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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Aus Neuösterreich

b i o g r a p h i e, S es ni rd e n k in al, Shakespearedrainen, Reinh r a ndts es ü ter,
Pilotyschüler, Wagnerverehrer, Vischerverehrer, Weimarlvse,
Japanwaren und ähnliches Schandzcug schießt in Masse empor. Wo ist
die Grenze? frage ich wieder. Wollen wir schließlich auch noch von Goethe¬
gedichten reden (der Erlkönig ist ein Gvethegedicht) oder von Goethe¬
eltern? Man denke sich, daß jemand Berlinlose, Münchenlose,
Leipziglose oder Jtalienwaren, Frankreichwaren, Englandwaren
zum Verkauf anbote! Und Wagnerverehrer und Vischerverehrer,
das sind doch -- nach Bildhauer, Schornsteinfeger und ähnlichem zu
urteilen. -- offenbar Kerle, die gewerbsmäßig jeden verehren, der Wagner
oder Bischer heißt.

Eine alberne Nachäfferei des Französischen endlich, wie so vieles in
unsrer Sprache, sind Zusammensetzungen wie Malerdichter, Malerradirer
und das jetzt bis zum Ekel gebrauchte Dichterkomponist. Es sind das
rohe, gänzlich undeutsche Nachbildungen von peintrö-gravonr, eominiZ-vos-rgeur
u. ahnt. Ein Walzerkomponist ist nach deutscher Logik einer, der Walzer
komponirt. Nun sage man sich selbst, was ein Dichterkomponist ist.

Hiermit will ich diese Plänkeleien vorläufig abbrechen. Im nächsten
Vierteljahre dieser Zeitschrift gedenke ich in einer Reihe von Heften einige der
schlimmsten Modedummheiten ans dem Gebiete der Satzbildung vorzuführen.
Da wird sichs freilich um Dinge handeln, die für unsre Sprache uoch weit
gefahrdrohender sind; daher werde ich auch noch etwas gröberes Geschütz auf¬
fahren müssen.




Aus Neuösterreich
2. Ein Ausflug nach Montenegro
(Schluß)

user Hausherr, sichtlich stolz auf seine gebildete Tochter, hörte
seinem ältesten Sohne, der inzwischen eingetreten war und
uns als Stammhalter vorgestellt wurde, mit Interesse zu. Er
war das Ebenbild des Vaters, eine schöne, martialische Er¬
scheinung, die Tapferkeitsmedaille sowie das an seiner Brust
hängende Kreuz des Danilvordens zeigten, daß der etwa vierundzwanzigjährige
junge Mann anch schon im Feuer gestanden hatte. Die jungen Leute, die mit


Aus Neuösterreich

b i o g r a p h i e, S es ni rd e n k in al, Shakespearedrainen, Reinh r a ndts es ü ter,
Pilotyschüler, Wagnerverehrer, Vischerverehrer, Weimarlvse,
Japanwaren und ähnliches Schandzcug schießt in Masse empor. Wo ist
die Grenze? frage ich wieder. Wollen wir schließlich auch noch von Goethe¬
gedichten reden (der Erlkönig ist ein Gvethegedicht) oder von Goethe¬
eltern? Man denke sich, daß jemand Berlinlose, Münchenlose,
Leipziglose oder Jtalienwaren, Frankreichwaren, Englandwaren
zum Verkauf anbote! Und Wagnerverehrer und Vischerverehrer,
das sind doch — nach Bildhauer, Schornsteinfeger und ähnlichem zu
urteilen. — offenbar Kerle, die gewerbsmäßig jeden verehren, der Wagner
oder Bischer heißt.

Eine alberne Nachäfferei des Französischen endlich, wie so vieles in
unsrer Sprache, sind Zusammensetzungen wie Malerdichter, Malerradirer
und das jetzt bis zum Ekel gebrauchte Dichterkomponist. Es sind das
rohe, gänzlich undeutsche Nachbildungen von peintrö-gravonr, eominiZ-vos-rgeur
u. ahnt. Ein Walzerkomponist ist nach deutscher Logik einer, der Walzer
komponirt. Nun sage man sich selbst, was ein Dichterkomponist ist.

Hiermit will ich diese Plänkeleien vorläufig abbrechen. Im nächsten
Vierteljahre dieser Zeitschrift gedenke ich in einer Reihe von Heften einige der
schlimmsten Modedummheiten ans dem Gebiete der Satzbildung vorzuführen.
Da wird sichs freilich um Dinge handeln, die für unsre Sprache uoch weit
gefahrdrohender sind; daher werde ich auch noch etwas gröberes Geschütz auf¬
fahren müssen.




Aus Neuösterreich
2. Ein Ausflug nach Montenegro
(Schluß)

user Hausherr, sichtlich stolz auf seine gebildete Tochter, hörte
seinem ältesten Sohne, der inzwischen eingetreten war und
uns als Stammhalter vorgestellt wurde, mit Interesse zu. Er
war das Ebenbild des Vaters, eine schöne, martialische Er¬
scheinung, die Tapferkeitsmedaille sowie das an seiner Brust
hängende Kreuz des Danilvordens zeigten, daß der etwa vierundzwanzigjährige
junge Mann anch schon im Feuer gestanden hatte. Die jungen Leute, die mit


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[0578] Aus Neuösterreich b i o g r a p h i e, S es ni rd e n k in al, Shakespearedrainen, Reinh r a ndts es ü ter, Pilotyschüler, Wagnerverehrer, Vischerverehrer, Weimarlvse, Japanwaren und ähnliches Schandzcug schießt in Masse empor. Wo ist die Grenze? frage ich wieder. Wollen wir schließlich auch noch von Goethe¬ gedichten reden (der Erlkönig ist ein Gvethegedicht) oder von Goethe¬ eltern? Man denke sich, daß jemand Berlinlose, Münchenlose, Leipziglose oder Jtalienwaren, Frankreichwaren, Englandwaren zum Verkauf anbote! Und Wagnerverehrer und Vischerverehrer, das sind doch — nach Bildhauer, Schornsteinfeger und ähnlichem zu urteilen. — offenbar Kerle, die gewerbsmäßig jeden verehren, der Wagner oder Bischer heißt. Eine alberne Nachäfferei des Französischen endlich, wie so vieles in unsrer Sprache, sind Zusammensetzungen wie Malerdichter, Malerradirer und das jetzt bis zum Ekel gebrauchte Dichterkomponist. Es sind das rohe, gänzlich undeutsche Nachbildungen von peintrö-gravonr, eominiZ-vos-rgeur u. ahnt. Ein Walzerkomponist ist nach deutscher Logik einer, der Walzer komponirt. Nun sage man sich selbst, was ein Dichterkomponist ist. Hiermit will ich diese Plänkeleien vorläufig abbrechen. Im nächsten Vierteljahre dieser Zeitschrift gedenke ich in einer Reihe von Heften einige der schlimmsten Modedummheiten ans dem Gebiete der Satzbildung vorzuführen. Da wird sichs freilich um Dinge handeln, die für unsre Sprache uoch weit gefahrdrohender sind; daher werde ich auch noch etwas gröberes Geschütz auf¬ fahren müssen. Aus Neuösterreich 2. Ein Ausflug nach Montenegro (Schluß) user Hausherr, sichtlich stolz auf seine gebildete Tochter, hörte seinem ältesten Sohne, der inzwischen eingetreten war und uns als Stammhalter vorgestellt wurde, mit Interesse zu. Er war das Ebenbild des Vaters, eine schöne, martialische Er¬ scheinung, die Tapferkeitsmedaille sowie das an seiner Brust hängende Kreuz des Danilvordens zeigten, daß der etwa vierundzwanzigjährige junge Mann anch schon im Feuer gestanden hatte. Die jungen Leute, die mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/578>, abgerufen am 23.06.2024.