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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Das erste Amtsjahr des neuen Pfarrers

oder seine Küche auf diese Weise dekorirte, so würden wir sagen: Der Mann
hat Geschmack." Und in derselben Nummer steht folgende "Anfrage": "Behufs
einer neu einzurichtenden Küche bittet nur um den Namen des Maurers, der
deu großen Leipziger Konzertsaal angestrichen hat".") Hieraus bezieht sich
Schumanns Bemerkung über den Küchenwitz.


G. N).


Das erste Amtsjahr des neuen Pfarrers

ente ist großer Festtilg im Dorfe: der Tag des Einzugs für den
neuen Pfarrer ist da. Der Vorgänger ist vor mehreren Monaten
versetzt, die Stelle inzwischen von einem Nachbargeistlichell verwaltet
worden. Die Gemeinde, der das Wiederbesetzungsrecht zusteht, hat
einstimmig -- wie der neugewählte nicht ohne Stolz seiner Braut
erzählt -- den Nachfolger erkoren. Sie wünscht sein baldiges Kommen.
Daher wird die Hochzeit des jungen pfarrherrlichen Paares beschleunigt, und schou
uach wenigen Tagen sa'hre es der neuen Heimat entgegen.

Die Sonne macht ihr freundlichstes Gesicht. Was Wunder, daß heute nicht
nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft im rosigsten Lichte erscheint! An
Pfarrhause, begrüßt der Kirchenvorstand mit einigen herzlichen Worten die Ankömm¬
linge. Unter Leitung des Lehrers zieht die Schuljugend ans und singt ein geist¬
liches Lied. Der Lehrer hält eine kurze Ansprache, die mit warmen Worten er¬
wiedert wird. Abends "läßt es sich das(!) Ortsverein nicht nehmen," auch seinerseits
dnrch ein musikalisches Stündchen seiner Freude über die Neubesetzung der Pfarrei
einen hörbaren Allsdruck zu geben. Dem Pfarrer ist von "wohlmeinender Seite"
zu verstehen gegeben worden, daß man für diese Aufmerksamkeit "Freibier"
erwarte. Dies wird denn auch im Vereinslokale gespendet. Der Pfarrer geht
selbst auf ein Ständchen hin und findet eine sehr zuvorkommende Aufnahme. Ganz
glücklich kehrt er heim, er dünkt sich fast wie im Traume. Hier, das fühlt er schon
jetzt, ist ihm das Los aufs lieblichste gefallen. Er kann die zurückhaltender Äuße¬
rungen seines Amtsvorgängers, die fast wie versteckte Seufzer und Warnungen
lauteten, nicht verstehen. Er sühlt eine Armee -- wenn auch uicht in der Faust,
so doch im Herzen. siegesgewiß Null er die sicherlich nur kleine Schar von Wider¬
sachern und Hindernissen seines Wirkens bald beseitigen. Hat er sich doch vorher
während eines kurzen Vikarmts gut mit der frühern Gemeinde verstanden, hat guten
Kirchenbesuch gehabt, freundlichen Verkehr und zuweilen auch ein reelles Zeugnis
für seine Beliebtheit obendrein. Dn sieht ers natürlich schou jetzt klar vor Augen,
daß der ältere Vorgänger doch jedenfalls ein Grillenfänger gewesen und deu Leuten
nicht in der rechten Weise entgegengekommen ist.



*) Berge, auch die Mitteilungen bei Dlirsfel, n. a. O, S. 76.
Das erste Amtsjahr des neuen Pfarrers

oder seine Küche auf diese Weise dekorirte, so würden wir sagen: Der Mann
hat Geschmack." Und in derselben Nummer steht folgende „Anfrage": „Behufs
einer neu einzurichtenden Küche bittet nur um den Namen des Maurers, der
deu großen Leipziger Konzertsaal angestrichen hat".") Hieraus bezieht sich
Schumanns Bemerkung über den Küchenwitz.


G. N).


Das erste Amtsjahr des neuen Pfarrers

ente ist großer Festtilg im Dorfe: der Tag des Einzugs für den
neuen Pfarrer ist da. Der Vorgänger ist vor mehreren Monaten
versetzt, die Stelle inzwischen von einem Nachbargeistlichell verwaltet
worden. Die Gemeinde, der das Wiederbesetzungsrecht zusteht, hat
einstimmig — wie der neugewählte nicht ohne Stolz seiner Braut
erzählt — den Nachfolger erkoren. Sie wünscht sein baldiges Kommen.
Daher wird die Hochzeit des jungen pfarrherrlichen Paares beschleunigt, und schou
uach wenigen Tagen sa'hre es der neuen Heimat entgegen.

Die Sonne macht ihr freundlichstes Gesicht. Was Wunder, daß heute nicht
nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft im rosigsten Lichte erscheint! An
Pfarrhause, begrüßt der Kirchenvorstand mit einigen herzlichen Worten die Ankömm¬
linge. Unter Leitung des Lehrers zieht die Schuljugend ans und singt ein geist¬
liches Lied. Der Lehrer hält eine kurze Ansprache, die mit warmen Worten er¬
wiedert wird. Abends „läßt es sich das(!) Ortsverein nicht nehmen," auch seinerseits
dnrch ein musikalisches Stündchen seiner Freude über die Neubesetzung der Pfarrei
einen hörbaren Allsdruck zu geben. Dem Pfarrer ist von „wohlmeinender Seite"
zu verstehen gegeben worden, daß man für diese Aufmerksamkeit „Freibier"
erwarte. Dies wird denn auch im Vereinslokale gespendet. Der Pfarrer geht
selbst auf ein Ständchen hin und findet eine sehr zuvorkommende Aufnahme. Ganz
glücklich kehrt er heim, er dünkt sich fast wie im Traume. Hier, das fühlt er schon
jetzt, ist ihm das Los aufs lieblichste gefallen. Er kann die zurückhaltender Äuße¬
rungen seines Amtsvorgängers, die fast wie versteckte Seufzer und Warnungen
lauteten, nicht verstehen. Er sühlt eine Armee — wenn auch uicht in der Faust,
so doch im Herzen. siegesgewiß Null er die sicherlich nur kleine Schar von Wider¬
sachern und Hindernissen seines Wirkens bald beseitigen. Hat er sich doch vorher
während eines kurzen Vikarmts gut mit der frühern Gemeinde verstanden, hat guten
Kirchenbesuch gehabt, freundlichen Verkehr und zuweilen auch ein reelles Zeugnis
für seine Beliebtheit obendrein. Dn sieht ers natürlich schou jetzt klar vor Augen,
daß der ältere Vorgänger doch jedenfalls ein Grillenfänger gewesen und deu Leuten
nicht in der rechten Weise entgegengekommen ist.



*) Berge, auch die Mitteilungen bei Dlirsfel, n. a. O, S. 76.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/47>, abgerufen am 23.06.2024.