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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Brei Briefe Bismarcrs an Kaiser Mitbeten >.

Die Offiziere des 5-4, Regiments hatten die kameradschaftliche Freund¬
lichkeit gehabt, ihre Musik von Kolberg herzuschicken. Sonst waren wir, wie
die ländlichen Verhältnisse es, mit sich bringen, auf den engern Familienkreis
beschränkt; nur der frühere amerikanische Gesandte in London, Motleh, ein
Jugendfreund von nur, war zufällig zum Besuch hier. Außer Ihrer Majestät
der Kaiserin hatte S. M. der König von Baiern und Ihre K. H. Prinz Karl
und Friedrich Karl und S, Kaiserliche Hoheit der Kronprinz mich mit tele¬
graphischen Glückwünschen beehrt.

Mit meiner Gesundheit geht es lmigsam bester; gearbeitet habe ich aller¬
dings gar nicht; doch hoffe ich für die Zeit der Kaiserbesnche mich zum Dienst
bei Eurer Majestät melden zu können.


v. Bismarck
2

Varzin, 13. November 1.372


Allergnädigster König und Herr

ich bin sehr niedergeschlagen darüber, daß ich auf Eurer Majestät huldreiches
Schreiben vom 9. e. nicht sofort nach Berlin kommen und mich Eurer Majestät
in der schwebenden Krisis zur Verfügung stellen konnte, um so mehr, als ich
gegen Ende des vorigen Monats glaubte, daß ich bald fo weit hergestellt sein
würde. Ich befand mich seit meiner Rückkehr von Berlin in fortschreitender
Zunahme der Kräfte und ließ mich dadurch und ^durch j das Interesse zur Sache, im
Widerspruche mit den dringenden Mahnungen des Arztes, verleiten, auf Graf
Eulenburgs wiederholte Aufforderungen einzugehen, indem ich durch Eingaben
an Eure Majestät, durch Korrespondenzen mit den Ministern und mit Gliedern
des Herrenhauses auf den Gang der Dinge zu wirken suchte. Es ist das auf
diesem Wege und aus der Ferne gewiß sehr gewagt, da mir die aufklärende
Diskussion und die Kenntnis der Gegengründe fehlt, und ebenso die aus¬
reichende Arbeitshilfe. Ich hoffte aber, daß es nur wenige Tage dauern werde,
bis die Geschäfte wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangten. Dieser Versuch
hat mich aber leider zu rasch überführt, wie mein Arzt Recht hat, und wie
gering der Vorrat meiner neu gesammelten Kräfte war. Ich bin sehr entmutigt
darüber, denn meine Einwirkung auf die Geschäfte wird eher eine störende
gewesen sein, und die wenigen Tage der Arbeit und der Gemütsbewegung,
welche nervenkranke Reizbarkeit damit verbindet, haben hingereicht, mir die
Ermattung meiner geistigen Arbeitskraft wieder klar zu macheu. Ich fürchte,
daß ich verbrauchter bin, als ich mir selbst eingestehen mag, und diese Sorge,
sowie das Gefühl der Beschämung darüber, daß ich in so wichtigen Momenten
nicht auf meinem Posten und zu Eurer Majestät Dienst bin, drücken mich
nieder, wenn ich mir auch sage, daß ich mich in Demut dem Willen Gottes
zu ergeben habe, der meiner Mitwirkung nicht bedarf und meinen Kräften ihre
Schranken zieht. Meine Unruhe findet ihr Gegengewicht in dem Vertrauen,


Brei Briefe Bismarcrs an Kaiser Mitbeten >.

Die Offiziere des 5-4, Regiments hatten die kameradschaftliche Freund¬
lichkeit gehabt, ihre Musik von Kolberg herzuschicken. Sonst waren wir, wie
die ländlichen Verhältnisse es, mit sich bringen, auf den engern Familienkreis
beschränkt; nur der frühere amerikanische Gesandte in London, Motleh, ein
Jugendfreund von nur, war zufällig zum Besuch hier. Außer Ihrer Majestät
der Kaiserin hatte S. M. der König von Baiern und Ihre K. H. Prinz Karl
und Friedrich Karl und S, Kaiserliche Hoheit der Kronprinz mich mit tele¬
graphischen Glückwünschen beehrt.

Mit meiner Gesundheit geht es lmigsam bester; gearbeitet habe ich aller¬
dings gar nicht; doch hoffe ich für die Zeit der Kaiserbesnche mich zum Dienst
bei Eurer Majestät melden zu können.


v. Bismarck
2

Varzin, 13. November 1.372


Allergnädigster König und Herr

ich bin sehr niedergeschlagen darüber, daß ich auf Eurer Majestät huldreiches
Schreiben vom 9. e. nicht sofort nach Berlin kommen und mich Eurer Majestät
in der schwebenden Krisis zur Verfügung stellen konnte, um so mehr, als ich
gegen Ende des vorigen Monats glaubte, daß ich bald fo weit hergestellt sein
würde. Ich befand mich seit meiner Rückkehr von Berlin in fortschreitender
Zunahme der Kräfte und ließ mich dadurch und ^durch j das Interesse zur Sache, im
Widerspruche mit den dringenden Mahnungen des Arztes, verleiten, auf Graf
Eulenburgs wiederholte Aufforderungen einzugehen, indem ich durch Eingaben
an Eure Majestät, durch Korrespondenzen mit den Ministern und mit Gliedern
des Herrenhauses auf den Gang der Dinge zu wirken suchte. Es ist das auf
diesem Wege und aus der Ferne gewiß sehr gewagt, da mir die aufklärende
Diskussion und die Kenntnis der Gegengründe fehlt, und ebenso die aus¬
reichende Arbeitshilfe. Ich hoffte aber, daß es nur wenige Tage dauern werde,
bis die Geschäfte wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangten. Dieser Versuch
hat mich aber leider zu rasch überführt, wie mein Arzt Recht hat, und wie
gering der Vorrat meiner neu gesammelten Kräfte war. Ich bin sehr entmutigt
darüber, denn meine Einwirkung auf die Geschäfte wird eher eine störende
gewesen sein, und die wenigen Tage der Arbeit und der Gemütsbewegung,
welche nervenkranke Reizbarkeit damit verbindet, haben hingereicht, mir die
Ermattung meiner geistigen Arbeitskraft wieder klar zu macheu. Ich fürchte,
daß ich verbrauchter bin, als ich mir selbst eingestehen mag, und diese Sorge,
sowie das Gefühl der Beschämung darüber, daß ich in so wichtigen Momenten
nicht auf meinem Posten und zu Eurer Majestät Dienst bin, drücken mich
nieder, wenn ich mir auch sage, daß ich mich in Demut dem Willen Gottes
zu ergeben habe, der meiner Mitwirkung nicht bedarf und meinen Kräften ihre
Schranken zieht. Meine Unruhe findet ihr Gegengewicht in dem Vertrauen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/10>, abgerufen am 26.06.2024.