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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

sind, wo eine lebendige Teilnahme aller Staatsangehörigen an den Swapgeschäften
nicht stattfand, und wo der Dienst des Beamten und zwar jeder einzelnen Art
von ihnen etwas abgeschlossenes für sich war und daher gleichsam wie eine Zunft
eine gesicherte Erwerbsmöglichkeit darbot.




Litteratur

Trutz- und Schutzbüchlein der Deutschen in Oesterreich. Zeitgedichte, gesammelt und
herausgegeben von Gustav Pawikowski und Adam Müller-Guttenbrunn. Leipzig,
Liebcskind, 1388

Die Deutschen Oesterreichs sind doch nicht so widerstandslos und träge, wie
sie sich Eduard von Hartmann in seinem Artikel über sie vorgestellt hat. Es
wäre auch -- trotz des großen Ethikcrs des Unbewußten -- eine Nichtswürdig¬
keit, wenn sie sich von der slawischen Hochflut wehrlos wegschlemmen ließen. In
den letzten Jahren hat die nationale Bewegung in Oesterreich eine früher unge¬
ahnte Macht und Tiefe erreicht; sogar die Wiener offiziösen Zeitungen müssen sich
deutschnational gebärden, um nicht in der Öffentlichkeit Anstoß zu erregen. Ge¬
rade die slawische Herrschaft hat das deutsche Nationalgefühl in Oesterreich gestärkt;
in der Not wurde sich der Träumer Michel seiner selbst bewußt. Ein Spiegel
dieses Umschwungs ist das "Trutz- und Schutzbüchlcin," dessen Gedichte zum über¬
wiegenden Teile von österreichischen Dichtern stammen, die von den Ufern des
Bodensees bis zu den Wäldern der Ostkarpathen zerstreut wohnen. Jede Zeit
erzeugt ihre eigne Poesie; das politische Lied gilt nicht mehr in t^rannos; Volk
und Herrscher stehen sich nicht mehr als Gegner gegenüber, sondern als gemeinsame
Arbeiter an derselben Aufgabe. Aber die Nationen stehen sich vielfach geharnischt
gegenüber, und so entsteht eine nationale Poesie. Müller-Guttenbrunn und Pawi¬
kowski haben sich in der Wahl der Gedichte übrigens sehr kritisch bewiesen; ein¬
zelne Gedichte sind in Wahrheit merkwürdige geschichtliche Denkblätter, wie z. B.
Konstantin von Wurzbachs Gedicht "An Fürst Bismarck" (6. Februar 1888), das
in dem eignen Geständnis der Umwandlung des altösterreichischen Hasses in Liebe zum
eisernen Kanzler nur ausführt, was tausende seiner Landsleute erfahren haben.
Das Buch mit seiner prächtigen Vorrede aus Müllers kräftiger Feder sei bestens
empfohlen.





Auf Seite 63 dieses Heftes, Zeile 10 von unten muß es heißen naturrechtlichen
statt naturwissenschaftlichen; auf Seite 64, Zeile 10 von oben Hütteldorf statt Hnttclsdorf.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Berlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

sind, wo eine lebendige Teilnahme aller Staatsangehörigen an den Swapgeschäften
nicht stattfand, und wo der Dienst des Beamten und zwar jeder einzelnen Art
von ihnen etwas abgeschlossenes für sich war und daher gleichsam wie eine Zunft
eine gesicherte Erwerbsmöglichkeit darbot.




Litteratur

Trutz- und Schutzbüchlein der Deutschen in Oesterreich. Zeitgedichte, gesammelt und
herausgegeben von Gustav Pawikowski und Adam Müller-Guttenbrunn. Leipzig,
Liebcskind, 1388

Die Deutschen Oesterreichs sind doch nicht so widerstandslos und träge, wie
sie sich Eduard von Hartmann in seinem Artikel über sie vorgestellt hat. Es
wäre auch — trotz des großen Ethikcrs des Unbewußten — eine Nichtswürdig¬
keit, wenn sie sich von der slawischen Hochflut wehrlos wegschlemmen ließen. In
den letzten Jahren hat die nationale Bewegung in Oesterreich eine früher unge¬
ahnte Macht und Tiefe erreicht; sogar die Wiener offiziösen Zeitungen müssen sich
deutschnational gebärden, um nicht in der Öffentlichkeit Anstoß zu erregen. Ge¬
rade die slawische Herrschaft hat das deutsche Nationalgefühl in Oesterreich gestärkt;
in der Not wurde sich der Träumer Michel seiner selbst bewußt. Ein Spiegel
dieses Umschwungs ist das „Trutz- und Schutzbüchlcin," dessen Gedichte zum über¬
wiegenden Teile von österreichischen Dichtern stammen, die von den Ufern des
Bodensees bis zu den Wäldern der Ostkarpathen zerstreut wohnen. Jede Zeit
erzeugt ihre eigne Poesie; das politische Lied gilt nicht mehr in t^rannos; Volk
und Herrscher stehen sich nicht mehr als Gegner gegenüber, sondern als gemeinsame
Arbeiter an derselben Aufgabe. Aber die Nationen stehen sich vielfach geharnischt
gegenüber, und so entsteht eine nationale Poesie. Müller-Guttenbrunn und Pawi¬
kowski haben sich in der Wahl der Gedichte übrigens sehr kritisch bewiesen; ein¬
zelne Gedichte sind in Wahrheit merkwürdige geschichtliche Denkblätter, wie z. B.
Konstantin von Wurzbachs Gedicht „An Fürst Bismarck" (6. Februar 1888), das
in dem eignen Geständnis der Umwandlung des altösterreichischen Hasses in Liebe zum
eisernen Kanzler nur ausführt, was tausende seiner Landsleute erfahren haben.
Das Buch mit seiner prächtigen Vorrede aus Müllers kräftiger Feder sei bestens
empfohlen.





Auf Seite 63 dieses Heftes, Zeile 10 von unten muß es heißen naturrechtlichen
statt naturwissenschaftlichen; auf Seite 64, Zeile 10 von oben Hütteldorf statt Hnttclsdorf.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Berlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0104] Litteratur sind, wo eine lebendige Teilnahme aller Staatsangehörigen an den Swapgeschäften nicht stattfand, und wo der Dienst des Beamten und zwar jeder einzelnen Art von ihnen etwas abgeschlossenes für sich war und daher gleichsam wie eine Zunft eine gesicherte Erwerbsmöglichkeit darbot. Litteratur Trutz- und Schutzbüchlein der Deutschen in Oesterreich. Zeitgedichte, gesammelt und herausgegeben von Gustav Pawikowski und Adam Müller-Guttenbrunn. Leipzig, Liebcskind, 1388 Die Deutschen Oesterreichs sind doch nicht so widerstandslos und träge, wie sie sich Eduard von Hartmann in seinem Artikel über sie vorgestellt hat. Es wäre auch — trotz des großen Ethikcrs des Unbewußten — eine Nichtswürdig¬ keit, wenn sie sich von der slawischen Hochflut wehrlos wegschlemmen ließen. In den letzten Jahren hat die nationale Bewegung in Oesterreich eine früher unge¬ ahnte Macht und Tiefe erreicht; sogar die Wiener offiziösen Zeitungen müssen sich deutschnational gebärden, um nicht in der Öffentlichkeit Anstoß zu erregen. Ge¬ rade die slawische Herrschaft hat das deutsche Nationalgefühl in Oesterreich gestärkt; in der Not wurde sich der Träumer Michel seiner selbst bewußt. Ein Spiegel dieses Umschwungs ist das „Trutz- und Schutzbüchlcin," dessen Gedichte zum über¬ wiegenden Teile von österreichischen Dichtern stammen, die von den Ufern des Bodensees bis zu den Wäldern der Ostkarpathen zerstreut wohnen. Jede Zeit erzeugt ihre eigne Poesie; das politische Lied gilt nicht mehr in t^rannos; Volk und Herrscher stehen sich nicht mehr als Gegner gegenüber, sondern als gemeinsame Arbeiter an derselben Aufgabe. Aber die Nationen stehen sich vielfach geharnischt gegenüber, und so entsteht eine nationale Poesie. Müller-Guttenbrunn und Pawi¬ kowski haben sich in der Wahl der Gedichte übrigens sehr kritisch bewiesen; ein¬ zelne Gedichte sind in Wahrheit merkwürdige geschichtliche Denkblätter, wie z. B. Konstantin von Wurzbachs Gedicht „An Fürst Bismarck" (6. Februar 1888), das in dem eignen Geständnis der Umwandlung des altösterreichischen Hasses in Liebe zum eisernen Kanzler nur ausführt, was tausende seiner Landsleute erfahren haben. Das Buch mit seiner prächtigen Vorrede aus Müllers kräftiger Feder sei bestens empfohlen. Auf Seite 63 dieses Heftes, Zeile 10 von unten muß es heißen naturrechtlichen statt naturwissenschaftlichen; auf Seite 64, Zeile 10 von oben Hütteldorf statt Hnttclsdorf. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Berlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/104>, abgerufen am 05.02.2025.