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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.
I. j). Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

s wollte Ricks scheinen, als sei das Dasein so unendlich klar und
einfach geworden, das Leben so leicht zu leben, und das Gluck so
nahe und so mühelos zu gewinnen, wie die Luft, die er mit
einem Atemzuge einsog.

Er liebte sie, die junge Frau, die er gewonnen hatte, liebte sie
mit all der Feinheit der Gedanken und des Herzens, mit der ganzen, großen, zärtlich
tiefen Fürsorglichkeit, die einem Manne innewohnt, der der Liebe Hang zum Sinken
kennt und an der Liebe Fähigkeit zu steige" glaubt. Er ging so behutsam um
mit dieser jungen Seele, die sich in namenlosem Vertrauen zu ihm hinneigte,
die sich an ihn schmiegte mit derselben zärtlichen Zuversicht, mit derselben festen
Überzeugung, daß er nichts wolle, als was gut und edel sei, wie es jenes
Lamm im Gleichnis zu seinem Hirten hatte, das aus dessen Hand aß und aus
dessen Becher trank. Er wagte es nicht, ihr ihren Gott zu nehmen, alle jene
Scharen von weißen Engeln zu vertreiben, die den Tag über singend durch
den Himmel schweben und gegen Abend zur Erde herabsteigen und von Lager
zu Lager schreiten, treue Wacht haltend und das Dunkel der Nacht mit einem
unsichtbaren Lichte erfüllend.

Er wollte so ungern, daß seine schwerfälligerem, bilderlosen Lebensan¬
schauungen sich zwischen sie und das milde Blauen des Himmels drängten und
ihr dadurch ein Gefühl der Unsicherheit und des Verlassenseins gäben. Aber sie
wollte es anders haben, sie wollte alles mit ihm teilen; es sollte keinen Platz
im Himmel noch auf Erden geben, wo sich ihre Wege trennten, und alles, was
er sagte, um sie zurückzuhalten, verscheuchte sie, alles, wenn auch nicht mit den
Worten des moabitischen Weibes, so doch mit demselben unbiegsamen Gedanken,




Ricks Lyhne.
I. j). Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

s wollte Ricks scheinen, als sei das Dasein so unendlich klar und
einfach geworden, das Leben so leicht zu leben, und das Gluck so
nahe und so mühelos zu gewinnen, wie die Luft, die er mit
einem Atemzuge einsog.

Er liebte sie, die junge Frau, die er gewonnen hatte, liebte sie
mit all der Feinheit der Gedanken und des Herzens, mit der ganzen, großen, zärtlich
tiefen Fürsorglichkeit, die einem Manne innewohnt, der der Liebe Hang zum Sinken
kennt und an der Liebe Fähigkeit zu steige» glaubt. Er ging so behutsam um
mit dieser jungen Seele, die sich in namenlosem Vertrauen zu ihm hinneigte,
die sich an ihn schmiegte mit derselben zärtlichen Zuversicht, mit derselben festen
Überzeugung, daß er nichts wolle, als was gut und edel sei, wie es jenes
Lamm im Gleichnis zu seinem Hirten hatte, das aus dessen Hand aß und aus
dessen Becher trank. Er wagte es nicht, ihr ihren Gott zu nehmen, alle jene
Scharen von weißen Engeln zu vertreiben, die den Tag über singend durch
den Himmel schweben und gegen Abend zur Erde herabsteigen und von Lager
zu Lager schreiten, treue Wacht haltend und das Dunkel der Nacht mit einem
unsichtbaren Lichte erfüllend.

Er wollte so ungern, daß seine schwerfälligerem, bilderlosen Lebensan¬
schauungen sich zwischen sie und das milde Blauen des Himmels drängten und
ihr dadurch ein Gefühl der Unsicherheit und des Verlassenseins gäben. Aber sie
wollte es anders haben, sie wollte alles mit ihm teilen; es sollte keinen Platz
im Himmel noch auf Erden geben, wo sich ihre Wege trennten, und alles, was
er sagte, um sie zurückzuhalten, verscheuchte sie, alles, wenn auch nicht mit den
Worten des moabitischen Weibes, so doch mit demselben unbiegsamen Gedanken,


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[0566] [Abbildung] Ricks Lyhne. I. j). Jacobsen. Roman von Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) s wollte Ricks scheinen, als sei das Dasein so unendlich klar und einfach geworden, das Leben so leicht zu leben, und das Gluck so nahe und so mühelos zu gewinnen, wie die Luft, die er mit einem Atemzuge einsog. Er liebte sie, die junge Frau, die er gewonnen hatte, liebte sie mit all der Feinheit der Gedanken und des Herzens, mit der ganzen, großen, zärtlich tiefen Fürsorglichkeit, die einem Manne innewohnt, der der Liebe Hang zum Sinken kennt und an der Liebe Fähigkeit zu steige» glaubt. Er ging so behutsam um mit dieser jungen Seele, die sich in namenlosem Vertrauen zu ihm hinneigte, die sich an ihn schmiegte mit derselben zärtlichen Zuversicht, mit derselben festen Überzeugung, daß er nichts wolle, als was gut und edel sei, wie es jenes Lamm im Gleichnis zu seinem Hirten hatte, das aus dessen Hand aß und aus dessen Becher trank. Er wagte es nicht, ihr ihren Gott zu nehmen, alle jene Scharen von weißen Engeln zu vertreiben, die den Tag über singend durch den Himmel schweben und gegen Abend zur Erde herabsteigen und von Lager zu Lager schreiten, treue Wacht haltend und das Dunkel der Nacht mit einem unsichtbaren Lichte erfüllend. Er wollte so ungern, daß seine schwerfälligerem, bilderlosen Lebensan¬ schauungen sich zwischen sie und das milde Blauen des Himmels drängten und ihr dadurch ein Gefühl der Unsicherheit und des Verlassenseins gäben. Aber sie wollte es anders haben, sie wollte alles mit ihm teilen; es sollte keinen Platz im Himmel noch auf Erden geben, wo sich ihre Wege trennten, und alles, was er sagte, um sie zurückzuhalten, verscheuchte sie, alles, wenn auch nicht mit den Worten des moabitischen Weibes, so doch mit demselben unbiegsamen Gedanken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/566>, abgerufen am 22.07.2024.