Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

nach Möglichkeit verwirklicht hat, und zwar ohne Zuthun der schönen deutsch¬
freisinnigen Warte, und als er sich, soweit es noch geschehen kann, am besten
so verwirklichen wird, daß dem deutschen Reiche wiederum eine Vertretung ge¬
geben wird, wie der vorige Reichstag war, der nach dein Zeugnis der kaiser¬
lichen Thronrede dazu beigetragen hat, "dein deutschen Reiche die Welt¬
stellung zu gewährleistet!, vermöge deren es befähigt wird, mit dem ihm im
Rate der Völker gebührenden Gewichte für die Güter des Friedens und der
Gesittung einzutreten." Es ist doch Wohl für uns alle besser, wenn wir den
Worten des Kaisers mehr glauben, als den Worten der Herren Bamberger
und Kompagnie. Daß unter der Ägide dieser tapfern Kämpen die Zeit für
den Liberalismus nun bald gekommen sein sollte, wie neulich die Vossische Zei¬
tung hoffte, ist kaum anzunehmen. Es müßte doch wunderlich ums deutsche
Volk bestellt sein, wollte man mit der "Vossischen" der Meinung sein, daß
jetzt, wo der Freisinn sich gerade so unbelehrbar gezeigt hat und zeigt wie
immer, es eintreffen sollte, was sie hofft, "daß dem Freisinn die Wähler
zuströmen und die Mandate zufallen werden fast ohne Arbeit, und wo das
Kartell oder jede andre Koalition vor der Volkssprache zerstieben wird wie
Spreu vor dem Winde." Gute Tante, orakle nur weiter! Inzwischen besorgt
dein Freisinn auch fortan die Geschäfte der Herren Bebel und Windthorst,
dem einen als "politische Schweizergarde" dienend, dem andern als "Lehens¬
träger der Sozialdemokratie," wie Puttkamer in seiner Stolper Rede den
Freisinn richtig nennt. Und das ist auch der Grund, warum im Notfall die
Mittelparteien lieber mit Herrn von Puttkamer gehen werden, als mit Herrn
Eugen Richter. Gegeben ist dieser Notfall, sobald es sich in der Stichwahl
um den einen oder um den andern handelt.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Das Richtersche ABC-

, Buch für freisinnige Wähler ist unter den Lnrmpauken,
^ut denen die deutschfreisinnige Partei in dem diesmaligen Wahlkampf Radau gemacht
V.' eine der massivsten. Der fünfte, vollständig umgearbeitete Jahrgang ist mit
Zungen besonders zugkräftigen Artikeln versehen; vor allein dürften -- wie Richter
leU'se sagt -- Beachtung verdienen die Abschnitte Adel; Bismarck, Fürst; Bismcirck,
Herbert; Graf Waldersee; Wilhelm II. u. f. w. Schlagen wir nach, so erfahren wir


Grenzboten I 1890 49
Maßgebliches und Unmaßgebliches

nach Möglichkeit verwirklicht hat, und zwar ohne Zuthun der schönen deutsch¬
freisinnigen Warte, und als er sich, soweit es noch geschehen kann, am besten
so verwirklichen wird, daß dem deutschen Reiche wiederum eine Vertretung ge¬
geben wird, wie der vorige Reichstag war, der nach dein Zeugnis der kaiser¬
lichen Thronrede dazu beigetragen hat, „dein deutschen Reiche die Welt¬
stellung zu gewährleistet!, vermöge deren es befähigt wird, mit dem ihm im
Rate der Völker gebührenden Gewichte für die Güter des Friedens und der
Gesittung einzutreten." Es ist doch Wohl für uns alle besser, wenn wir den
Worten des Kaisers mehr glauben, als den Worten der Herren Bamberger
und Kompagnie. Daß unter der Ägide dieser tapfern Kämpen die Zeit für
den Liberalismus nun bald gekommen sein sollte, wie neulich die Vossische Zei¬
tung hoffte, ist kaum anzunehmen. Es müßte doch wunderlich ums deutsche
Volk bestellt sein, wollte man mit der „Vossischen" der Meinung sein, daß
jetzt, wo der Freisinn sich gerade so unbelehrbar gezeigt hat und zeigt wie
immer, es eintreffen sollte, was sie hofft, „daß dem Freisinn die Wähler
zuströmen und die Mandate zufallen werden fast ohne Arbeit, und wo das
Kartell oder jede andre Koalition vor der Volkssprache zerstieben wird wie
Spreu vor dem Winde." Gute Tante, orakle nur weiter! Inzwischen besorgt
dein Freisinn auch fortan die Geschäfte der Herren Bebel und Windthorst,
dem einen als „politische Schweizergarde" dienend, dem andern als „Lehens¬
träger der Sozialdemokratie," wie Puttkamer in seiner Stolper Rede den
Freisinn richtig nennt. Und das ist auch der Grund, warum im Notfall die
Mittelparteien lieber mit Herrn von Puttkamer gehen werden, als mit Herrn
Eugen Richter. Gegeben ist dieser Notfall, sobald es sich in der Stichwahl
um den einen oder um den andern handelt.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Das Richtersche ABC-

, Buch für freisinnige Wähler ist unter den Lnrmpauken,
^ut denen die deutschfreisinnige Partei in dem diesmaligen Wahlkampf Radau gemacht
V.' eine der massivsten. Der fünfte, vollständig umgearbeitete Jahrgang ist mit
Zungen besonders zugkräftigen Artikeln versehen; vor allein dürften — wie Richter
leU'se sagt — Beachtung verdienen die Abschnitte Adel; Bismarck, Fürst; Bismcirck,
Herbert; Graf Waldersee; Wilhelm II. u. f. w. Schlagen wir nach, so erfahren wir


Grenzboten I 1890 49
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207038"/>
          <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1028" prev="#ID_1027"> nach Möglichkeit verwirklicht hat, und zwar ohne Zuthun der schönen deutsch¬<lb/>
freisinnigen Warte, und als er sich, soweit es noch geschehen kann, am besten<lb/>
so verwirklichen wird, daß dem deutschen Reiche wiederum eine Vertretung ge¬<lb/>
geben wird, wie der vorige Reichstag war, der nach dein Zeugnis der kaiser¬<lb/>
lichen Thronrede dazu beigetragen hat, &#x201E;dein deutschen Reiche die Welt¬<lb/>
stellung zu gewährleistet!, vermöge deren es befähigt wird, mit dem ihm im<lb/>
Rate der Völker gebührenden Gewichte für die Güter des Friedens und der<lb/>
Gesittung einzutreten." Es ist doch Wohl für uns alle besser, wenn wir den<lb/>
Worten des Kaisers mehr glauben, als den Worten der Herren Bamberger<lb/>
und Kompagnie. Daß unter der Ägide dieser tapfern Kämpen die Zeit für<lb/>
den Liberalismus nun bald gekommen sein sollte, wie neulich die Vossische Zei¬<lb/>
tung hoffte, ist kaum anzunehmen. Es müßte doch wunderlich ums deutsche<lb/>
Volk bestellt sein, wollte man mit der &#x201E;Vossischen" der Meinung sein, daß<lb/>
jetzt, wo der Freisinn sich gerade so unbelehrbar gezeigt hat und zeigt wie<lb/>
immer, es eintreffen sollte, was sie hofft, &#x201E;daß dem Freisinn die Wähler<lb/>
zuströmen und die Mandate zufallen werden fast ohne Arbeit, und wo das<lb/>
Kartell oder jede andre Koalition vor der Volkssprache zerstieben wird wie<lb/>
Spreu vor dem Winde." Gute Tante, orakle nur weiter! Inzwischen besorgt<lb/>
dein Freisinn auch fortan die Geschäfte der Herren Bebel und Windthorst,<lb/>
dem einen als &#x201E;politische Schweizergarde" dienend, dem andern als &#x201E;Lehens¬<lb/>
träger der Sozialdemokratie," wie Puttkamer in seiner Stolper Rede den<lb/>
Freisinn richtig nennt. Und das ist auch der Grund, warum im Notfall die<lb/>
Mittelparteien lieber mit Herrn von Puttkamer gehen werden, als mit Herrn<lb/>
Eugen Richter. Gegeben ist dieser Notfall, sobald es sich in der Stichwahl<lb/>
um den einen oder um den andern handelt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Das Richtersche ABC-</head>
            <p xml:id="ID_1029" next="#ID_1030"> , Buch für freisinnige Wähler ist unter den Lnrmpauken,<lb/>
^ut denen die deutschfreisinnige Partei in dem diesmaligen Wahlkampf Radau gemacht<lb/>
V.' eine der massivsten. Der fünfte, vollständig umgearbeitete Jahrgang ist mit<lb/>
Zungen besonders zugkräftigen Artikeln versehen; vor allein dürften &#x2014; wie Richter<lb/>
leU'se sagt &#x2014; Beachtung verdienen die Abschnitte Adel; Bismarck, Fürst; Bismcirck,<lb/>
Herbert; Graf Waldersee; Wilhelm II. u. f. w. Schlagen wir nach, so erfahren wir</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1890 49</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0393] Maßgebliches und Unmaßgebliches nach Möglichkeit verwirklicht hat, und zwar ohne Zuthun der schönen deutsch¬ freisinnigen Warte, und als er sich, soweit es noch geschehen kann, am besten so verwirklichen wird, daß dem deutschen Reiche wiederum eine Vertretung ge¬ geben wird, wie der vorige Reichstag war, der nach dein Zeugnis der kaiser¬ lichen Thronrede dazu beigetragen hat, „dein deutschen Reiche die Welt¬ stellung zu gewährleistet!, vermöge deren es befähigt wird, mit dem ihm im Rate der Völker gebührenden Gewichte für die Güter des Friedens und der Gesittung einzutreten." Es ist doch Wohl für uns alle besser, wenn wir den Worten des Kaisers mehr glauben, als den Worten der Herren Bamberger und Kompagnie. Daß unter der Ägide dieser tapfern Kämpen die Zeit für den Liberalismus nun bald gekommen sein sollte, wie neulich die Vossische Zei¬ tung hoffte, ist kaum anzunehmen. Es müßte doch wunderlich ums deutsche Volk bestellt sein, wollte man mit der „Vossischen" der Meinung sein, daß jetzt, wo der Freisinn sich gerade so unbelehrbar gezeigt hat und zeigt wie immer, es eintreffen sollte, was sie hofft, „daß dem Freisinn die Wähler zuströmen und die Mandate zufallen werden fast ohne Arbeit, und wo das Kartell oder jede andre Koalition vor der Volkssprache zerstieben wird wie Spreu vor dem Winde." Gute Tante, orakle nur weiter! Inzwischen besorgt dein Freisinn auch fortan die Geschäfte der Herren Bebel und Windthorst, dem einen als „politische Schweizergarde" dienend, dem andern als „Lehens¬ träger der Sozialdemokratie," wie Puttkamer in seiner Stolper Rede den Freisinn richtig nennt. Und das ist auch der Grund, warum im Notfall die Mittelparteien lieber mit Herrn von Puttkamer gehen werden, als mit Herrn Eugen Richter. Gegeben ist dieser Notfall, sobald es sich in der Stichwahl um den einen oder um den andern handelt. Maßgebliches und Unmaßgebliches Das Richtersche ABC- , Buch für freisinnige Wähler ist unter den Lnrmpauken, ^ut denen die deutschfreisinnige Partei in dem diesmaligen Wahlkampf Radau gemacht V.' eine der massivsten. Der fünfte, vollständig umgearbeitete Jahrgang ist mit Zungen besonders zugkräftigen Artikeln versehen; vor allein dürften — wie Richter leU'se sagt — Beachtung verdienen die Abschnitte Adel; Bismarck, Fürst; Bismcirck, Herbert; Graf Waldersee; Wilhelm II. u. f. w. Schlagen wir nach, so erfahren wir Grenzboten I 1890 49

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/393
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/393>, abgerufen am 23.07.2024.