Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Eins reizt unsre besondere Aufmerksamkeit: der Gedanke einer deutschen
Hnndelsvereiuiguug, eine Idee, die, soviel ich weiß, zum erstenmale auf dein
Nürnberger Reichstage von 1523 gefaßt worden ist. Um die Finanzkraft des
Reiches zu stärken, ging man damals mit der Absicht um , ganz Deutschland
nut Grenzzöllen zu umziehen. Schließlich kann man aber über den hoffnungs-
bvllen Anlauf nicht hinaus. Mit scharfen, staatsmännischem Blick hat Leibniz
gesehen, worin die Ohnmacht Deutschlands beruhte, und wie dem Schaden
abzuhelfen sei. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts tauchte derselbe Plan
wieder einmal auf und wurde als etwas Utopisches verlacht. Da war es der
Preußische Staat, von dem das Heil Deutschlands ausging, indem zuerst preußische
Beamte, Maaßen und Motz, das Zvllgesetz und die Zollverwaltung erdachten
"ud zugleich für unsre politische Neugestaltung verwerteten. Daß dies von
Preußen geschehen würde, auch das hat Leibniz geahnt. Gerade auf den
brandenburgischen Staat hat er die Hoffnung gegründet, daß durch diesen, da
er ein fest geschlossenes und mächtiges Ganze bildete, seine volkswirtschaftlichen
^la'ne ausgeführt werden könnten, was in vollkommener Weise doch nur durch
eme vollständige politische Umwälzung möglich war.

Eine so vorausschauende Einsicht nötigt uns die größte Bewunderung für
leibniz als Staatsmann ab. Denn als solchen schützen nur nicht nur deu,
der das augenblicklich Erreichbare findet, sondern auch den, der uns unter
gegebenen Verhältnissen den Grundriß zeichnet, auf dem sich einst ein Gebäude
erheben wird.




Goethe- und Schillerhetzer
(Schluß)

s ist nicht etwa der grundsätzliche Standpunkt Baumgartners,
auf den wir zielen. Ein solcher ist auch Goethe, dem Allver¬
söhner, gegenüber möglich, in mancher Hinsicht sogar angebracht,
und wo er sich als solcher ehrlich herausstellt, sind wir die
letzten, die ihn bekämpfen. Wir bekämpfen nur die geschickt
gedeckten Übergriffe auf Gebiete, die mit jenem Standpunkte garnichts zu
rhun haben, und deren Zweck, ihre leise Hineinziehung in einen despotischen In¬
dessen- und Machtkreis. Wir bekämpfen jene unredliche Spiegelfechterei, die
UM Stöße gegen eine selbsterzeugte Luftgestalt richtet, um sie dann nach Herzens¬
lust zu durchbohren, jene feige Angriffsweise, die sich selber sicher stellt, indem
-


Guttzbowr I 1889 10

Eins reizt unsre besondere Aufmerksamkeit: der Gedanke einer deutschen
Hnndelsvereiuiguug, eine Idee, die, soviel ich weiß, zum erstenmale auf dein
Nürnberger Reichstage von 1523 gefaßt worden ist. Um die Finanzkraft des
Reiches zu stärken, ging man damals mit der Absicht um , ganz Deutschland
nut Grenzzöllen zu umziehen. Schließlich kann man aber über den hoffnungs-
bvllen Anlauf nicht hinaus. Mit scharfen, staatsmännischem Blick hat Leibniz
gesehen, worin die Ohnmacht Deutschlands beruhte, und wie dem Schaden
abzuhelfen sei. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts tauchte derselbe Plan
wieder einmal auf und wurde als etwas Utopisches verlacht. Da war es der
Preußische Staat, von dem das Heil Deutschlands ausging, indem zuerst preußische
Beamte, Maaßen und Motz, das Zvllgesetz und die Zollverwaltung erdachten
"ud zugleich für unsre politische Neugestaltung verwerteten. Daß dies von
Preußen geschehen würde, auch das hat Leibniz geahnt. Gerade auf den
brandenburgischen Staat hat er die Hoffnung gegründet, daß durch diesen, da
er ein fest geschlossenes und mächtiges Ganze bildete, seine volkswirtschaftlichen
^la'ne ausgeführt werden könnten, was in vollkommener Weise doch nur durch
eme vollständige politische Umwälzung möglich war.

Eine so vorausschauende Einsicht nötigt uns die größte Bewunderung für
leibniz als Staatsmann ab. Denn als solchen schützen nur nicht nur deu,
der das augenblicklich Erreichbare findet, sondern auch den, der uns unter
gegebenen Verhältnissen den Grundriß zeichnet, auf dem sich einst ein Gebäude
erheben wird.




Goethe- und Schillerhetzer
(Schluß)

s ist nicht etwa der grundsätzliche Standpunkt Baumgartners,
auf den wir zielen. Ein solcher ist auch Goethe, dem Allver¬
söhner, gegenüber möglich, in mancher Hinsicht sogar angebracht,
und wo er sich als solcher ehrlich herausstellt, sind wir die
letzten, die ihn bekämpfen. Wir bekämpfen nur die geschickt
gedeckten Übergriffe auf Gebiete, die mit jenem Standpunkte garnichts zu
rhun haben, und deren Zweck, ihre leise Hineinziehung in einen despotischen In¬
dessen- und Machtkreis. Wir bekämpfen jene unredliche Spiegelfechterei, die
UM Stöße gegen eine selbsterzeugte Luftgestalt richtet, um sie dann nach Herzens¬
lust zu durchbohren, jene feige Angriffsweise, die sich selber sicher stellt, indem
-


Guttzbowr I 1889 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204170"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_269"> Eins reizt unsre besondere Aufmerksamkeit: der Gedanke einer deutschen<lb/>
Hnndelsvereiuiguug, eine Idee, die, soviel ich weiß, zum erstenmale auf dein<lb/>
Nürnberger Reichstage von 1523 gefaßt worden ist. Um die Finanzkraft des<lb/>
Reiches zu stärken, ging man damals mit der Absicht um , ganz Deutschland<lb/>
nut Grenzzöllen zu umziehen. Schließlich kann man aber über den hoffnungs-<lb/>
bvllen Anlauf nicht hinaus. Mit scharfen, staatsmännischem Blick hat Leibniz<lb/>
gesehen, worin die Ohnmacht Deutschlands beruhte, und wie dem Schaden<lb/>
abzuhelfen sei. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts tauchte derselbe Plan<lb/>
wieder einmal auf und wurde als etwas Utopisches verlacht. Da war es der<lb/>
Preußische Staat, von dem das Heil Deutschlands ausging, indem zuerst preußische<lb/>
Beamte, Maaßen und Motz, das Zvllgesetz und die Zollverwaltung erdachten<lb/>
"ud zugleich für unsre politische Neugestaltung verwerteten. Daß dies von<lb/>
Preußen geschehen würde, auch das hat Leibniz geahnt. Gerade auf den<lb/>
brandenburgischen Staat hat er die Hoffnung gegründet, daß durch diesen, da<lb/>
er ein fest geschlossenes und mächtiges Ganze bildete, seine volkswirtschaftlichen<lb/>
^la'ne ausgeführt werden könnten, was in vollkommener Weise doch nur durch<lb/>
eme vollständige politische Umwälzung möglich war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_270"> Eine so vorausschauende Einsicht nötigt uns die größte Bewunderung für<lb/>
leibniz als Staatsmann ab. Denn als solchen schützen nur nicht nur deu,<lb/>
der das augenblicklich Erreichbare findet, sondern auch den, der uns unter<lb/>
gegebenen Verhältnissen den Grundriß zeichnet, auf dem sich einst ein Gebäude<lb/>
erheben wird.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Goethe- und Schillerhetzer<lb/>
(Schluß) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_271" next="#ID_272"> s ist nicht etwa der grundsätzliche Standpunkt Baumgartners,<lb/>
auf den wir zielen. Ein solcher ist auch Goethe, dem Allver¬<lb/>
söhner, gegenüber möglich, in mancher Hinsicht sogar angebracht,<lb/>
und wo er sich als solcher ehrlich herausstellt, sind wir die<lb/>
letzten, die ihn bekämpfen. Wir bekämpfen nur die geschickt<lb/>
gedeckten Übergriffe auf Gebiete, die mit jenem Standpunkte garnichts zu<lb/>
rhun haben, und deren Zweck, ihre leise Hineinziehung in einen despotischen In¬<lb/>
dessen- und Machtkreis. Wir bekämpfen jene unredliche Spiegelfechterei, die<lb/>
UM Stöße gegen eine selbsterzeugte Luftgestalt richtet, um sie dann nach Herzens¬<lb/>
lust zu durchbohren, jene feige Angriffsweise, die sich selber sicher stellt, indem<lb/>
-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Guttzbowr I  1889 10</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] Eins reizt unsre besondere Aufmerksamkeit: der Gedanke einer deutschen Hnndelsvereiuiguug, eine Idee, die, soviel ich weiß, zum erstenmale auf dein Nürnberger Reichstage von 1523 gefaßt worden ist. Um die Finanzkraft des Reiches zu stärken, ging man damals mit der Absicht um , ganz Deutschland nut Grenzzöllen zu umziehen. Schließlich kann man aber über den hoffnungs- bvllen Anlauf nicht hinaus. Mit scharfen, staatsmännischem Blick hat Leibniz gesehen, worin die Ohnmacht Deutschlands beruhte, und wie dem Schaden abzuhelfen sei. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts tauchte derselbe Plan wieder einmal auf und wurde als etwas Utopisches verlacht. Da war es der Preußische Staat, von dem das Heil Deutschlands ausging, indem zuerst preußische Beamte, Maaßen und Motz, das Zvllgesetz und die Zollverwaltung erdachten "ud zugleich für unsre politische Neugestaltung verwerteten. Daß dies von Preußen geschehen würde, auch das hat Leibniz geahnt. Gerade auf den brandenburgischen Staat hat er die Hoffnung gegründet, daß durch diesen, da er ein fest geschlossenes und mächtiges Ganze bildete, seine volkswirtschaftlichen ^la'ne ausgeführt werden könnten, was in vollkommener Weise doch nur durch eme vollständige politische Umwälzung möglich war. Eine so vorausschauende Einsicht nötigt uns die größte Bewunderung für leibniz als Staatsmann ab. Denn als solchen schützen nur nicht nur deu, der das augenblicklich Erreichbare findet, sondern auch den, der uns unter gegebenen Verhältnissen den Grundriß zeichnet, auf dem sich einst ein Gebäude erheben wird. Goethe- und Schillerhetzer (Schluß) s ist nicht etwa der grundsätzliche Standpunkt Baumgartners, auf den wir zielen. Ein solcher ist auch Goethe, dem Allver¬ söhner, gegenüber möglich, in mancher Hinsicht sogar angebracht, und wo er sich als solcher ehrlich herausstellt, sind wir die letzten, die ihn bekämpfen. Wir bekämpfen nur die geschickt gedeckten Übergriffe auf Gebiete, die mit jenem Standpunkte garnichts zu rhun haben, und deren Zweck, ihre leise Hineinziehung in einen despotischen In¬ dessen- und Machtkreis. Wir bekämpfen jene unredliche Spiegelfechterei, die UM Stöße gegen eine selbsterzeugte Luftgestalt richtet, um sie dann nach Herzens¬ lust zu durchbohren, jene feige Angriffsweise, die sich selber sicher stellt, indem - Guttzbowr I 1889 10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/81>, abgerufen am 28.06.2024.