den schon seit längerer Zeit angeregten Reformen, die nur
leider wie so manche andre vorgeschlagene heilsame Neuerungen
in den maßgebenden Kreisen keinen rechten Anklang gefunden
haben, gehört die Errichtung von Arbeitsämtern. Obwohl das
deutsche Reich unter den Staaten, die auf die Erleichterung des
Loses der arbeitenden Klassen ernsthaft bedacht sind, obenan steht, hat es sich
doch in dieser Beziehung überflügeln lassen. Die Vereinigten Staaten von
Nordamerika und die Schweiz haben bereits seit Jahren derartige Einrichtungen,
und neuerdings hat England wenigstens einen vorläufigen Ersatz dafür ge¬
schaffen, dem wohl in Kürze eine vollkommenere Anstalt folgen wird.")

Arbeitsämter sind Anstalten zur Pflege der Statistik der Arbeiterverhältnisse.
Sie wollen Masseubeobachtnugen über die gesamte Lage des Arbeiterstandes
uach verschiednen Richtungen, in sozialer, sittlicher, materieller und geistiger
Beziehung anstellen, mit dem ausgesprochenen Zweck, ein Material zusmumen-
zubriugen, das eine richtige Beurteilung der Zustände in der Arbeiterbevölke¬
rung gestattet. Daß Mißstände im heutigen Erwerbsleben vorhanden siud,
Wird von niemand in Abrede gestellt. Aber wie weit sie sich erstrecken, Nüssen
^lbst die Theoretiker und Praktiker, die sich berufsmäßig mit sozialpolitischen
Fragen beschäftigen, oft nur unvollkommen. Der Einzelne beherrscht mit seinen
Beobachtungen eben immer nur el" beschränktes Feld. Er kennt die Verhältnisse
einer bestimmten Stadt, in einem Bezirk, in einer Provinz oder in dieser
oder jener Industrie. Aber es fehlt ihm der Einblick in die Gestaltung der



*) G. Schönb.erg, Arbeitsämter. Berlin, 1871. -- Derselbe, Artikel "Arbeitsbürecms"
Handwörterbuch der Stnatswissenschciften (1889) 1, "04- "07. - I. Joachim, Institute
sur Arbeitsstatistik in den Bereinigten Staate" von Amenkn, in Euqland und der Schweiz,
^'pzig,, 1890.
Grenzboten l> 1^'" >3


Arbeitsämter

u den schon seit längerer Zeit angeregten Reformen, die nur
leider wie so manche andre vorgeschlagene heilsame Neuerungen
in den maßgebenden Kreisen keinen rechten Anklang gefunden
haben, gehört die Errichtung von Arbeitsämtern. Obwohl das
deutsche Reich unter den Staaten, die auf die Erleichterung des
Loses der arbeitenden Klassen ernsthaft bedacht sind, obenan steht, hat es sich
doch in dieser Beziehung überflügeln lassen. Die Vereinigten Staaten von
Nordamerika und die Schweiz haben bereits seit Jahren derartige Einrichtungen,
und neuerdings hat England wenigstens einen vorläufigen Ersatz dafür ge¬
schaffen, dem wohl in Kürze eine vollkommenere Anstalt folgen wird.")

Arbeitsämter sind Anstalten zur Pflege der Statistik der Arbeiterverhältnisse.
Sie wollen Masseubeobachtnugen über die gesamte Lage des Arbeiterstandes
uach verschiednen Richtungen, in sozialer, sittlicher, materieller und geistiger
Beziehung anstellen, mit dem ausgesprochenen Zweck, ein Material zusmumen-
zubriugen, das eine richtige Beurteilung der Zustände in der Arbeiterbevölke¬
rung gestattet. Daß Mißstände im heutigen Erwerbsleben vorhanden siud,
Wird von niemand in Abrede gestellt. Aber wie weit sie sich erstrecken, Nüssen
^lbst die Theoretiker und Praktiker, die sich berufsmäßig mit sozialpolitischen
Fragen beschäftigen, oft nur unvollkommen. Der Einzelne beherrscht mit seinen
Beobachtungen eben immer nur el» beschränktes Feld. Er kennt die Verhältnisse
einer bestimmten Stadt, in einem Bezirk, in einer Provinz oder in dieser
oder jener Industrie. Aber es fehlt ihm der Einblick in die Gestaltung der



*) G. Schönb.erg, Arbeitsämter. Berlin, 1871. — Derselbe, Artikel „Arbeitsbürecms"
Handwörterbuch der Stnatswissenschciften (1889) 1, «04- «07. - I. Joachim, Institute
sur Arbeitsstatistik in den Bereinigten Staate» von Amenkn, in Euqland und der Schweiz,
^'pzig,, 1890.
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[0105] [Abbildung] Arbeitsämter u den schon seit längerer Zeit angeregten Reformen, die nur leider wie so manche andre vorgeschlagene heilsame Neuerungen in den maßgebenden Kreisen keinen rechten Anklang gefunden haben, gehört die Errichtung von Arbeitsämtern. Obwohl das deutsche Reich unter den Staaten, die auf die Erleichterung des Loses der arbeitenden Klassen ernsthaft bedacht sind, obenan steht, hat es sich doch in dieser Beziehung überflügeln lassen. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika und die Schweiz haben bereits seit Jahren derartige Einrichtungen, und neuerdings hat England wenigstens einen vorläufigen Ersatz dafür ge¬ schaffen, dem wohl in Kürze eine vollkommenere Anstalt folgen wird.") Arbeitsämter sind Anstalten zur Pflege der Statistik der Arbeiterverhältnisse. Sie wollen Masseubeobachtnugen über die gesamte Lage des Arbeiterstandes uach verschiednen Richtungen, in sozialer, sittlicher, materieller und geistiger Beziehung anstellen, mit dem ausgesprochenen Zweck, ein Material zusmumen- zubriugen, das eine richtige Beurteilung der Zustände in der Arbeiterbevölke¬ rung gestattet. Daß Mißstände im heutigen Erwerbsleben vorhanden siud, Wird von niemand in Abrede gestellt. Aber wie weit sie sich erstrecken, Nüssen ^lbst die Theoretiker und Praktiker, die sich berufsmäßig mit sozialpolitischen Fragen beschäftigen, oft nur unvollkommen. Der Einzelne beherrscht mit seinen Beobachtungen eben immer nur el» beschränktes Feld. Er kennt die Verhältnisse einer bestimmten Stadt, in einem Bezirk, in einer Provinz oder in dieser oder jener Industrie. Aber es fehlt ihm der Einblick in die Gestaltung der *) G. Schönb.erg, Arbeitsämter. Berlin, 1871. — Derselbe, Artikel „Arbeitsbürecms" Handwörterbuch der Stnatswissenschciften (1889) 1, «04- «07. - I. Joachim, Institute sur Arbeitsstatistik in den Bereinigten Staate» von Amenkn, in Euqland und der Schweiz, ^'pzig,, 1890. Grenzboten l> 1^'» >3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/105>, abgerufen am 26.12.2024.