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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der Kaiser in Äambul und Athen

le folgende Betrachtung erscheint uns eilf notwendige Ergänzung
der Prüfung, der wir in voriger Woche die Friedeusfrnge unter¬
zogen, eine Frage, die, wenigstens in den Erörterungen der
Tagespresse, in jeder Woche ein andres Gesicht zeigt, oft auch
zu gleicher Stunde von dein einen so, von dem andern so be¬
antwortet wird und dort wie hier anscheinend mit gleich guten Gründen,
während doch immer mehr oder minder darauf das Sprichwort Anwendung
findet, daß der Wunsch der Vater des Gedankens, der Hoffnung oder der
Beunruhigung ist. Wir denken dabei vor allem an die bekannte That¬
sache, daß ein großer Teil der Presse ein Interesse daran hat, kriegerische
Wendungen willkommen zu heißen und Kriegsgerichte als begründet zu be¬
handeln, entweder weil die Zeitungen vom Interessanten, sensationellen, Un¬
gewöhnlichen leben und nichts allgemeiner interessirt als der Krieg, oder weil
die betreffende" Blätter im Besitze und Dienste von Spekulanten stehen, die
auf den Geldmärkten durch Fallen der Papiere große Gewinne in ihre Kassen
fließen sehen, weshalb ihre Organe sich von Zeit zu Zeit bemühen müssen,
die Lage der Dinge möglichst dunkel zu machen, politische Erscheinungen harm¬
loser Art als gefährlich und bedrohlich darzustellen und wirklich bedenkliche zu
übertreiben. Duzn kommt dann die Presse der Parteien, die durch einen Krieg
ihre Bestrebungen gefordert zu finden hoffen, in Deutschland z. B. die sozia¬
listische, die von einem großen Wirrsal Wasser auf ihre Mühle erwartet, und
die deutschfreisinnige, die es nicht ungern sehen würde, wenn die Friedenspolitik
des Reichskanzlers endlich scheiterte, in England die der Gladstouinner, die
einen Zusammenstoß mit dem Festlande mit Wohlgefallen begrüßen würde, da
er sich als Beweis für die Unfähigkeit des jetzigen Leiters der britischen ans-


Grenzbvten IV 1889 32


Der Kaiser in Äambul und Athen

le folgende Betrachtung erscheint uns eilf notwendige Ergänzung
der Prüfung, der wir in voriger Woche die Friedeusfrnge unter¬
zogen, eine Frage, die, wenigstens in den Erörterungen der
Tagespresse, in jeder Woche ein andres Gesicht zeigt, oft auch
zu gleicher Stunde von dein einen so, von dem andern so be¬
antwortet wird und dort wie hier anscheinend mit gleich guten Gründen,
während doch immer mehr oder minder darauf das Sprichwort Anwendung
findet, daß der Wunsch der Vater des Gedankens, der Hoffnung oder der
Beunruhigung ist. Wir denken dabei vor allem an die bekannte That¬
sache, daß ein großer Teil der Presse ein Interesse daran hat, kriegerische
Wendungen willkommen zu heißen und Kriegsgerichte als begründet zu be¬
handeln, entweder weil die Zeitungen vom Interessanten, sensationellen, Un¬
gewöhnlichen leben und nichts allgemeiner interessirt als der Krieg, oder weil
die betreffende» Blätter im Besitze und Dienste von Spekulanten stehen, die
auf den Geldmärkten durch Fallen der Papiere große Gewinne in ihre Kassen
fließen sehen, weshalb ihre Organe sich von Zeit zu Zeit bemühen müssen,
die Lage der Dinge möglichst dunkel zu machen, politische Erscheinungen harm¬
loser Art als gefährlich und bedrohlich darzustellen und wirklich bedenkliche zu
übertreiben. Duzn kommt dann die Presse der Parteien, die durch einen Krieg
ihre Bestrebungen gefordert zu finden hoffen, in Deutschland z. B. die sozia¬
listische, die von einem großen Wirrsal Wasser auf ihre Mühle erwartet, und
die deutschfreisinnige, die es nicht ungern sehen würde, wenn die Friedenspolitik
des Reichskanzlers endlich scheiterte, in England die der Gladstouinner, die
einen Zusammenstoß mit dem Festlande mit Wohlgefallen begrüßen würde, da
er sich als Beweis für die Unfähigkeit des jetzigen Leiters der britischen ans-


Grenzbvten IV 1889 32
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[0257] [Abbildung] Der Kaiser in Äambul und Athen le folgende Betrachtung erscheint uns eilf notwendige Ergänzung der Prüfung, der wir in voriger Woche die Friedeusfrnge unter¬ zogen, eine Frage, die, wenigstens in den Erörterungen der Tagespresse, in jeder Woche ein andres Gesicht zeigt, oft auch zu gleicher Stunde von dein einen so, von dem andern so be¬ antwortet wird und dort wie hier anscheinend mit gleich guten Gründen, während doch immer mehr oder minder darauf das Sprichwort Anwendung findet, daß der Wunsch der Vater des Gedankens, der Hoffnung oder der Beunruhigung ist. Wir denken dabei vor allem an die bekannte That¬ sache, daß ein großer Teil der Presse ein Interesse daran hat, kriegerische Wendungen willkommen zu heißen und Kriegsgerichte als begründet zu be¬ handeln, entweder weil die Zeitungen vom Interessanten, sensationellen, Un¬ gewöhnlichen leben und nichts allgemeiner interessirt als der Krieg, oder weil die betreffende» Blätter im Besitze und Dienste von Spekulanten stehen, die auf den Geldmärkten durch Fallen der Papiere große Gewinne in ihre Kassen fließen sehen, weshalb ihre Organe sich von Zeit zu Zeit bemühen müssen, die Lage der Dinge möglichst dunkel zu machen, politische Erscheinungen harm¬ loser Art als gefährlich und bedrohlich darzustellen und wirklich bedenkliche zu übertreiben. Duzn kommt dann die Presse der Parteien, die durch einen Krieg ihre Bestrebungen gefordert zu finden hoffen, in Deutschland z. B. die sozia¬ listische, die von einem großen Wirrsal Wasser auf ihre Mühle erwartet, und die deutschfreisinnige, die es nicht ungern sehen würde, wenn die Friedenspolitik des Reichskanzlers endlich scheiterte, in England die der Gladstouinner, die einen Zusammenstoß mit dem Festlande mit Wohlgefallen begrüßen würde, da er sich als Beweis für die Unfähigkeit des jetzigen Leiters der britischen ans- Grenzbvten IV 1889 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/257>, abgerufen am 23.06.2024.