Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Litteratur

"Enoch Arten" von Tennyson erinnert, wobei wir dem Verfasser gern glauben,
daß er das Gedicht des Engländers viel später kennen gelernt habe, als wie er
seine Geschichte geschrieben hat.


Neue Novellen. Bon Hans Arnold. Stuttgart, Adolf Bonz u. Komp.

In den neuen Novellen macht sich im Vergleich mit den frühern des Ver¬
fassers (oder der Verfasserin) eine gewisse Verflachung geltend. Die einzige ernstere
und gehaltvollere ist "Schach der Königin"; leichte Geschichten wie "Die Land¬
partie," "Angenehme Gäste" und "Papas Zahnschmerzen" genügen kaum dem
flüchtigsten Zerstreuungsbedürfnis und sollten, wenn sie. durchaus gedruckt werden
müssen, wenigstens nicht in Bände gesammelt werden. Geschrieben sind sie fließend
und gewandt.


Hamburger Novellen. Von Ilse Frapan, Zweite Auflage. Mit sechs Bildern von
G. Brandt. Hamburg, Otto Meißner, 1W!>

Die vorliegenden Hamburger Novellen gehören zu den frischesten, liebens¬
würdigsten und reizvollsten Erzählungen, die uns seit langer Zeit vorgekommen
sind. Sie offenbaren ein tiefes Gemüt und eine scharfe Beobachtungsgabe. Wir
würden der Erfindung und Ausführung nach den Novellen "Der Kondukteur,"
"Um zehn Pfennig," "Eine Weihnachtsgeschichte" den Vorzug geben, doch verdienen
auch "Die Schneehütte" und "Der Floteukieker" hervorgehoben zu werden. Die
einfache Darstellung Ilse Frapcms wirkt am lebendigsten und tiefsten, wo sie auf
dein Hintergründe ärmlicher oder beschränkter Lebenszustände echtes Gefühl und
feinere Seelenregungen darzustellen hat. Der "Kondukteur" ist in dieser Beziehung
ein Meisterstück.


Moderne Xenien. Ein Glaubensbekenntnis in Sprüchen und Strophen. Bon Ernst
Ziel. Leipzig, H, Haessel, 1889

Die Mehrzahl dieser modernen Xenien, die eine ernste, idealen Lebenszielen
treue Natur spiegeln, halten sich innerhalb der Grenzen der Spruchpoesie. Die
schönsten haben einen lyrischen Klang, den träumerischen Hauch tiefer, nur halb aus¬
gesprochener Empfindung. Aber auch uuter den scharf epigrammatischen finden sich
vortreffliche, großenteils Variationen zu dem Thema:


Schier rätselhafte Prcßznstnude!
Wäsche eine Hand die untre ohn Ende,
Und sind doch lauter unsaubre Hände.



Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Berlag von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

„Enoch Arten" von Tennyson erinnert, wobei wir dem Verfasser gern glauben,
daß er das Gedicht des Engländers viel später kennen gelernt habe, als wie er
seine Geschichte geschrieben hat.


Neue Novellen. Bon Hans Arnold. Stuttgart, Adolf Bonz u. Komp.

In den neuen Novellen macht sich im Vergleich mit den frühern des Ver¬
fassers (oder der Verfasserin) eine gewisse Verflachung geltend. Die einzige ernstere
und gehaltvollere ist „Schach der Königin"; leichte Geschichten wie „Die Land¬
partie," „Angenehme Gäste" und „Papas Zahnschmerzen" genügen kaum dem
flüchtigsten Zerstreuungsbedürfnis und sollten, wenn sie. durchaus gedruckt werden
müssen, wenigstens nicht in Bände gesammelt werden. Geschrieben sind sie fließend
und gewandt.


Hamburger Novellen. Von Ilse Frapan, Zweite Auflage. Mit sechs Bildern von
G. Brandt. Hamburg, Otto Meißner, 1W!>

Die vorliegenden Hamburger Novellen gehören zu den frischesten, liebens¬
würdigsten und reizvollsten Erzählungen, die uns seit langer Zeit vorgekommen
sind. Sie offenbaren ein tiefes Gemüt und eine scharfe Beobachtungsgabe. Wir
würden der Erfindung und Ausführung nach den Novellen „Der Kondukteur,"
„Um zehn Pfennig," „Eine Weihnachtsgeschichte" den Vorzug geben, doch verdienen
auch „Die Schneehütte" und „Der Floteukieker" hervorgehoben zu werden. Die
einfache Darstellung Ilse Frapcms wirkt am lebendigsten und tiefsten, wo sie auf
dein Hintergründe ärmlicher oder beschränkter Lebenszustände echtes Gefühl und
feinere Seelenregungen darzustellen hat. Der „Kondukteur" ist in dieser Beziehung
ein Meisterstück.


Moderne Xenien. Ein Glaubensbekenntnis in Sprüchen und Strophen. Bon Ernst
Ziel. Leipzig, H, Haessel, 1889

Die Mehrzahl dieser modernen Xenien, die eine ernste, idealen Lebenszielen
treue Natur spiegeln, halten sich innerhalb der Grenzen der Spruchpoesie. Die
schönsten haben einen lyrischen Klang, den träumerischen Hauch tiefer, nur halb aus¬
gesprochener Empfindung. Aber auch uuter den scharf epigrammatischen finden sich
vortreffliche, großenteils Variationen zu dem Thema:


Schier rätselhafte Prcßznstnude!
Wäsche eine Hand die untre ohn Ende,
Und sind doch lauter unsaubre Hände.



Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Berlag von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig 
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206853"/>
            <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_567" prev="#ID_566"> &#x201E;Enoch Arten" von Tennyson erinnert, wobei wir dem Verfasser gern glauben,<lb/>
daß er das Gedicht des Engländers viel später kennen gelernt habe, als wie er<lb/>
seine Geschichte geschrieben hat.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Neue Novellen.  Bon Hans Arnold.  Stuttgart, Adolf Bonz u. Komp.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_568"> In den neuen Novellen macht sich im Vergleich mit den frühern des Ver¬<lb/>
fassers (oder der Verfasserin) eine gewisse Verflachung geltend. Die einzige ernstere<lb/>
und gehaltvollere ist &#x201E;Schach der Königin"; leichte Geschichten wie &#x201E;Die Land¬<lb/>
partie," &#x201E;Angenehme Gäste" und &#x201E;Papas Zahnschmerzen" genügen kaum dem<lb/>
flüchtigsten Zerstreuungsbedürfnis und sollten, wenn sie. durchaus gedruckt werden<lb/>
müssen, wenigstens nicht in Bände gesammelt werden. Geschrieben sind sie fließend<lb/>
und gewandt.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Hamburger Novellen.  Von Ilse Frapan,  Zweite Auflage.  Mit sechs Bildern von<lb/>
G. Brandt.  Hamburg, Otto Meißner, 1W!&gt;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_569"> Die vorliegenden Hamburger Novellen gehören zu den frischesten, liebens¬<lb/>
würdigsten und reizvollsten Erzählungen, die uns seit langer Zeit vorgekommen<lb/>
sind. Sie offenbaren ein tiefes Gemüt und eine scharfe Beobachtungsgabe. Wir<lb/>
würden der Erfindung und Ausführung nach den Novellen &#x201E;Der Kondukteur,"<lb/>
&#x201E;Um zehn Pfennig," &#x201E;Eine Weihnachtsgeschichte" den Vorzug geben, doch verdienen<lb/>
auch &#x201E;Die Schneehütte" und &#x201E;Der Floteukieker" hervorgehoben zu werden. Die<lb/>
einfache Darstellung Ilse Frapcms wirkt am lebendigsten und tiefsten, wo sie auf<lb/>
dein Hintergründe ärmlicher oder beschränkter Lebenszustände echtes Gefühl und<lb/>
feinere Seelenregungen darzustellen hat. Der &#x201E;Kondukteur" ist in dieser Beziehung<lb/>
ein Meisterstück.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Moderne Xenien.  Ein Glaubensbekenntnis in Sprüchen und Strophen.  Bon Ernst<lb/>
Ziel.  Leipzig, H, Haessel, 1889</head><lb/>
            <p xml:id="ID_570"> Die Mehrzahl dieser modernen Xenien, die eine ernste, idealen Lebenszielen<lb/>
treue Natur spiegeln, halten sich innerhalb der Grenzen der Spruchpoesie. Die<lb/>
schönsten haben einen lyrischen Klang, den träumerischen Hauch tiefer, nur halb aus¬<lb/>
gesprochener Empfindung. Aber auch uuter den scharf epigrammatischen finden sich<lb/>
vortreffliche, großenteils Variationen zu dem Thema:</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_14" type="poem">
                <l> Schier rätselhafte Prcßznstnude!<lb/>
Wäsche eine Hand die untre ohn Ende,<lb/>
Und sind doch lauter unsaubre Hände.</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig<lb/>
Berlag von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig &#x2014; Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0208] Litteratur „Enoch Arten" von Tennyson erinnert, wobei wir dem Verfasser gern glauben, daß er das Gedicht des Engländers viel später kennen gelernt habe, als wie er seine Geschichte geschrieben hat. Neue Novellen. Bon Hans Arnold. Stuttgart, Adolf Bonz u. Komp. In den neuen Novellen macht sich im Vergleich mit den frühern des Ver¬ fassers (oder der Verfasserin) eine gewisse Verflachung geltend. Die einzige ernstere und gehaltvollere ist „Schach der Königin"; leichte Geschichten wie „Die Land¬ partie," „Angenehme Gäste" und „Papas Zahnschmerzen" genügen kaum dem flüchtigsten Zerstreuungsbedürfnis und sollten, wenn sie. durchaus gedruckt werden müssen, wenigstens nicht in Bände gesammelt werden. Geschrieben sind sie fließend und gewandt. Hamburger Novellen. Von Ilse Frapan, Zweite Auflage. Mit sechs Bildern von G. Brandt. Hamburg, Otto Meißner, 1W!> Die vorliegenden Hamburger Novellen gehören zu den frischesten, liebens¬ würdigsten und reizvollsten Erzählungen, die uns seit langer Zeit vorgekommen sind. Sie offenbaren ein tiefes Gemüt und eine scharfe Beobachtungsgabe. Wir würden der Erfindung und Ausführung nach den Novellen „Der Kondukteur," „Um zehn Pfennig," „Eine Weihnachtsgeschichte" den Vorzug geben, doch verdienen auch „Die Schneehütte" und „Der Floteukieker" hervorgehoben zu werden. Die einfache Darstellung Ilse Frapcms wirkt am lebendigsten und tiefsten, wo sie auf dein Hintergründe ärmlicher oder beschränkter Lebenszustände echtes Gefühl und feinere Seelenregungen darzustellen hat. Der „Kondukteur" ist in dieser Beziehung ein Meisterstück. Moderne Xenien. Ein Glaubensbekenntnis in Sprüchen und Strophen. Bon Ernst Ziel. Leipzig, H, Haessel, 1889 Die Mehrzahl dieser modernen Xenien, die eine ernste, idealen Lebenszielen treue Natur spiegeln, halten sich innerhalb der Grenzen der Spruchpoesie. Die schönsten haben einen lyrischen Klang, den träumerischen Hauch tiefer, nur halb aus¬ gesprochener Empfindung. Aber auch uuter den scharf epigrammatischen finden sich vortreffliche, großenteils Variationen zu dem Thema: Schier rätselhafte Prcßznstnude! Wäsche eine Hand die untre ohn Ende, Und sind doch lauter unsaubre Hände. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig Berlag von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/208
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/208>, abgerufen am 15.01.2025.