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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Anfänge des Papsttums.
von z. v. Pflugk-Harttung.

le alte Hauptstadt Rom, die dem Reiche seinen Namen ver¬
liehen hat, besaß ein natürliches Recht auf Herrschaft, auf
weltliche, so lange das Staatswesen vorwaltete, auf geistliche, als
dieses zerfiel, als die Kirche zum Mittelpunkte des Lebens wurde
und die Einheit von Kultur und Gesittung darstellte. Weltliche
und geistliche Überlieferung wirkten zusammen, denn Rom galt nicht nur als
Stadt des Romulus und Remus, sondern ebenso als erster Apostelsitz, geheiligt
durch den Martertod des Petrus und Paulus,

Nicht hoch genug ist die Bedeutung des Ortes für die Entwicklung der
geistlichen Oberhirten anzuschlagen. Nachdem der Zauber seiner Weltstellung
erloschen und der altehrwürdige Senat zu einer Gesellschaft biederer Stadt¬
räte hinabgesunken war, blieb Rom doch immer noch ideeller und geographischer
Mittelpunkt Italiens, eine der volkreichsten Gemeinden, prangend im bau-
künstlerischen Schmuck einer vergangenen Größe, die durch das Ruinenhafte und
durch christliche Umdeutung nur umso ehrwürdiger erschien. Nirgends trat
das Nömertum, das allmählich mit der Rechtgläubigkeit zusammenzufallen begann,
überwältigender zu Tage. Hier thronte die kaiserliche Gewalt oder hatte hier
gethront, stummberedt klang rings die Erinnerung, nach Rom kamen die reg¬
samsten Köpfe, und wer etwas zu genieinsamer Kenntnis bringen wollte, hatte
es von dort zu verkünden. Die Bauthätigkeit der alten Welt erreichte mit den
Mauern Aurelians und den Thermen Diokletians und Konstantins ihr Ende,
wofür sich jetzt Kirchen und Kapellen erhoben, anfangs einfach und dürftig,
allmählich reich und prunkhaft; vor allen die berühmten Basiliken Se. Johanns
vom Lateran, Se. Peters vom Vatikan und Se. Pauls vor den Mauern. Die
aufkommende Heiligen- und Märtyrerverehrung mehrte ihre Zahl außerordentlich,
und in den Katakomben, den snburbikarischen Grabstätten, erwuchs ein zweites
unterirdisches, rein christliches Rom, das sich in einem Kreise von fünfzehn bis
dreißig italienischen Meilen um die Stadt erstreckte, vom dritten Meilensteine




Die Anfänge des Papsttums.
von z. v. Pflugk-Harttung.

le alte Hauptstadt Rom, die dem Reiche seinen Namen ver¬
liehen hat, besaß ein natürliches Recht auf Herrschaft, auf
weltliche, so lange das Staatswesen vorwaltete, auf geistliche, als
dieses zerfiel, als die Kirche zum Mittelpunkte des Lebens wurde
und die Einheit von Kultur und Gesittung darstellte. Weltliche
und geistliche Überlieferung wirkten zusammen, denn Rom galt nicht nur als
Stadt des Romulus und Remus, sondern ebenso als erster Apostelsitz, geheiligt
durch den Martertod des Petrus und Paulus,

Nicht hoch genug ist die Bedeutung des Ortes für die Entwicklung der
geistlichen Oberhirten anzuschlagen. Nachdem der Zauber seiner Weltstellung
erloschen und der altehrwürdige Senat zu einer Gesellschaft biederer Stadt¬
räte hinabgesunken war, blieb Rom doch immer noch ideeller und geographischer
Mittelpunkt Italiens, eine der volkreichsten Gemeinden, prangend im bau-
künstlerischen Schmuck einer vergangenen Größe, die durch das Ruinenhafte und
durch christliche Umdeutung nur umso ehrwürdiger erschien. Nirgends trat
das Nömertum, das allmählich mit der Rechtgläubigkeit zusammenzufallen begann,
überwältigender zu Tage. Hier thronte die kaiserliche Gewalt oder hatte hier
gethront, stummberedt klang rings die Erinnerung, nach Rom kamen die reg¬
samsten Köpfe, und wer etwas zu genieinsamer Kenntnis bringen wollte, hatte
es von dort zu verkünden. Die Bauthätigkeit der alten Welt erreichte mit den
Mauern Aurelians und den Thermen Diokletians und Konstantins ihr Ende,
wofür sich jetzt Kirchen und Kapellen erhoben, anfangs einfach und dürftig,
allmählich reich und prunkhaft; vor allen die berühmten Basiliken Se. Johanns
vom Lateran, Se. Peters vom Vatikan und Se. Pauls vor den Mauern. Die
aufkommende Heiligen- und Märtyrerverehrung mehrte ihre Zahl außerordentlich,
und in den Katakomben, den snburbikarischen Grabstätten, erwuchs ein zweites
unterirdisches, rein christliches Rom, das sich in einem Kreise von fünfzehn bis
dreißig italienischen Meilen um die Stadt erstreckte, vom dritten Meilensteine


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[0629] [Abbildung] Die Anfänge des Papsttums. von z. v. Pflugk-Harttung. le alte Hauptstadt Rom, die dem Reiche seinen Namen ver¬ liehen hat, besaß ein natürliches Recht auf Herrschaft, auf weltliche, so lange das Staatswesen vorwaltete, auf geistliche, als dieses zerfiel, als die Kirche zum Mittelpunkte des Lebens wurde und die Einheit von Kultur und Gesittung darstellte. Weltliche und geistliche Überlieferung wirkten zusammen, denn Rom galt nicht nur als Stadt des Romulus und Remus, sondern ebenso als erster Apostelsitz, geheiligt durch den Martertod des Petrus und Paulus, Nicht hoch genug ist die Bedeutung des Ortes für die Entwicklung der geistlichen Oberhirten anzuschlagen. Nachdem der Zauber seiner Weltstellung erloschen und der altehrwürdige Senat zu einer Gesellschaft biederer Stadt¬ räte hinabgesunken war, blieb Rom doch immer noch ideeller und geographischer Mittelpunkt Italiens, eine der volkreichsten Gemeinden, prangend im bau- künstlerischen Schmuck einer vergangenen Größe, die durch das Ruinenhafte und durch christliche Umdeutung nur umso ehrwürdiger erschien. Nirgends trat das Nömertum, das allmählich mit der Rechtgläubigkeit zusammenzufallen begann, überwältigender zu Tage. Hier thronte die kaiserliche Gewalt oder hatte hier gethront, stummberedt klang rings die Erinnerung, nach Rom kamen die reg¬ samsten Köpfe, und wer etwas zu genieinsamer Kenntnis bringen wollte, hatte es von dort zu verkünden. Die Bauthätigkeit der alten Welt erreichte mit den Mauern Aurelians und den Thermen Diokletians und Konstantins ihr Ende, wofür sich jetzt Kirchen und Kapellen erhoben, anfangs einfach und dürftig, allmählich reich und prunkhaft; vor allen die berühmten Basiliken Se. Johanns vom Lateran, Se. Peters vom Vatikan und Se. Pauls vor den Mauern. Die aufkommende Heiligen- und Märtyrerverehrung mehrte ihre Zahl außerordentlich, und in den Katakomben, den snburbikarischen Grabstätten, erwuchs ein zweites unterirdisches, rein christliches Rom, das sich in einem Kreise von fünfzehn bis dreißig italienischen Meilen um die Stadt erstreckte, vom dritten Meilensteine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/629>, abgerufen am 22.07.2024.