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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Armee zu werfen, der sie schließlich allerdings numerisch überlegen sein würde.
3) Anfangs ist die Überlegenheit auf Seiten Österreichs, das rascher mobilisire"
und den Aufmarsch seiner Truppen bewerkstelligen kann. Benutze es, wie zu
erwarten ist, diesen Vorteil zu schnellstem Angriff, so wird es mit dessen Erfolgen
das spätere Übergewicht der Russen ausgleichen. 4) Nimmt Italien, seinen
nationalen Interessen entsprechend und zugleich den etwa den Zentralmächten
gegenüber übernommenen Verpflichtungen getreu, an dem Kriege Deutsch¬
lands mit Frankreich auf deutscher Seite thätigen Anteil, so entlastet es Deutsch¬
land im Westen und setzt es in den Stand, im Osten die Verteidigung auf¬
zugeben und mit Österreich angriffsweise vorzugehen. 5) Schließen sich
Rumänien und die Balknnstaaten Serbien und Bulgarien den Gegnern Ru߬
lands an, so ist eine Niederlage desselben ans seinem linken Flügel fast
unvermeidlich, während ein Beitritt der Türkei zu deu Verbündeten wenigstens
zur Folge haben würde, daß Rußland sein europäisches Heer nicht durch
Truppen aus Provinzen ergänzen und verstärken könnte, die an die asiatischen
Besitzungen der Pforte grenzen.




Zur Erklärung deutscher Revolutionssympathien
5790--5792
von lvoldeniar Iveilck (Fortsetzn"-,)

lus dem Gesagten wird uns nun auch verständlich sein, wie es
'gemeint ist, wenn wir in jenen Tagen vou der ungebundnen Frei¬
heit hören, deren sich die Freunde des neuen Heils gegenüber den
Abmahnenden und Warnenden erstellten. Auf der Seite der
erster", so hieß es, scheine eine ursprüngliche Kraft sich zu er¬
heben; das Geschäft der letztern scheine im Dämpfen und Einschränken zu
bestehen. Wie bei Besprechung von Grundsätzen, so auch bei Beurteilung von
Thatsächlichen mochte das hervortreten. Daß auf dem deutschen Boden Übel¬
stände in Menge vorhanden seien, konnte nicht geleugnet werden; ebensowenig,
daß gar manches von den ersten Eindrücken der französischen Revolution
der wahren AnMrung zu gute gekommen und wohlwollenden oder auch zag¬
haften Regierungen zum Anlaß volksfreuudlicher Maßregeln geworden wäre.


Armee zu werfen, der sie schließlich allerdings numerisch überlegen sein würde.
3) Anfangs ist die Überlegenheit auf Seiten Österreichs, das rascher mobilisire»
und den Aufmarsch seiner Truppen bewerkstelligen kann. Benutze es, wie zu
erwarten ist, diesen Vorteil zu schnellstem Angriff, so wird es mit dessen Erfolgen
das spätere Übergewicht der Russen ausgleichen. 4) Nimmt Italien, seinen
nationalen Interessen entsprechend und zugleich den etwa den Zentralmächten
gegenüber übernommenen Verpflichtungen getreu, an dem Kriege Deutsch¬
lands mit Frankreich auf deutscher Seite thätigen Anteil, so entlastet es Deutsch¬
land im Westen und setzt es in den Stand, im Osten die Verteidigung auf¬
zugeben und mit Österreich angriffsweise vorzugehen. 5) Schließen sich
Rumänien und die Balknnstaaten Serbien und Bulgarien den Gegnern Ru߬
lands an, so ist eine Niederlage desselben ans seinem linken Flügel fast
unvermeidlich, während ein Beitritt der Türkei zu deu Verbündeten wenigstens
zur Folge haben würde, daß Rußland sein europäisches Heer nicht durch
Truppen aus Provinzen ergänzen und verstärken könnte, die an die asiatischen
Besitzungen der Pforte grenzen.




Zur Erklärung deutscher Revolutionssympathien
5790—5792
von lvoldeniar Iveilck (Fortsetzn»-,)

lus dem Gesagten wird uns nun auch verständlich sein, wie es
'gemeint ist, wenn wir in jenen Tagen vou der ungebundnen Frei¬
heit hören, deren sich die Freunde des neuen Heils gegenüber den
Abmahnenden und Warnenden erstellten. Auf der Seite der
erster», so hieß es, scheine eine ursprüngliche Kraft sich zu er¬
heben; das Geschäft der letztern scheine im Dämpfen und Einschränken zu
bestehen. Wie bei Besprechung von Grundsätzen, so auch bei Beurteilung von
Thatsächlichen mochte das hervortreten. Daß auf dem deutschen Boden Übel¬
stände in Menge vorhanden seien, konnte nicht geleugnet werden; ebensowenig,
daß gar manches von den ersten Eindrücken der französischen Revolution
der wahren AnMrung zu gute gekommen und wohlwollenden oder auch zag¬
haften Regierungen zum Anlaß volksfreuudlicher Maßregeln geworden wäre.


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[0064] Armee zu werfen, der sie schließlich allerdings numerisch überlegen sein würde. 3) Anfangs ist die Überlegenheit auf Seiten Österreichs, das rascher mobilisire» und den Aufmarsch seiner Truppen bewerkstelligen kann. Benutze es, wie zu erwarten ist, diesen Vorteil zu schnellstem Angriff, so wird es mit dessen Erfolgen das spätere Übergewicht der Russen ausgleichen. 4) Nimmt Italien, seinen nationalen Interessen entsprechend und zugleich den etwa den Zentralmächten gegenüber übernommenen Verpflichtungen getreu, an dem Kriege Deutsch¬ lands mit Frankreich auf deutscher Seite thätigen Anteil, so entlastet es Deutsch¬ land im Westen und setzt es in den Stand, im Osten die Verteidigung auf¬ zugeben und mit Österreich angriffsweise vorzugehen. 5) Schließen sich Rumänien und die Balknnstaaten Serbien und Bulgarien den Gegnern Ru߬ lands an, so ist eine Niederlage desselben ans seinem linken Flügel fast unvermeidlich, während ein Beitritt der Türkei zu deu Verbündeten wenigstens zur Folge haben würde, daß Rußland sein europäisches Heer nicht durch Truppen aus Provinzen ergänzen und verstärken könnte, die an die asiatischen Besitzungen der Pforte grenzen. Zur Erklärung deutscher Revolutionssympathien 5790—5792 von lvoldeniar Iveilck (Fortsetzn»-,) lus dem Gesagten wird uns nun auch verständlich sein, wie es 'gemeint ist, wenn wir in jenen Tagen vou der ungebundnen Frei¬ heit hören, deren sich die Freunde des neuen Heils gegenüber den Abmahnenden und Warnenden erstellten. Auf der Seite der erster», so hieß es, scheine eine ursprüngliche Kraft sich zu er¬ heben; das Geschäft der letztern scheine im Dämpfen und Einschränken zu bestehen. Wie bei Besprechung von Grundsätzen, so auch bei Beurteilung von Thatsächlichen mochte das hervortreten. Daß auf dem deutschen Boden Übel¬ stände in Menge vorhanden seien, konnte nicht geleugnet werden; ebensowenig, daß gar manches von den ersten Eindrücken der französischen Revolution der wahren AnMrung zu gute gekommen und wohlwollenden oder auch zag¬ haften Regierungen zum Anlaß volksfreuudlicher Maßregeln geworden wäre.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/64>, abgerufen am 05.02.2025.