Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Gin deutsches Reichsanzeigeblatt. s war vor einigen Wochen, an einem herrlichen Sonntagmorgen In größern Städten ist das freilich längst anders geworden. Dort hat Das Jnseratenwesen hat bei uns unter dem Einflüsse der Entwicklung des Gin deutsches Reichsanzeigeblatt. s war vor einigen Wochen, an einem herrlichen Sonntagmorgen In größern Städten ist das freilich längst anders geworden. Dort hat Das Jnseratenwesen hat bei uns unter dem Einflüsse der Entwicklung des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0016" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289139"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341847_289122/figures/grenzboten_341847_289122_289139_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Gin deutsches Reichsanzeigeblatt.</head><lb/> <p xml:id="ID_20"> s war vor einigen Wochen, an einem herrlichen Sonntagmorgen<lb/> im Wonnemonat Mai, da kam ich vom stolzen Pfänder und<lb/> seinem Vorberge mit der Gebhardskapelle herunter hinein in das<lb/> alte Bregenz am Bodensee. Beim Betreten des Städtchens tönte<lb/> mir lauter Trommelwirbel entgegen, und wenn ich nicht gewußt<lb/> hätte, daß die Bregenzer Kaiserjäger und Landesschützen keine Trommeln haben,<lb/> ich wäre auf den Gedanken gekommen, daß ich österreichischem Militär begegnen<lb/> würde. Da löste sich mir bei der nächsten Biegung des Weges das Rätsel.<lb/> Auf dem freien Platze vor dem bekannten Wirtschaftsgarten „Zum Heidelberger<lb/> Faß," wo es den guten Roten giebt, stand ein Mann mit einer Militür-<lb/> trommcl und ließ einen lauten Wirbel ertönen, die Leute aber steckten die Köpfe<lb/> zu den Fenstern heraus oder blieben auf der Straße stehen, bis die Trommel<lb/> verstummte und der Mann alle möglichen Bekanntmachungen mit lauter Stimme<lb/> vorlas. Nach jeder Bekanntmachung erfolgten wieder einige Trommelschläge,<lb/> und so ging es eine Zeit lang weiter, bis der Mann alles verkündigt hatte<lb/> und die guten Bürger und Bürgersfrauen wußten, was es alles in ihrer Stadt<lb/> zu verkündigen gab. Die Sache war nicht so übel und paßte gut zu den alter¬<lb/> tümlichen Häusern und Türmen des Städtchens.</p><lb/> <p xml:id="ID_21"> In größern Städten ist das freilich längst anders geworden. Dort hat<lb/> der städtische Austrommler oder Ausscheller seine Trommel oder Schelle in die<lb/> Ecke gestellt, und an seine Stelle ist das Zeitungsblatt getreten. Auch die<lb/> Bregenzer haben es schon auf zwei Blättchen gebracht, und der Anstrommler<lb/> hat sich nur so aus altem Herkommen erhalten. Selbst der Bauernbüttel auf<lb/> dem Lande hat nicht mehr viel mit der Schelle zu Hantiren. Lesen kann ja<lb/> heutzutage jeder, und Zeitungen giebt es mehr als genug mit so viel Anzeigen<lb/> aller Art darin, daß der Staatsbürger nächstens nicht mehr wissen wird, wo<lb/> er anfangen und wo er aufhören soll mit all dem gebotenen Lesestoffe.</p><lb/> <p xml:id="ID_22" next="#ID_23"> Das Jnseratenwesen hat bei uns unter dem Einflüsse der Entwicklung des<lb/> Zeitungswesens überhaupt und bei dem Bestreben der konkurrirenden Produ¬<lb/> zenten, ihre Waren an den Mann zu bringen, nachgerade einen Höhepunkt<lb/> erreicht, den man früher nie für möglich gehalten hätte, und die Summen, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
[Abbildung]
Gin deutsches Reichsanzeigeblatt.
s war vor einigen Wochen, an einem herrlichen Sonntagmorgen
im Wonnemonat Mai, da kam ich vom stolzen Pfänder und
seinem Vorberge mit der Gebhardskapelle herunter hinein in das
alte Bregenz am Bodensee. Beim Betreten des Städtchens tönte
mir lauter Trommelwirbel entgegen, und wenn ich nicht gewußt
hätte, daß die Bregenzer Kaiserjäger und Landesschützen keine Trommeln haben,
ich wäre auf den Gedanken gekommen, daß ich österreichischem Militär begegnen
würde. Da löste sich mir bei der nächsten Biegung des Weges das Rätsel.
Auf dem freien Platze vor dem bekannten Wirtschaftsgarten „Zum Heidelberger
Faß," wo es den guten Roten giebt, stand ein Mann mit einer Militür-
trommcl und ließ einen lauten Wirbel ertönen, die Leute aber steckten die Köpfe
zu den Fenstern heraus oder blieben auf der Straße stehen, bis die Trommel
verstummte und der Mann alle möglichen Bekanntmachungen mit lauter Stimme
vorlas. Nach jeder Bekanntmachung erfolgten wieder einige Trommelschläge,
und so ging es eine Zeit lang weiter, bis der Mann alles verkündigt hatte
und die guten Bürger und Bürgersfrauen wußten, was es alles in ihrer Stadt
zu verkündigen gab. Die Sache war nicht so übel und paßte gut zu den alter¬
tümlichen Häusern und Türmen des Städtchens.
In größern Städten ist das freilich längst anders geworden. Dort hat
der städtische Austrommler oder Ausscheller seine Trommel oder Schelle in die
Ecke gestellt, und an seine Stelle ist das Zeitungsblatt getreten. Auch die
Bregenzer haben es schon auf zwei Blättchen gebracht, und der Anstrommler
hat sich nur so aus altem Herkommen erhalten. Selbst der Bauernbüttel auf
dem Lande hat nicht mehr viel mit der Schelle zu Hantiren. Lesen kann ja
heutzutage jeder, und Zeitungen giebt es mehr als genug mit so viel Anzeigen
aller Art darin, daß der Staatsbürger nächstens nicht mehr wissen wird, wo
er anfangen und wo er aufhören soll mit all dem gebotenen Lesestoffe.
Das Jnseratenwesen hat bei uns unter dem Einflüsse der Entwicklung des
Zeitungswesens überhaupt und bei dem Bestreben der konkurrirenden Produ¬
zenten, ihre Waren an den Mann zu bringen, nachgerade einen Höhepunkt
erreicht, den man früher nie für möglich gehalten hätte, und die Summen, die
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