Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lif Jahre im Balkan

mehr nachahmen u. dergl, in.; wohl aber wird man seine kritischen Studien,
die Fellner abdrückt, gern nachlesen, um sich anregen zu lassen.

Doch damit sind mir schon in das Gebiet jener Einzelheiten geraten, das
wir hier uicht betreten wollten. Zum Schlüsse daher uur noch die Bemerkung,
daß Immermanns Theater nach vielen schonen Erfolgen der sogenannten
Mustervorstellnngen am 31. März 1837 mit der Aufführung der Halmschen
"Griseldis" ehrenvoll geschlossen wurde.


Moritz Necker


Gif Jahre im Balkan

le Türkei liegt nicht mehr sür das Abendland hinten, weit, wie
zu Goethes Zeit, und wenn jetzt die Völker dort auf einander
schlagen, so wird dem deutschen Bürger bange um den Frieden.
Zwar haftet den Vorgängen und Zuständen häufig etwas von
der komischen Oper an; aber ob einem Könige, der zu Schiff
gegangen ist, höflich angezeigt wird, man werde ihn in seinem Lande nicht
wieder landen lassen, oder ob ein Hospodar im Bette seine Abdankung freiwillig
unterzeichnen muß, oder ob eine Armee ihren Fürsten zur Abreise zwingt und
ihn nach einigen Tagen unter allgemeinem Jubel wieder einholt, oder ob seinem
Nachfolger die Gelder ausgehen, mit denen er ans die Treue seiner Unterthanen
abonniren soll, oder ob ein Land das Glück genießt, gleichzeitig zwei Könige,
eine widerspenstige Königin und eine Regentschaft zu besitzen: zum herzlichen
Lachen bringt uns das alles nicht, weil wir dabei das Gefühl haben, daß
Kinder in der Nähe einer Pulvertonne mit Zündhölzchen spielen. Mit den
Ereignissen, die sich jetzt in wenige Jahre zusammendrängen, würde eine weniger
rasch lebende Zeit ebenso viele Jahrzehnte ausgekommen sein, und bei Namen,
die gestern auf jedermanns Lippen waren, reibt man sich heute schon die Stirn,
um sich den Zusammenhang zwischen Namen, Personen und Ereignissen ins
Gedächtnis zu rufen.

Der -- vorläufig -- letzte russisch-türkische Krieg, die Beteiligung Serbiens
an ihm, der Berliner Kongreß, wie fern ist uns das alles schon gerückt!
Tscholak-Antitsch, Ranko Alimpitsch, Horvatovitsch, alle diese schwer auszu¬
sprechenden Namen waren uns einmal durch das Zeitungslesen geläufig ge¬
worden; jetzt wissen wir kaun, noch mit dem Namen Tschernajew eine Vvr-


Greuzbotei, IV 1889 42
Lif Jahre im Balkan

mehr nachahmen u. dergl, in.; wohl aber wird man seine kritischen Studien,
die Fellner abdrückt, gern nachlesen, um sich anregen zu lassen.

Doch damit sind mir schon in das Gebiet jener Einzelheiten geraten, das
wir hier uicht betreten wollten. Zum Schlüsse daher uur noch die Bemerkung,
daß Immermanns Theater nach vielen schonen Erfolgen der sogenannten
Mustervorstellnngen am 31. März 1837 mit der Aufführung der Halmschen
„Griseldis" ehrenvoll geschlossen wurde.


Moritz Necker


Gif Jahre im Balkan

le Türkei liegt nicht mehr sür das Abendland hinten, weit, wie
zu Goethes Zeit, und wenn jetzt die Völker dort auf einander
schlagen, so wird dem deutschen Bürger bange um den Frieden.
Zwar haftet den Vorgängen und Zuständen häufig etwas von
der komischen Oper an; aber ob einem Könige, der zu Schiff
gegangen ist, höflich angezeigt wird, man werde ihn in seinem Lande nicht
wieder landen lassen, oder ob ein Hospodar im Bette seine Abdankung freiwillig
unterzeichnen muß, oder ob eine Armee ihren Fürsten zur Abreise zwingt und
ihn nach einigen Tagen unter allgemeinem Jubel wieder einholt, oder ob seinem
Nachfolger die Gelder ausgehen, mit denen er ans die Treue seiner Unterthanen
abonniren soll, oder ob ein Land das Glück genießt, gleichzeitig zwei Könige,
eine widerspenstige Königin und eine Regentschaft zu besitzen: zum herzlichen
Lachen bringt uns das alles nicht, weil wir dabei das Gefühl haben, daß
Kinder in der Nähe einer Pulvertonne mit Zündhölzchen spielen. Mit den
Ereignissen, die sich jetzt in wenige Jahre zusammendrängen, würde eine weniger
rasch lebende Zeit ebenso viele Jahrzehnte ausgekommen sein, und bei Namen,
die gestern auf jedermanns Lippen waren, reibt man sich heute schon die Stirn,
um sich den Zusammenhang zwischen Namen, Personen und Ereignissen ins
Gedächtnis zu rufen.

Der — vorläufig — letzte russisch-türkische Krieg, die Beteiligung Serbiens
an ihm, der Berliner Kongreß, wie fern ist uns das alles schon gerückt!
Tscholak-Antitsch, Ranko Alimpitsch, Horvatovitsch, alle diese schwer auszu¬
sprechenden Namen waren uns einmal durch das Zeitungslesen geläufig ge¬
worden; jetzt wissen wir kaun, noch mit dem Namen Tschernajew eine Vvr-


Greuzbotei, IV 1889 42
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206336"/>
          <fw type="header" place="top"> Lif Jahre im Balkan</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1100" prev="#ID_1099"> mehr nachahmen u. dergl, in.; wohl aber wird man seine kritischen Studien,<lb/>
die Fellner abdrückt, gern nachlesen, um sich anregen zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1101"> Doch damit sind mir schon in das Gebiet jener Einzelheiten geraten, das<lb/>
wir hier uicht betreten wollten. Zum Schlüsse daher uur noch die Bemerkung,<lb/>
daß Immermanns Theater nach vielen schonen Erfolgen der sogenannten<lb/>
Mustervorstellnngen am 31. März 1837 mit der Aufführung der Halmschen<lb/>
&#x201E;Griseldis" ehrenvoll geschlossen wurde.</p><lb/>
          <note type="byline"> Moritz Necker</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gif Jahre im Balkan</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1102"> le Türkei liegt nicht mehr sür das Abendland hinten, weit, wie<lb/>
zu Goethes Zeit, und wenn jetzt die Völker dort auf einander<lb/>
schlagen, so wird dem deutschen Bürger bange um den Frieden.<lb/>
Zwar haftet den Vorgängen und Zuständen häufig etwas von<lb/>
der komischen Oper an; aber ob einem Könige, der zu Schiff<lb/>
gegangen ist, höflich angezeigt wird, man werde ihn in seinem Lande nicht<lb/>
wieder landen lassen, oder ob ein Hospodar im Bette seine Abdankung freiwillig<lb/>
unterzeichnen muß, oder ob eine Armee ihren Fürsten zur Abreise zwingt und<lb/>
ihn nach einigen Tagen unter allgemeinem Jubel wieder einholt, oder ob seinem<lb/>
Nachfolger die Gelder ausgehen, mit denen er ans die Treue seiner Unterthanen<lb/>
abonniren soll, oder ob ein Land das Glück genießt, gleichzeitig zwei Könige,<lb/>
eine widerspenstige Königin und eine Regentschaft zu besitzen: zum herzlichen<lb/>
Lachen bringt uns das alles nicht, weil wir dabei das Gefühl haben, daß<lb/>
Kinder in der Nähe einer Pulvertonne mit Zündhölzchen spielen. Mit den<lb/>
Ereignissen, die sich jetzt in wenige Jahre zusammendrängen, würde eine weniger<lb/>
rasch lebende Zeit ebenso viele Jahrzehnte ausgekommen sein, und bei Namen,<lb/>
die gestern auf jedermanns Lippen waren, reibt man sich heute schon die Stirn,<lb/>
um sich den Zusammenhang zwischen Namen, Personen und Ereignissen ins<lb/>
Gedächtnis zu rufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1103" next="#ID_1104"> Der &#x2014; vorläufig &#x2014; letzte russisch-türkische Krieg, die Beteiligung Serbiens<lb/>
an ihm, der Berliner Kongreß, wie fern ist uns das alles schon gerückt!<lb/>
Tscholak-Antitsch, Ranko Alimpitsch, Horvatovitsch, alle diese schwer auszu¬<lb/>
sprechenden Namen waren uns einmal durch das Zeitungslesen geläufig ge¬<lb/>
worden; jetzt wissen wir kaun, noch mit dem Namen Tschernajew eine Vvr-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Greuzbotei, IV 1889 42</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] Lif Jahre im Balkan mehr nachahmen u. dergl, in.; wohl aber wird man seine kritischen Studien, die Fellner abdrückt, gern nachlesen, um sich anregen zu lassen. Doch damit sind mir schon in das Gebiet jener Einzelheiten geraten, das wir hier uicht betreten wollten. Zum Schlüsse daher uur noch die Bemerkung, daß Immermanns Theater nach vielen schonen Erfolgen der sogenannten Mustervorstellnngen am 31. März 1837 mit der Aufführung der Halmschen „Griseldis" ehrenvoll geschlossen wurde. Moritz Necker Gif Jahre im Balkan le Türkei liegt nicht mehr sür das Abendland hinten, weit, wie zu Goethes Zeit, und wenn jetzt die Völker dort auf einander schlagen, so wird dem deutschen Bürger bange um den Frieden. Zwar haftet den Vorgängen und Zuständen häufig etwas von der komischen Oper an; aber ob einem Könige, der zu Schiff gegangen ist, höflich angezeigt wird, man werde ihn in seinem Lande nicht wieder landen lassen, oder ob ein Hospodar im Bette seine Abdankung freiwillig unterzeichnen muß, oder ob eine Armee ihren Fürsten zur Abreise zwingt und ihn nach einigen Tagen unter allgemeinem Jubel wieder einholt, oder ob seinem Nachfolger die Gelder ausgehen, mit denen er ans die Treue seiner Unterthanen abonniren soll, oder ob ein Land das Glück genießt, gleichzeitig zwei Könige, eine widerspenstige Königin und eine Regentschaft zu besitzen: zum herzlichen Lachen bringt uns das alles nicht, weil wir dabei das Gefühl haben, daß Kinder in der Nähe einer Pulvertonne mit Zündhölzchen spielen. Mit den Ereignissen, die sich jetzt in wenige Jahre zusammendrängen, würde eine weniger rasch lebende Zeit ebenso viele Jahrzehnte ausgekommen sein, und bei Namen, die gestern auf jedermanns Lippen waren, reibt man sich heute schon die Stirn, um sich den Zusammenhang zwischen Namen, Personen und Ereignissen ins Gedächtnis zu rufen. Der — vorläufig — letzte russisch-türkische Krieg, die Beteiligung Serbiens an ihm, der Berliner Kongreß, wie fern ist uns das alles schon gerückt! Tscholak-Antitsch, Ranko Alimpitsch, Horvatovitsch, alle diese schwer auszu¬ sprechenden Namen waren uns einmal durch das Zeitungslesen geläufig ge¬ worden; jetzt wissen wir kaun, noch mit dem Namen Tschernajew eine Vvr- Greuzbotei, IV 1889 42

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/337>, abgerufen am 23.06.2024.