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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Das Ncitionalgofühl

nnfsallender Weise. So liegt die Gefahr nahe, daß die Armee Frankreichs,
Une ein angesehenes französisches Blatt, der Lpovwwnr uMtg-iro, selbst sagt,
um Kriege eine verzweifelte Ähnlichkeit mit einem "Skelett ohne Rückgrat"
haben wird.

In Deutschland liegen die Verhältnisse wesentlich günstiger. Ein aus¬
reichender Ersatz für die Offiziere und Unteroffiziere aller Klassen hat, nach
Überwindung des vorübergehenden Mangels kurz nach dem letzten Kriege in
den Gründerjahren, nicht mehr gefehlt und wird hoffentlich in Zukunft nicht
fehlen, wenn immer wieder mit allen erdenklichen Mitteln die Wichtigkeit der
genügenden Ergänzung dieser Stände der ganzen Nation gepredigt wird. Wir
vermögen einer künftigen Mobilmachung ohne allzu große Sorgen entgegen
zu sehen, weil wir die Mittel haben, die Kvmmandostcllen aller Grade zu
besetzen. Fehlten uns diese, so würde unser Heer sicher ebenfalls sehr bald
einem schwankenden Knochengerüst ähnlicher werden, als dem herrlichen Gebäude,
das es jetzt darstellt.

Der Leser hat gesehen, daß auch die allgemeine Wehrpflicht ihre Schatten¬
seiten hat, und man ist daher wohl berechtigt, darüber nachzudenken, ob die
strenge Durchführung ihrer Grundsätze in den modernen Großstaaten nicht
schließlich so viel Soldaten liefert, daß ein toter Überschuß an Kraft vorhanden
sein muß, ob daher die wirtschaftliche Kraft nicht nutzlos geschädigt wird. Leider
werden aber selbst die scharfsinnigsten Überlegungen keine Klärung in dieser
Hinsicht bringen; sie muß wie so vieles andre dem nächsten großen Kriege
überlassen bleiben. Deshalb sind wir gezwungen, vorläufig die Losung zu
vertreten: Alle Mann auf Deck!


Hans Zdel


Das Nationalgefühl
(Schluß)

reußeus König und Volk unterlag, und mit der Katastrophe von
Jena und Auerstädt brach das politische, ökonomische und bürger¬
liche Elend herein, das im Tilsiter Frieden von nicht
abgeschlossen, sondern recht eigentlich durch ihn erst begründet
wurde. Nun trug das preußische Volk ueben der allgemeinen
Schande des deutscheu Namens am schwersten von allen die alles zerstörende
Knechtschaft in dein verstümmelten und ausgepreßten Vaterlande.


Das Ncitionalgofühl

nnfsallender Weise. So liegt die Gefahr nahe, daß die Armee Frankreichs,
Une ein angesehenes französisches Blatt, der Lpovwwnr uMtg-iro, selbst sagt,
um Kriege eine verzweifelte Ähnlichkeit mit einem „Skelett ohne Rückgrat"
haben wird.

In Deutschland liegen die Verhältnisse wesentlich günstiger. Ein aus¬
reichender Ersatz für die Offiziere und Unteroffiziere aller Klassen hat, nach
Überwindung des vorübergehenden Mangels kurz nach dem letzten Kriege in
den Gründerjahren, nicht mehr gefehlt und wird hoffentlich in Zukunft nicht
fehlen, wenn immer wieder mit allen erdenklichen Mitteln die Wichtigkeit der
genügenden Ergänzung dieser Stände der ganzen Nation gepredigt wird. Wir
vermögen einer künftigen Mobilmachung ohne allzu große Sorgen entgegen
zu sehen, weil wir die Mittel haben, die Kvmmandostcllen aller Grade zu
besetzen. Fehlten uns diese, so würde unser Heer sicher ebenfalls sehr bald
einem schwankenden Knochengerüst ähnlicher werden, als dem herrlichen Gebäude,
das es jetzt darstellt.

Der Leser hat gesehen, daß auch die allgemeine Wehrpflicht ihre Schatten¬
seiten hat, und man ist daher wohl berechtigt, darüber nachzudenken, ob die
strenge Durchführung ihrer Grundsätze in den modernen Großstaaten nicht
schließlich so viel Soldaten liefert, daß ein toter Überschuß an Kraft vorhanden
sein muß, ob daher die wirtschaftliche Kraft nicht nutzlos geschädigt wird. Leider
werden aber selbst die scharfsinnigsten Überlegungen keine Klärung in dieser
Hinsicht bringen; sie muß wie so vieles andre dem nächsten großen Kriege
überlassen bleiben. Deshalb sind wir gezwungen, vorläufig die Losung zu
vertreten: Alle Mann auf Deck!


Hans Zdel


Das Nationalgefühl
(Schluß)

reußeus König und Volk unterlag, und mit der Katastrophe von
Jena und Auerstädt brach das politische, ökonomische und bürger¬
liche Elend herein, das im Tilsiter Frieden von nicht
abgeschlossen, sondern recht eigentlich durch ihn erst begründet
wurde. Nun trug das preußische Volk ueben der allgemeinen
Schande des deutscheu Namens am schwersten von allen die alles zerstörende
Knechtschaft in dein verstümmelten und ausgepreßten Vaterlande.


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[0077] Das Ncitionalgofühl nnfsallender Weise. So liegt die Gefahr nahe, daß die Armee Frankreichs, Une ein angesehenes französisches Blatt, der Lpovwwnr uMtg-iro, selbst sagt, um Kriege eine verzweifelte Ähnlichkeit mit einem „Skelett ohne Rückgrat" haben wird. In Deutschland liegen die Verhältnisse wesentlich günstiger. Ein aus¬ reichender Ersatz für die Offiziere und Unteroffiziere aller Klassen hat, nach Überwindung des vorübergehenden Mangels kurz nach dem letzten Kriege in den Gründerjahren, nicht mehr gefehlt und wird hoffentlich in Zukunft nicht fehlen, wenn immer wieder mit allen erdenklichen Mitteln die Wichtigkeit der genügenden Ergänzung dieser Stände der ganzen Nation gepredigt wird. Wir vermögen einer künftigen Mobilmachung ohne allzu große Sorgen entgegen zu sehen, weil wir die Mittel haben, die Kvmmandostcllen aller Grade zu besetzen. Fehlten uns diese, so würde unser Heer sicher ebenfalls sehr bald einem schwankenden Knochengerüst ähnlicher werden, als dem herrlichen Gebäude, das es jetzt darstellt. Der Leser hat gesehen, daß auch die allgemeine Wehrpflicht ihre Schatten¬ seiten hat, und man ist daher wohl berechtigt, darüber nachzudenken, ob die strenge Durchführung ihrer Grundsätze in den modernen Großstaaten nicht schließlich so viel Soldaten liefert, daß ein toter Überschuß an Kraft vorhanden sein muß, ob daher die wirtschaftliche Kraft nicht nutzlos geschädigt wird. Leider werden aber selbst die scharfsinnigsten Überlegungen keine Klärung in dieser Hinsicht bringen; sie muß wie so vieles andre dem nächsten großen Kriege überlassen bleiben. Deshalb sind wir gezwungen, vorläufig die Losung zu vertreten: Alle Mann auf Deck! Hans Zdel Das Nationalgefühl (Schluß) reußeus König und Volk unterlag, und mit der Katastrophe von Jena und Auerstädt brach das politische, ökonomische und bürger¬ liche Elend herein, das im Tilsiter Frieden von nicht abgeschlossen, sondern recht eigentlich durch ihn erst begründet wurde. Nun trug das preußische Volk ueben der allgemeinen Schande des deutscheu Namens am schwersten von allen die alles zerstörende Knechtschaft in dein verstümmelten und ausgepreßten Vaterlande.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/77>, abgerufen am 22.07.2024.