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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Buckle "ut Varwin

Patriot kennt sie und weiß, wie er sich ihnen gegenüber zu Verhalten hat.
Jeden Deutschen, der tren zu Kaiser und Reich hält, anzuspornen, diese Ge¬
sinnung in dem bevorstehenden Reichstagswahlkampfe kräftig zu bethätigen,
das war der Hauptzweck dieser geschichtlichen Darstellung. Das aber wird
jeder thun, der mit uus den Wahlspruch hvchhältl

Das Vaterland, nicht die Partei!




Buckle und Darwin
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le Religion wird, wie wir sahen, vom Darwinismus nur insofern
berührt, als er den Atheisten eine neue Einkleidung für ihre alten
Ansichten, den Christen aber einen großen Reichtum bis dahin
unbekannter Fälle von Zweckmäßigkeit darbietet. Wird doch Darwin
selbst nicht müde, die "wunderbare Schönheit" der mechanischen
Vorrichtungen zu preisen, durch die z. B. die Befruchtung der Blute mit
ihrem eignen Pollen verhindert und die wechselseitige Befruchtung sicher gestellt,
das Nektarium der Passionsblumen vor den Kolibris geschützt, dagegen den
Hummeln zugänglich gemacht wird u. s. w. Selbst wenn die Entwicklungs¬
lehre streng bewiesen wäre, würde sie nicht zu einer Umbildung unsrer religiösen
Vorstellungen nötigen, da die mosaische Schöpfungsgeschichte schon vor Darwin
auch in gläubigen .Kreisen nicht mehr wörtlich verstanden wurde. Vielseitig
und tiefgreifend dagegen ist Darwins Einfluß auf das wissenschaftliche Leben;
und diesen glaube ich im allgemeinen dahin bestimmen zu dürfen, daß der große
Forscher durch seine zahllosen Beobachtungen sowie durch die Kunst phantasie¬
voller Verknüpfung von Thatsachen ungemein anregend und befruchtend gewirkt,
freilich durch diese Kunst zugleich die unvorsichtige, kritiklose Hypothesenbauerei
befördert hat.

Ein paar Beispiele sollen diese sehr gegen Darwins Absicht eingetretene
nachteilige Wirkung veranschauliche":. Wir führen einige Fälle an, wo er seiner
Hypothese zu Gefallen offenbar den Thatsachen Gewalt anthut; die weit weniger
gewissenhaften Schüler und das gedankenlose Publikum sehen in solchem Bei¬
spiele eines so großen Meisters selbstverständlich eine Aufmunterung zu noch
größerer Kühnheit. Nach Darwin entstehen Gattungschnraktere dadurch, daß


Buckle »ut Varwin

Patriot kennt sie und weiß, wie er sich ihnen gegenüber zu Verhalten hat.
Jeden Deutschen, der tren zu Kaiser und Reich hält, anzuspornen, diese Ge¬
sinnung in dem bevorstehenden Reichstagswahlkampfe kräftig zu bethätigen,
das war der Hauptzweck dieser geschichtlichen Darstellung. Das aber wird
jeder thun, der mit uus den Wahlspruch hvchhältl

Das Vaterland, nicht die Partei!




Buckle und Darwin
4

le Religion wird, wie wir sahen, vom Darwinismus nur insofern
berührt, als er den Atheisten eine neue Einkleidung für ihre alten
Ansichten, den Christen aber einen großen Reichtum bis dahin
unbekannter Fälle von Zweckmäßigkeit darbietet. Wird doch Darwin
selbst nicht müde, die „wunderbare Schönheit" der mechanischen
Vorrichtungen zu preisen, durch die z. B. die Befruchtung der Blute mit
ihrem eignen Pollen verhindert und die wechselseitige Befruchtung sicher gestellt,
das Nektarium der Passionsblumen vor den Kolibris geschützt, dagegen den
Hummeln zugänglich gemacht wird u. s. w. Selbst wenn die Entwicklungs¬
lehre streng bewiesen wäre, würde sie nicht zu einer Umbildung unsrer religiösen
Vorstellungen nötigen, da die mosaische Schöpfungsgeschichte schon vor Darwin
auch in gläubigen .Kreisen nicht mehr wörtlich verstanden wurde. Vielseitig
und tiefgreifend dagegen ist Darwins Einfluß auf das wissenschaftliche Leben;
und diesen glaube ich im allgemeinen dahin bestimmen zu dürfen, daß der große
Forscher durch seine zahllosen Beobachtungen sowie durch die Kunst phantasie¬
voller Verknüpfung von Thatsachen ungemein anregend und befruchtend gewirkt,
freilich durch diese Kunst zugleich die unvorsichtige, kritiklose Hypothesenbauerei
befördert hat.

Ein paar Beispiele sollen diese sehr gegen Darwins Absicht eingetretene
nachteilige Wirkung veranschauliche»:. Wir führen einige Fälle an, wo er seiner
Hypothese zu Gefallen offenbar den Thatsachen Gewalt anthut; die weit weniger
gewissenhaften Schüler und das gedankenlose Publikum sehen in solchem Bei¬
spiele eines so großen Meisters selbstverständlich eine Aufmunterung zu noch
größerer Kühnheit. Nach Darwin entstehen Gattungschnraktere dadurch, daß


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[0562] Buckle »ut Varwin Patriot kennt sie und weiß, wie er sich ihnen gegenüber zu Verhalten hat. Jeden Deutschen, der tren zu Kaiser und Reich hält, anzuspornen, diese Ge¬ sinnung in dem bevorstehenden Reichstagswahlkampfe kräftig zu bethätigen, das war der Hauptzweck dieser geschichtlichen Darstellung. Das aber wird jeder thun, der mit uus den Wahlspruch hvchhältl Das Vaterland, nicht die Partei! Buckle und Darwin 4 le Religion wird, wie wir sahen, vom Darwinismus nur insofern berührt, als er den Atheisten eine neue Einkleidung für ihre alten Ansichten, den Christen aber einen großen Reichtum bis dahin unbekannter Fälle von Zweckmäßigkeit darbietet. Wird doch Darwin selbst nicht müde, die „wunderbare Schönheit" der mechanischen Vorrichtungen zu preisen, durch die z. B. die Befruchtung der Blute mit ihrem eignen Pollen verhindert und die wechselseitige Befruchtung sicher gestellt, das Nektarium der Passionsblumen vor den Kolibris geschützt, dagegen den Hummeln zugänglich gemacht wird u. s. w. Selbst wenn die Entwicklungs¬ lehre streng bewiesen wäre, würde sie nicht zu einer Umbildung unsrer religiösen Vorstellungen nötigen, da die mosaische Schöpfungsgeschichte schon vor Darwin auch in gläubigen .Kreisen nicht mehr wörtlich verstanden wurde. Vielseitig und tiefgreifend dagegen ist Darwins Einfluß auf das wissenschaftliche Leben; und diesen glaube ich im allgemeinen dahin bestimmen zu dürfen, daß der große Forscher durch seine zahllosen Beobachtungen sowie durch die Kunst phantasie¬ voller Verknüpfung von Thatsachen ungemein anregend und befruchtend gewirkt, freilich durch diese Kunst zugleich die unvorsichtige, kritiklose Hypothesenbauerei befördert hat. Ein paar Beispiele sollen diese sehr gegen Darwins Absicht eingetretene nachteilige Wirkung veranschauliche»:. Wir führen einige Fälle an, wo er seiner Hypothese zu Gefallen offenbar den Thatsachen Gewalt anthut; die weit weniger gewissenhaften Schüler und das gedankenlose Publikum sehen in solchem Bei¬ spiele eines so großen Meisters selbstverständlich eine Aufmunterung zu noch größerer Kühnheit. Nach Darwin entstehen Gattungschnraktere dadurch, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/562>, abgerufen am 23.06.2024.