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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.
von Z. j). Zacobsen. Roman
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

in hellen Morgen kam Erik nach Hause, und als Fennimore
in dem kalten, ehrlichen Tageslicht sah, wie er sich auskleidete,
um zu Bette zu gehen, schwer und unsicher vom Trunk, mit
gläsernen Augen und erdfahl nach der durchwachten Nacht, da
erschienen ihr die schönen Worte, die Ricks geredet hatte, phan¬
tastisch, und die lichten Gelöbnisse, die sie in ihrem stillen Sinne gethan hatte,
schwanden erbleichend vor dem werdenden Tage, gauklerische Träume und Ge¬
dankentand, eine prahlerische Lügenschar.

Was konnte es nützen, dagegen anzukämpfen mit dem hoffnungslosen Druck,
der auf ihnen beiden lag? Es war so nutzlos, sich leicht zu lügen, ihr Leben
konnte doch nie wieder auf Federn gehen. Der Frost war dagewesen, die Ranken
und Ränkchen mit den Büscheln von Rosen und duftigen Blüten, die um sie ge¬
schlungen gewesen waren, die sie mit einander verknüpft hatten, sie hatten jedes
kleinste Blatt abgeschüttelt, jede Blume verloren, es waren nur noch die nackten,
zähen Unter, die sie unauflöslich an einander banden. Was konnte es nützen,
daß sie mit der Wärme der Erinnerungen die Gefühle entschwundner Tage zu
einem neuen, künstlichen Leben erweckte und ihren Abgott wieder auf seinen
Sockel stellte, seinen Augen den Glanz der Bewunderung, seinen Lippen das
Anbetungswort und seinen Wangen die Röte des Glückes wiedergab, was konnte
das nützen, wenn er sich nicht darauf einlassen wollte, der Priester des Abgottes
zu sein, sie bei dem frommen Betrüge zu unterstützen? Er! er kannte ihre
Liebe ja gar nicht wieder, es war ja keines ihrer Worte in seinen Ohren zurück¬
geblieben, kein Tag ihrer Tage in seiner Seele aufbewahrt.

Nein, tot und regungslos war die schwellende Liebe ihrer Herzen; der
Duft, das Licht und die zitternden Töne, es war alles verweht, und da konnten




Ricks Lyhne.
von Z. j). Zacobsen. Roman
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

in hellen Morgen kam Erik nach Hause, und als Fennimore
in dem kalten, ehrlichen Tageslicht sah, wie er sich auskleidete,
um zu Bette zu gehen, schwer und unsicher vom Trunk, mit
gläsernen Augen und erdfahl nach der durchwachten Nacht, da
erschienen ihr die schönen Worte, die Ricks geredet hatte, phan¬
tastisch, und die lichten Gelöbnisse, die sie in ihrem stillen Sinne gethan hatte,
schwanden erbleichend vor dem werdenden Tage, gauklerische Träume und Ge¬
dankentand, eine prahlerische Lügenschar.

Was konnte es nützen, dagegen anzukämpfen mit dem hoffnungslosen Druck,
der auf ihnen beiden lag? Es war so nutzlos, sich leicht zu lügen, ihr Leben
konnte doch nie wieder auf Federn gehen. Der Frost war dagewesen, die Ranken
und Ränkchen mit den Büscheln von Rosen und duftigen Blüten, die um sie ge¬
schlungen gewesen waren, die sie mit einander verknüpft hatten, sie hatten jedes
kleinste Blatt abgeschüttelt, jede Blume verloren, es waren nur noch die nackten,
zähen Unter, die sie unauflöslich an einander banden. Was konnte es nützen,
daß sie mit der Wärme der Erinnerungen die Gefühle entschwundner Tage zu
einem neuen, künstlichen Leben erweckte und ihren Abgott wieder auf seinen
Sockel stellte, seinen Augen den Glanz der Bewunderung, seinen Lippen das
Anbetungswort und seinen Wangen die Röte des Glückes wiedergab, was konnte
das nützen, wenn er sich nicht darauf einlassen wollte, der Priester des Abgottes
zu sein, sie bei dem frommen Betrüge zu unterstützen? Er! er kannte ihre
Liebe ja gar nicht wieder, es war ja keines ihrer Worte in seinen Ohren zurück¬
geblieben, kein Tag ihrer Tage in seiner Seele aufbewahrt.

Nein, tot und regungslos war die schwellende Liebe ihrer Herzen; der
Duft, das Licht und die zitternden Töne, es war alles verweht, und da konnten


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[0382] [Abbildung] Ricks Lyhne. von Z. j). Zacobsen. Roman Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) in hellen Morgen kam Erik nach Hause, und als Fennimore in dem kalten, ehrlichen Tageslicht sah, wie er sich auskleidete, um zu Bette zu gehen, schwer und unsicher vom Trunk, mit gläsernen Augen und erdfahl nach der durchwachten Nacht, da erschienen ihr die schönen Worte, die Ricks geredet hatte, phan¬ tastisch, und die lichten Gelöbnisse, die sie in ihrem stillen Sinne gethan hatte, schwanden erbleichend vor dem werdenden Tage, gauklerische Träume und Ge¬ dankentand, eine prahlerische Lügenschar. Was konnte es nützen, dagegen anzukämpfen mit dem hoffnungslosen Druck, der auf ihnen beiden lag? Es war so nutzlos, sich leicht zu lügen, ihr Leben konnte doch nie wieder auf Federn gehen. Der Frost war dagewesen, die Ranken und Ränkchen mit den Büscheln von Rosen und duftigen Blüten, die um sie ge¬ schlungen gewesen waren, die sie mit einander verknüpft hatten, sie hatten jedes kleinste Blatt abgeschüttelt, jede Blume verloren, es waren nur noch die nackten, zähen Unter, die sie unauflöslich an einander banden. Was konnte es nützen, daß sie mit der Wärme der Erinnerungen die Gefühle entschwundner Tage zu einem neuen, künstlichen Leben erweckte und ihren Abgott wieder auf seinen Sockel stellte, seinen Augen den Glanz der Bewunderung, seinen Lippen das Anbetungswort und seinen Wangen die Röte des Glückes wiedergab, was konnte das nützen, wenn er sich nicht darauf einlassen wollte, der Priester des Abgottes zu sein, sie bei dem frommen Betrüge zu unterstützen? Er! er kannte ihre Liebe ja gar nicht wieder, es war ja keines ihrer Worte in seinen Ohren zurück¬ geblieben, kein Tag ihrer Tage in seiner Seele aufbewahrt. Nein, tot und regungslos war die schwellende Liebe ihrer Herzen; der Duft, das Licht und die zitternden Töne, es war alles verweht, und da konnten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/382>, abgerufen am 22.07.2024.