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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Ans dem Leben des Kardinals Rauscher

wurde ihm verderblich; eine kaiserliche Kommission -- Reichsständen dieser Art
oft so lustig und so verhängnisvoll -- erschien in der Residenz Kpril zur Ver¬
steigerung des beweglichen Vermögens. Bald darauf wollte man wissen, der
Fürst sei, als Geistlicher verkleidet, in Belgien bei einem Versuche ertappt
worden, kaiserliche Soldaten in ihrer Treue wankend zu machen. Gegen Aus¬
gang des Jahres 1792 ging er nach Paris und ward, seinem fürstlichen
Stande entsagend, französischer Bürger. Sein auf dem linken Rheinufer ge¬
legenes Ländchen war damals von der französischen Invasion mit betroffen,
und der Fürst soll es nicht an Bemühungen haben fehlen lassen, die Bevölkerung
sür das zu ihnen gebrachte Heil zu gewinnen. Daß er tief in die Strudel
der Revolution hineingerissen worden ist, bezeugt sein Ende: er starb durch
die Guillotine in der großen Katastrophe des Thermidor 1794, in der
Robespierre seinen Untergang fand.

(Schluß folgt)




Aus dem Leben des Kardinals Rauscher

me der bedeutendsten Gestalten der österreichischen Geschichte
dieses Jahrhunderts ist unstreitig der 1875> verstorbene Erzbischof
von Wien, Josef Othmar Rauscher. Selbst im protestantischen
Deutschland, wo sein staatsmännisches und kirchliches Wirken
wenig Sympathien erwerben konnte, ließ mau ihm nach seinem
Tode volle Gerechtigkeit widerfahren, und liberale Blätter konnten den damals
mit ihrem Staat in voller Fehde lebenden preußischen Bischöfen den Wiener
Metropoliten als das Vorbild eines loyalen Patrioten preisen, er sei - so
meinten sie -- ein viel zu guter Österreicher gewesen, als daß er jemals eine
so staatsfeindliche Haltung hätte annehmen können wie sie.

Zum erstenmale liegt nun eine ausführliche Lebensbeschreibung dieses
Kirchenfürsten vor uns.^) Sie ist gewissenhaft gearbeitet, bringt ans hand¬
schriftlichen Aufzeichnungen und Briefen viel Unbekanntes und eine reiche
Auslese aus schon gedruckten Reden und Hirtenbriefen, auch ist sie lesbar ge¬
schrieben. Dessen ungeachtet wolle" wir hoffen, daß sie nicht die letzte bleibe.



*) Josef Othmar Kardinal Rauscher, Fürsterzbischof von Wien. Sein Leben
und sein Wirken. Von or. Cölestin WolfSgruber, Benedictiner zu den Schotten ni
Wien. Freiburg i. B. 1838. Herderschc Verlagshandlung.
Ans dem Leben des Kardinals Rauscher

wurde ihm verderblich; eine kaiserliche Kommission — Reichsständen dieser Art
oft so lustig und so verhängnisvoll — erschien in der Residenz Kpril zur Ver¬
steigerung des beweglichen Vermögens. Bald darauf wollte man wissen, der
Fürst sei, als Geistlicher verkleidet, in Belgien bei einem Versuche ertappt
worden, kaiserliche Soldaten in ihrer Treue wankend zu machen. Gegen Aus¬
gang des Jahres 1792 ging er nach Paris und ward, seinem fürstlichen
Stande entsagend, französischer Bürger. Sein auf dem linken Rheinufer ge¬
legenes Ländchen war damals von der französischen Invasion mit betroffen,
und der Fürst soll es nicht an Bemühungen haben fehlen lassen, die Bevölkerung
sür das zu ihnen gebrachte Heil zu gewinnen. Daß er tief in die Strudel
der Revolution hineingerissen worden ist, bezeugt sein Ende: er starb durch
die Guillotine in der großen Katastrophe des Thermidor 1794, in der
Robespierre seinen Untergang fand.

(Schluß folgt)




Aus dem Leben des Kardinals Rauscher

me der bedeutendsten Gestalten der österreichischen Geschichte
dieses Jahrhunderts ist unstreitig der 1875> verstorbene Erzbischof
von Wien, Josef Othmar Rauscher. Selbst im protestantischen
Deutschland, wo sein staatsmännisches und kirchliches Wirken
wenig Sympathien erwerben konnte, ließ mau ihm nach seinem
Tode volle Gerechtigkeit widerfahren, und liberale Blätter konnten den damals
mit ihrem Staat in voller Fehde lebenden preußischen Bischöfen den Wiener
Metropoliten als das Vorbild eines loyalen Patrioten preisen, er sei - so
meinten sie — ein viel zu guter Österreicher gewesen, als daß er jemals eine
so staatsfeindliche Haltung hätte annehmen können wie sie.

Zum erstenmale liegt nun eine ausführliche Lebensbeschreibung dieses
Kirchenfürsten vor uns.^) Sie ist gewissenhaft gearbeitet, bringt ans hand¬
schriftlichen Aufzeichnungen und Briefen viel Unbekanntes und eine reiche
Auslese aus schon gedruckten Reden und Hirtenbriefen, auch ist sie lesbar ge¬
schrieben. Dessen ungeachtet wolle» wir hoffen, daß sie nicht die letzte bleibe.



*) Josef Othmar Kardinal Rauscher, Fürsterzbischof von Wien. Sein Leben
und sein Wirken. Von or. Cölestin WolfSgruber, Benedictiner zu den Schotten ni
Wien. Freiburg i. B. 1838. Herderschc Verlagshandlung.
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[0070] Ans dem Leben des Kardinals Rauscher wurde ihm verderblich; eine kaiserliche Kommission — Reichsständen dieser Art oft so lustig und so verhängnisvoll — erschien in der Residenz Kpril zur Ver¬ steigerung des beweglichen Vermögens. Bald darauf wollte man wissen, der Fürst sei, als Geistlicher verkleidet, in Belgien bei einem Versuche ertappt worden, kaiserliche Soldaten in ihrer Treue wankend zu machen. Gegen Aus¬ gang des Jahres 1792 ging er nach Paris und ward, seinem fürstlichen Stande entsagend, französischer Bürger. Sein auf dem linken Rheinufer ge¬ legenes Ländchen war damals von der französischen Invasion mit betroffen, und der Fürst soll es nicht an Bemühungen haben fehlen lassen, die Bevölkerung sür das zu ihnen gebrachte Heil zu gewinnen. Daß er tief in die Strudel der Revolution hineingerissen worden ist, bezeugt sein Ende: er starb durch die Guillotine in der großen Katastrophe des Thermidor 1794, in der Robespierre seinen Untergang fand. (Schluß folgt) Aus dem Leben des Kardinals Rauscher me der bedeutendsten Gestalten der österreichischen Geschichte dieses Jahrhunderts ist unstreitig der 1875> verstorbene Erzbischof von Wien, Josef Othmar Rauscher. Selbst im protestantischen Deutschland, wo sein staatsmännisches und kirchliches Wirken wenig Sympathien erwerben konnte, ließ mau ihm nach seinem Tode volle Gerechtigkeit widerfahren, und liberale Blätter konnten den damals mit ihrem Staat in voller Fehde lebenden preußischen Bischöfen den Wiener Metropoliten als das Vorbild eines loyalen Patrioten preisen, er sei - so meinten sie — ein viel zu guter Österreicher gewesen, als daß er jemals eine so staatsfeindliche Haltung hätte annehmen können wie sie. Zum erstenmale liegt nun eine ausführliche Lebensbeschreibung dieses Kirchenfürsten vor uns.^) Sie ist gewissenhaft gearbeitet, bringt ans hand¬ schriftlichen Aufzeichnungen und Briefen viel Unbekanntes und eine reiche Auslese aus schon gedruckten Reden und Hirtenbriefen, auch ist sie lesbar ge¬ schrieben. Dessen ungeachtet wolle» wir hoffen, daß sie nicht die letzte bleibe. *) Josef Othmar Kardinal Rauscher, Fürsterzbischof von Wien. Sein Leben und sein Wirken. Von or. Cölestin WolfSgruber, Benedictiner zu den Schotten ni Wien. Freiburg i. B. 1838. Herderschc Verlagshandlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/70>, abgerufen am 05.02.2025.