Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Die Revolution in Brasilien erüchte, die sich zuerst in Handelskrisen verbreiteten, haben sich Die Revolution in Brasilien erüchte, die sich zuerst in Handelskrisen verbreiteten, haben sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206433"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341849_205998/figures/grenzboten_341849_205998_206433_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Revolution in Brasilien</head><lb/> <p xml:id="ID_1480" next="#ID_1481"> erüchte, die sich zuerst in Handelskrisen verbreiteten, haben sich<lb/> jetzt als Wahrheit erwiesen. In Rio Janeiro ist eine Revolution<lb/> ausgebrochen, und das Kaisertum Brasilien steht im Begriff, sich<lb/> in eine Republik zu verwandeln. Die Umwälzung begann Freitag<lb/> den 15. November mit einem Militäranfstaud und einem Angriff<lb/> auf den Marineminister und entwickelte sich dann rasch in ein Zusammenbrechen<lb/> der bestehenden Staatseinrichtungen, wie wir es in den letzten Jahrzehnten<lb/> wiederholt in slldamerikanischen Ländern vor sich gehen sahen. Die gesamte<lb/> Garnison der Hauptstadt schloß sich der Meuterei ihrer Kameraden an, das<lb/> Ministerium dankte ab, um einer provisorischen Regierung Platz zu macheu,<lb/> die nichts Eiligeres zu thun hatte, als zunächst den Staatsrat hinwegzuschaffen<lb/> und ihm dann die Monarchie folgen zu lassen. Der Kaiser wurde sür abgesetzt<lb/> erklärt, sollte indeß „mit der äußersten Rücksicht behandelt werden" — eine<lb/> schon deshalb selbstverständliche Sache, weil Dom Pedro der Zweite und voraus-<lb/> sichtlich Letzte in seinen weiten Gebieten kaum einen persönlichen Feind hat.<lb/> Er, der sich beim Ausbruche der Empörung in der nahen Svmmerresideuz<lb/> Petropolis befand, leistete keinen Widerstand, sondern fügte sich der Gewalt der<lb/> Umstände und schiffte sich zwei Tage später nach Europa ein. So ist bald<lb/> wieder Ruhe und Ordnung eingetreten, und es scheint bis auf weiteres dabei<lb/> bleiben zu sollen, da berichtet wird, daß der neuen Negierung aus deu Pro¬<lb/> vinzen Zustimmungen zu ihrem Thun und Zusagen von Unterstützung zugegangen<lb/> sind, auch aus der Provinz Bahia, die anfänglich zweifelhaft erschien. Es<lb/> fragt sich jetzt nur, ob die Politiker, die so plötzlich aus Nuder gelangt sind,<lb/> sich ihrer Aufgabe gewachsen zeigen und ebensoviel Befähigung als Charakter,<lb/> ebensoviel Müßigung und Selbstlosigkeit als Entschlossenheit an den Tag legen<lb/> werdeu, und das ist für uns Draußenstehende schwer zu sagen, da wir über<lb/> ihre bisherigen Leistungen nicht viel wissen. Doch befindet sich unter<lb/> ihnen die gewöhnliche Anzahl von Offizieren, Advokaten und Zeitungs¬<lb/> schreibern, die das große amerikanische Festland im Norden nicht minder wie<lb/> im Süden zu allen Zeiten für solche Gelegenheiten vorrätig hielt und auf die<lb/> politische Bühne treten ließ lauter hvchsiunige Patrioten reinsten Wassers,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
[Abbildung]
Die Revolution in Brasilien
erüchte, die sich zuerst in Handelskrisen verbreiteten, haben sich
jetzt als Wahrheit erwiesen. In Rio Janeiro ist eine Revolution
ausgebrochen, und das Kaisertum Brasilien steht im Begriff, sich
in eine Republik zu verwandeln. Die Umwälzung begann Freitag
den 15. November mit einem Militäranfstaud und einem Angriff
auf den Marineminister und entwickelte sich dann rasch in ein Zusammenbrechen
der bestehenden Staatseinrichtungen, wie wir es in den letzten Jahrzehnten
wiederholt in slldamerikanischen Ländern vor sich gehen sahen. Die gesamte
Garnison der Hauptstadt schloß sich der Meuterei ihrer Kameraden an, das
Ministerium dankte ab, um einer provisorischen Regierung Platz zu macheu,
die nichts Eiligeres zu thun hatte, als zunächst den Staatsrat hinwegzuschaffen
und ihm dann die Monarchie folgen zu lassen. Der Kaiser wurde sür abgesetzt
erklärt, sollte indeß „mit der äußersten Rücksicht behandelt werden" — eine
schon deshalb selbstverständliche Sache, weil Dom Pedro der Zweite und voraus-
sichtlich Letzte in seinen weiten Gebieten kaum einen persönlichen Feind hat.
Er, der sich beim Ausbruche der Empörung in der nahen Svmmerresideuz
Petropolis befand, leistete keinen Widerstand, sondern fügte sich der Gewalt der
Umstände und schiffte sich zwei Tage später nach Europa ein. So ist bald
wieder Ruhe und Ordnung eingetreten, und es scheint bis auf weiteres dabei
bleiben zu sollen, da berichtet wird, daß der neuen Negierung aus deu Pro¬
vinzen Zustimmungen zu ihrem Thun und Zusagen von Unterstützung zugegangen
sind, auch aus der Provinz Bahia, die anfänglich zweifelhaft erschien. Es
fragt sich jetzt nur, ob die Politiker, die so plötzlich aus Nuder gelangt sind,
sich ihrer Aufgabe gewachsen zeigen und ebensoviel Befähigung als Charakter,
ebensoviel Müßigung und Selbstlosigkeit als Entschlossenheit an den Tag legen
werdeu, und das ist für uns Draußenstehende schwer zu sagen, da wir über
ihre bisherigen Leistungen nicht viel wissen. Doch befindet sich unter
ihnen die gewöhnliche Anzahl von Offizieren, Advokaten und Zeitungs¬
schreibern, die das große amerikanische Festland im Norden nicht minder wie
im Süden zu allen Zeiten für solche Gelegenheiten vorrätig hielt und auf die
politische Bühne treten ließ lauter hvchsiunige Patrioten reinsten Wassers,
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