Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Militärisch-politische Blicke nach Osten

^MWU"
"!ann der Kriege den wir in den drei vorhergehenden Aufsätze"
Mes seinen Bedingungen besprochen haben, zum Ausbruch kommen
wird? Es sieht gegenwärtig sehr friedlich aus, und es ist möglich,
daß es noch geraume Zeit so bleibt. Schwer glaublich aber ist
es, daß dies über deu Zeitpunkt hinaus dauert, wo Frankreich
und Rußland ihre Organisationen und Rüstungen für einen gemeinsam zu
unternehmenden Angriff auf die mitteleuropäischen Friedensmächte so weit
vollendet haben, daß sie des Erfolges sicher zu sein glauben. Wie werden
sich dann die Dinge im Osten gestalten? Ehe wir diese zweite Frage zu be¬
antworten versuchen, sei noch eines Punktes gedacht, der Anlaß zu Besorgnissen
gegeben hat, und der von vornherein als nicht sehr gefährlich zu bezeichnen,
also bei unsrer Berechnung nur beiläufig eiuigermnßen zu berücksichtigen ist.
Man hat behauptet, die uicht fern von der galizischen Grenze aufgestellte
russische Kavallerie werde sofort nach Ausbruch des Krieges das Land über¬
schwemmen, die Mobilisirung stören, Eisenbahnverbindungen unterbrechen, kleine
Garnisonen überrumpeln, Transporte aufheben und Kontributionen eintreiben.
Betrachten wir aber die Sache näher, so erscheint sie nicht so bedenklich. An
der österreichischen Grenze stehen 3'/z Divisionen russischer Kavallerie mit
84 Schwadrotten, und zwar nur 35 bis 60 Kilometer davon entfernt, während
die in den Militärbezirken Warschau, Lomza, Wloelawek, Ludim und Kissinew
befindlichen 130 Schwadronen 200 bis 300, die in Jelisawetgrad stehenden 24
gar 500 Kilometer bis zur Grenze zurückzulegen haben. Jenseits derselben,
in Österreich, stehen in Galizien und der Bukowina 9 Regimenter, zusammen
54, in Oberungarn, dann bei Neuhäusel, Preßburg, Wien, Brünn und Proßnitz


GrcuzboU'ii II 1839 7


Militärisch-politische Blicke nach Osten

^MWU»
«!ann der Kriege den wir in den drei vorhergehenden Aufsätze»
Mes seinen Bedingungen besprochen haben, zum Ausbruch kommen
wird? Es sieht gegenwärtig sehr friedlich aus, und es ist möglich,
daß es noch geraume Zeit so bleibt. Schwer glaublich aber ist
es, daß dies über deu Zeitpunkt hinaus dauert, wo Frankreich
und Rußland ihre Organisationen und Rüstungen für einen gemeinsam zu
unternehmenden Angriff auf die mitteleuropäischen Friedensmächte so weit
vollendet haben, daß sie des Erfolges sicher zu sein glauben. Wie werden
sich dann die Dinge im Osten gestalten? Ehe wir diese zweite Frage zu be¬
antworten versuchen, sei noch eines Punktes gedacht, der Anlaß zu Besorgnissen
gegeben hat, und der von vornherein als nicht sehr gefährlich zu bezeichnen,
also bei unsrer Berechnung nur beiläufig eiuigermnßen zu berücksichtigen ist.
Man hat behauptet, die uicht fern von der galizischen Grenze aufgestellte
russische Kavallerie werde sofort nach Ausbruch des Krieges das Land über¬
schwemmen, die Mobilisirung stören, Eisenbahnverbindungen unterbrechen, kleine
Garnisonen überrumpeln, Transporte aufheben und Kontributionen eintreiben.
Betrachten wir aber die Sache näher, so erscheint sie nicht so bedenklich. An
der österreichischen Grenze stehen 3'/z Divisionen russischer Kavallerie mit
84 Schwadrotten, und zwar nur 35 bis 60 Kilometer davon entfernt, während
die in den Militärbezirken Warschau, Lomza, Wloelawek, Ludim und Kissinew
befindlichen 130 Schwadronen 200 bis 300, die in Jelisawetgrad stehenden 24
gar 500 Kilometer bis zur Grenze zurückzulegen haben. Jenseits derselben,
in Österreich, stehen in Galizien und der Bukowina 9 Regimenter, zusammen
54, in Oberungarn, dann bei Neuhäusel, Preßburg, Wien, Brünn und Proßnitz


GrcuzboU'ii II 1839 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204788"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341849_204730/figures/grenzboten_341849_204730_204788_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Militärisch-politische Blicke nach Osten</head><lb/>
          <p xml:id="ID_139" next="#ID_140"> ^MWU»<lb/>
«!ann der Kriege den wir in den drei vorhergehenden Aufsätze»<lb/>
Mes seinen Bedingungen besprochen haben, zum Ausbruch kommen<lb/>
wird? Es sieht gegenwärtig sehr friedlich aus, und es ist möglich,<lb/>
daß es noch geraume Zeit so bleibt. Schwer glaublich aber ist<lb/>
es, daß dies über deu Zeitpunkt hinaus dauert, wo Frankreich<lb/>
und Rußland ihre Organisationen und Rüstungen für einen gemeinsam zu<lb/>
unternehmenden Angriff auf die mitteleuropäischen Friedensmächte so weit<lb/>
vollendet haben, daß sie des Erfolges sicher zu sein glauben. Wie werden<lb/>
sich dann die Dinge im Osten gestalten? Ehe wir diese zweite Frage zu be¬<lb/>
antworten versuchen, sei noch eines Punktes gedacht, der Anlaß zu Besorgnissen<lb/>
gegeben hat, und der von vornherein als nicht sehr gefährlich zu bezeichnen,<lb/>
also bei unsrer Berechnung nur beiläufig eiuigermnßen zu berücksichtigen ist.<lb/>
Man hat behauptet, die uicht fern von der galizischen Grenze aufgestellte<lb/>
russische Kavallerie werde sofort nach Ausbruch des Krieges das Land über¬<lb/>
schwemmen, die Mobilisirung stören, Eisenbahnverbindungen unterbrechen, kleine<lb/>
Garnisonen überrumpeln, Transporte aufheben und Kontributionen eintreiben.<lb/>
Betrachten wir aber die Sache näher, so erscheint sie nicht so bedenklich. An<lb/>
der österreichischen Grenze stehen 3'/z Divisionen russischer Kavallerie mit<lb/>
84 Schwadrotten, und zwar nur 35 bis 60 Kilometer davon entfernt, während<lb/>
die in den Militärbezirken Warschau, Lomza, Wloelawek, Ludim und Kissinew<lb/>
befindlichen 130 Schwadronen 200 bis 300, die in Jelisawetgrad stehenden 24<lb/>
gar 500 Kilometer bis zur Grenze zurückzulegen haben. Jenseits derselben,<lb/>
in Österreich, stehen in Galizien und der Bukowina 9 Regimenter, zusammen<lb/>
54, in Oberungarn, dann bei Neuhäusel, Preßburg, Wien, Brünn und Proßnitz</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrcuzboU'ii II 1839 7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] [Abbildung] Militärisch-politische Blicke nach Osten ^MWU» «!ann der Kriege den wir in den drei vorhergehenden Aufsätze» Mes seinen Bedingungen besprochen haben, zum Ausbruch kommen wird? Es sieht gegenwärtig sehr friedlich aus, und es ist möglich, daß es noch geraume Zeit so bleibt. Schwer glaublich aber ist es, daß dies über deu Zeitpunkt hinaus dauert, wo Frankreich und Rußland ihre Organisationen und Rüstungen für einen gemeinsam zu unternehmenden Angriff auf die mitteleuropäischen Friedensmächte so weit vollendet haben, daß sie des Erfolges sicher zu sein glauben. Wie werden sich dann die Dinge im Osten gestalten? Ehe wir diese zweite Frage zu be¬ antworten versuchen, sei noch eines Punktes gedacht, der Anlaß zu Besorgnissen gegeben hat, und der von vornherein als nicht sehr gefährlich zu bezeichnen, also bei unsrer Berechnung nur beiläufig eiuigermnßen zu berücksichtigen ist. Man hat behauptet, die uicht fern von der galizischen Grenze aufgestellte russische Kavallerie werde sofort nach Ausbruch des Krieges das Land über¬ schwemmen, die Mobilisirung stören, Eisenbahnverbindungen unterbrechen, kleine Garnisonen überrumpeln, Transporte aufheben und Kontributionen eintreiben. Betrachten wir aber die Sache näher, so erscheint sie nicht so bedenklich. An der österreichischen Grenze stehen 3'/z Divisionen russischer Kavallerie mit 84 Schwadrotten, und zwar nur 35 bis 60 Kilometer davon entfernt, während die in den Militärbezirken Warschau, Lomza, Wloelawek, Ludim und Kissinew befindlichen 130 Schwadronen 200 bis 300, die in Jelisawetgrad stehenden 24 gar 500 Kilometer bis zur Grenze zurückzulegen haben. Jenseits derselben, in Österreich, stehen in Galizien und der Bukowina 9 Regimenter, zusammen 54, in Oberungarn, dann bei Neuhäusel, Preßburg, Wien, Brünn und Proßnitz GrcuzboU'ii II 1839 7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/57
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/57>, abgerufen am 05.02.2025.