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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der amerikanische Kongreß und die Monroe-Doktrin

n diesen Tagen -- am 14. Oktober -- wird in Washington eine
Versammlung eröffnet werden, die in verschiednen Beziehungen
auch diesseits des Atlantischen Meeres zu denken giebt. Es ist
der Kongreß zur Beratung einer Anzahl gemeinsamer Interessen
und Einrichtungen, zu dem die Negierung der Vereinigten
Staaten die obersten Behörden der übrigen politischen Gemeinwesen Amerikas,
soweit sie unabhängig sind, Vertreter zu schicken eingeladen hat. Die Sache
nimmt sich für die, die ihr fernstehen und sich überhaupt um die Politik der
Aankees in den letzten Jahrzehnten nicht ernstlich bekümmert haben, ziemlich
harmlos aus, etwa wie ein größeres Seitenstück zu den Bestrebungen, die eine
Annäherung der skandinavischen Staaten im Münz-, Zoll- und Rechtswesen
zum Ziele haben. Näher betrachtet und mit frühern Ereignissen verglichen,
gewinnt sie aber weit größere Bedeutung und erscheint als Glied in einer
Kette von Thatsachen, die sich nur der an die Seite stellen läßt, der wir in
der rasch wachsenden Ausdehnung der russischen Macht in Asien begegnen, als
Äußerung eines weltgeschichtlichen Prozesses, der, wenn sich ihm für jetzt
unüberwindliche Schwierigkeiten entgegentaumelt, in nicht zu ferner Zukunft
sein Ziel zu erreiche" und eine Macht in die Welt einzuführen bestimmt zu
sein scheint, der nur die Gesamtheit aller Großmächte Europas die Spitze zu
bieten vermöchte. Es ist der panamerikanische Gedanke, den wir vor uns
haben, der Gedanke, nach dein es offenbare Bestimmung (uniuiköst <Zö8tin/)
ist, daß die Vereinigten Staaten dereinst alle Staaten Amerikas unter ihrer
Fahne vereinigen werden, weshalb sie sich auch amtlich als Huiwä Ztatss ot'
^inörivÄ nicht ol' ^ortu-^iuLriog, bezeichnen. Der Glaube, daß es der Wille
der Vorsehung sei, daß die Union sich allmählich alle Staaten der westlichen


Gron^boten IV 188" 8


Der amerikanische Kongreß und die Monroe-Doktrin

n diesen Tagen — am 14. Oktober — wird in Washington eine
Versammlung eröffnet werden, die in verschiednen Beziehungen
auch diesseits des Atlantischen Meeres zu denken giebt. Es ist
der Kongreß zur Beratung einer Anzahl gemeinsamer Interessen
und Einrichtungen, zu dem die Negierung der Vereinigten
Staaten die obersten Behörden der übrigen politischen Gemeinwesen Amerikas,
soweit sie unabhängig sind, Vertreter zu schicken eingeladen hat. Die Sache
nimmt sich für die, die ihr fernstehen und sich überhaupt um die Politik der
Aankees in den letzten Jahrzehnten nicht ernstlich bekümmert haben, ziemlich
harmlos aus, etwa wie ein größeres Seitenstück zu den Bestrebungen, die eine
Annäherung der skandinavischen Staaten im Münz-, Zoll- und Rechtswesen
zum Ziele haben. Näher betrachtet und mit frühern Ereignissen verglichen,
gewinnt sie aber weit größere Bedeutung und erscheint als Glied in einer
Kette von Thatsachen, die sich nur der an die Seite stellen läßt, der wir in
der rasch wachsenden Ausdehnung der russischen Macht in Asien begegnen, als
Äußerung eines weltgeschichtlichen Prozesses, der, wenn sich ihm für jetzt
unüberwindliche Schwierigkeiten entgegentaumelt, in nicht zu ferner Zukunft
sein Ziel zu erreiche» und eine Macht in die Welt einzuführen bestimmt zu
sein scheint, der nur die Gesamtheit aller Großmächte Europas die Spitze zu
bieten vermöchte. Es ist der panamerikanische Gedanke, den wir vor uns
haben, der Gedanke, nach dein es offenbare Bestimmung (uniuiköst <Zö8tin/)
ist, daß die Vereinigten Staaten dereinst alle Staaten Amerikas unter ihrer
Fahne vereinigen werden, weshalb sie sich auch amtlich als Huiwä Ztatss ot'
^inörivÄ nicht ol' ^ortu-^iuLriog, bezeichnen. Der Glaube, daß es der Wille
der Vorsehung sei, daß die Union sich allmählich alle Staaten der westlichen


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[0065] [Abbildung] Der amerikanische Kongreß und die Monroe-Doktrin n diesen Tagen — am 14. Oktober — wird in Washington eine Versammlung eröffnet werden, die in verschiednen Beziehungen auch diesseits des Atlantischen Meeres zu denken giebt. Es ist der Kongreß zur Beratung einer Anzahl gemeinsamer Interessen und Einrichtungen, zu dem die Negierung der Vereinigten Staaten die obersten Behörden der übrigen politischen Gemeinwesen Amerikas, soweit sie unabhängig sind, Vertreter zu schicken eingeladen hat. Die Sache nimmt sich für die, die ihr fernstehen und sich überhaupt um die Politik der Aankees in den letzten Jahrzehnten nicht ernstlich bekümmert haben, ziemlich harmlos aus, etwa wie ein größeres Seitenstück zu den Bestrebungen, die eine Annäherung der skandinavischen Staaten im Münz-, Zoll- und Rechtswesen zum Ziele haben. Näher betrachtet und mit frühern Ereignissen verglichen, gewinnt sie aber weit größere Bedeutung und erscheint als Glied in einer Kette von Thatsachen, die sich nur der an die Seite stellen läßt, der wir in der rasch wachsenden Ausdehnung der russischen Macht in Asien begegnen, als Äußerung eines weltgeschichtlichen Prozesses, der, wenn sich ihm für jetzt unüberwindliche Schwierigkeiten entgegentaumelt, in nicht zu ferner Zukunft sein Ziel zu erreiche» und eine Macht in die Welt einzuführen bestimmt zu sein scheint, der nur die Gesamtheit aller Großmächte Europas die Spitze zu bieten vermöchte. Es ist der panamerikanische Gedanke, den wir vor uns haben, der Gedanke, nach dein es offenbare Bestimmung (uniuiköst <Zö8tin/) ist, daß die Vereinigten Staaten dereinst alle Staaten Amerikas unter ihrer Fahne vereinigen werden, weshalb sie sich auch amtlich als Huiwä Ztatss ot' ^inörivÄ nicht ol' ^ortu-^iuLriog, bezeichnen. Der Glaube, daß es der Wille der Vorsehung sei, daß die Union sich allmählich alle Staaten der westlichen Gron^boten IV 188» 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/65>, abgerufen am 23.06.2024.