Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.Die Furcht vor deutscher Kolonisation in Rußland le russische Presse, insbesondre die Xmvojo Mrvinj", beschäftigt Die Furcht vor deutscher Kolonisation in Rußland le russische Presse, insbesondre die Xmvojo Mrvinj», beschäftigt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206747"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341851_206644/figures/grenzboten_341851_206644_206747_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Furcht vor deutscher Kolonisation in Rußland</head><lb/> <p xml:id="ID_260" next="#ID_261"> le russische Presse, insbesondre die Xmvojo Mrvinj», beschäftigt<lb/> sich in neuerer Zeit wieder in unliebsamer Weise mit der deutschen<lb/> Kolonisation in Rußland. Den panslawistischen Zorn erregen<lb/> namentlich diejenigen wohlhabenden deutschen Ansiedler in Süd¬<lb/> rußland, deren Kern die Menoniteu an der Molotschna bilden,<lb/> und die schon seit langer Zeit dem russischen Unterthanenverbande angehören.<lb/> In einem ausführlichen Artikel vom 15/3. Dezember d. I. schildert das ge¬<lb/> nannte Blatt mit schwarzen Farben die augenblicklichen Agrarzustände des süd¬<lb/> lichen Rußlands und stellt sie als große nationale Gefahr dar. An der Hand<lb/> konkreter Fälle wird den dortigen deutschen .Kolonisten vorgeworfen, daß sie in<lb/> rücksichtslosester Weise nach Auflauf enormer Länderstriche die einheimische Be¬<lb/> völkerung von ihrem angestammten Grund und Boden vertrieben, wobei ihnen<lb/> von den russischen Gerichten unerhvrterweise bereitwillig Unterstützung gewährt<lb/> würde. Solche „Thatsachen eines fremdländischen Despotismus" — schreibt<lb/> die Uovojv VremM — seien im Süden Rußlands schon längst eine alltägliche<lb/> Erscheinung geworden; alle Welt habe sich daran gewöhnt. Fast in jedem<lb/> Kreise gebe es sogenannte „Güternusschlächter," und an den Sitzen der Agrar¬<lb/> banken hielten sich „ganze Bauden" solcher Leute auf, die, zu Vereinen orga-<lb/> nisirt, nur den einen Zweck verfolgten, Ländereien zu Spottpreisen auszulaufen<lb/> und die Russen zu vertreiben. Die ganze deutsch-russische Einwanderung wird<lb/> dabei, wie das panslawistische Blatt annimmt, nach einem einheitlichen Plane<lb/> von Berlin aus geleitet; sogenannte „Berliner Syndikate" sollen „ganze Armeen<lb/> friedlicher Eroberer" nach dem Südwesten Rußlands aussenden. Bitter beklagt<lb/> es die Rovojö ^VroinM, daß, während die russischen Emigranten dadurch ihr<lb/> Hab und Gut verlören, daß sie auf ihr eignes Risiko hin handelten, und<lb/> während sie das Opfer „jüdischen Betruges und der Ausplünderung durch<lb/> schlechte Güterageuten" würden, die deutschen Einwandrer, von deutschen Unter¬<lb/> händlern gut beraten, sich mit großer Leichtigkeit und Unbefangenheit in den<lb/> Besitz der größten und fruchtbarsten Länderstrecken setzten. So gehöre im süd¬<lb/> westlichen Teile Rußlands bereits mehr als eine Million Deßjatiuen - etwa<lb/> 200 Quadratmeilen — den Deutschen; in der Grenzprovinz Wvlhhuien allem<lb/> wohnten 220000 deutsche Kolonisten. Dabei bewahrten sie, unter Verschmähung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
[Abbildung]
Die Furcht vor deutscher Kolonisation in Rußland
le russische Presse, insbesondre die Xmvojo Mrvinj», beschäftigt
sich in neuerer Zeit wieder in unliebsamer Weise mit der deutschen
Kolonisation in Rußland. Den panslawistischen Zorn erregen
namentlich diejenigen wohlhabenden deutschen Ansiedler in Süd¬
rußland, deren Kern die Menoniteu an der Molotschna bilden,
und die schon seit langer Zeit dem russischen Unterthanenverbande angehören.
In einem ausführlichen Artikel vom 15/3. Dezember d. I. schildert das ge¬
nannte Blatt mit schwarzen Farben die augenblicklichen Agrarzustände des süd¬
lichen Rußlands und stellt sie als große nationale Gefahr dar. An der Hand
konkreter Fälle wird den dortigen deutschen .Kolonisten vorgeworfen, daß sie in
rücksichtslosester Weise nach Auflauf enormer Länderstriche die einheimische Be¬
völkerung von ihrem angestammten Grund und Boden vertrieben, wobei ihnen
von den russischen Gerichten unerhvrterweise bereitwillig Unterstützung gewährt
würde. Solche „Thatsachen eines fremdländischen Despotismus" — schreibt
die Uovojv VremM — seien im Süden Rußlands schon längst eine alltägliche
Erscheinung geworden; alle Welt habe sich daran gewöhnt. Fast in jedem
Kreise gebe es sogenannte „Güternusschlächter," und an den Sitzen der Agrar¬
banken hielten sich „ganze Bauden" solcher Leute auf, die, zu Vereinen orga-
nisirt, nur den einen Zweck verfolgten, Ländereien zu Spottpreisen auszulaufen
und die Russen zu vertreiben. Die ganze deutsch-russische Einwanderung wird
dabei, wie das panslawistische Blatt annimmt, nach einem einheitlichen Plane
von Berlin aus geleitet; sogenannte „Berliner Syndikate" sollen „ganze Armeen
friedlicher Eroberer" nach dem Südwesten Rußlands aussenden. Bitter beklagt
es die Rovojö ^VroinM, daß, während die russischen Emigranten dadurch ihr
Hab und Gut verlören, daß sie auf ihr eignes Risiko hin handelten, und
während sie das Opfer „jüdischen Betruges und der Ausplünderung durch
schlechte Güterageuten" würden, die deutschen Einwandrer, von deutschen Unter¬
händlern gut beraten, sich mit großer Leichtigkeit und Unbefangenheit in den
Besitz der größten und fruchtbarsten Länderstrecken setzten. So gehöre im süd¬
westlichen Teile Rußlands bereits mehr als eine Million Deßjatiuen - etwa
200 Quadratmeilen — den Deutschen; in der Grenzprovinz Wvlhhuien allem
wohnten 220000 deutsche Kolonisten. Dabei bewahrten sie, unter Verschmähung
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