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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten im Lichte der letzten Präsidentenwahl.

Körnchen Wahrheit in jener Behauptung, daß Deutschland anch ohne die
Schlacht bei Königsgrätz allein durch den Zollverein zu politischer Einheit
gelangt wäre. Wenn dem so ist, so kaun es für die Stärkung unsrer poli¬
tischen Einheit nicht unwesentlich sein, daß jene beiden alten Städte, die den
Ruhm ihrer hanseatischen Überlieferungen und die seltene Würde freier Städte
bewahrt haben, aber gleich den größten deutschen Königreichen ihre Vertreter
in den Bundesrat entsenden, die hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl zwar nur mit
thüringischen Kleinstaaten zu vergleichen sind, aber an wirtschaftlicher Kraft
Württemberg und Baden übertreffen, endlich dem nationalen Wirtschaftsgebiete
sich eingliedern. Im Gegenteil: indem Fürst Bismarck in einer Frage, wo es
sich weder um Schutzzoll, noch um Freihandel handelte, sondern in der er ganz und
vollkommen Recht hatte, fest blieb, und indem er sich entschloß, einen alten ehr¬
samen Zopf, der ja seine großen, unvergeßlichen Tage gehabt hatte, aber schon
längst nicht mehr zur Verschönerung unsers Reichskörpers diente, mit kühner
Hand abzuschneiden, hat er wieder angeknüpft an die schönsten Überlieferungen
der deutschen Zvllvereinsgeschichte. Indem die Verbündete" Regierungen in der
Hamburger Frage Hand in Hand mit dem Reichskanzler gingen, haben sie nur
eine Pflicht nationaler Politik erfüllt, deren Erfüllung vielleicht schon früher
hätte in Gang kommen sollen, aber auch jetzt sicherlich nicht zu spät kommt.
Indem in dem Augenblicke, wo der Hohenzollern-Aar sich wieder so kräftig
über Deutschlands Gaue und Stämme erhebt, die Ausführung der Reichs¬
verfassung in einem ihrer wichtigsten Artikel, die endliche Befriedigung eines
nationalen Wunsches, die endgiltige Regelung der deutschen Zollgrenzen erfolgt,
wird der jungen Negierung Kaiser Wilhelms II. das schönste Angebinde, die
verheißungsvollste Morgengabe zu Teil.




Die Vereinigten Staaten im Lichte der letzten
Präsidentenwahl.

eit einigen Jahren ist die Teilnahme Europas an dem politischen
Leben der Vereinigten Staaten in beständiger Abnahme begriffen.
Kein Wunder; der äußerlich wachsende", ihre Bevölkerung im
Rieseumaßstabe steigernden Republik hat das innere Wachstum, das
der geistig-sittlichen Entwicklung, in einer auffallenden Weise gefehlt.
Die Kritik, die sich gegen das immer mehr im schlimmsten Sinne sich amerika-
nisirende Frankreich wandte, mußte auch auf die Beurteilung des transatlantischen


Die vereinigten Staaten im Lichte der letzten Präsidentenwahl.

Körnchen Wahrheit in jener Behauptung, daß Deutschland anch ohne die
Schlacht bei Königsgrätz allein durch den Zollverein zu politischer Einheit
gelangt wäre. Wenn dem so ist, so kaun es für die Stärkung unsrer poli¬
tischen Einheit nicht unwesentlich sein, daß jene beiden alten Städte, die den
Ruhm ihrer hanseatischen Überlieferungen und die seltene Würde freier Städte
bewahrt haben, aber gleich den größten deutschen Königreichen ihre Vertreter
in den Bundesrat entsenden, die hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl zwar nur mit
thüringischen Kleinstaaten zu vergleichen sind, aber an wirtschaftlicher Kraft
Württemberg und Baden übertreffen, endlich dem nationalen Wirtschaftsgebiete
sich eingliedern. Im Gegenteil: indem Fürst Bismarck in einer Frage, wo es
sich weder um Schutzzoll, noch um Freihandel handelte, sondern in der er ganz und
vollkommen Recht hatte, fest blieb, und indem er sich entschloß, einen alten ehr¬
samen Zopf, der ja seine großen, unvergeßlichen Tage gehabt hatte, aber schon
längst nicht mehr zur Verschönerung unsers Reichskörpers diente, mit kühner
Hand abzuschneiden, hat er wieder angeknüpft an die schönsten Überlieferungen
der deutschen Zvllvereinsgeschichte. Indem die Verbündete» Regierungen in der
Hamburger Frage Hand in Hand mit dem Reichskanzler gingen, haben sie nur
eine Pflicht nationaler Politik erfüllt, deren Erfüllung vielleicht schon früher
hätte in Gang kommen sollen, aber auch jetzt sicherlich nicht zu spät kommt.
Indem in dem Augenblicke, wo der Hohenzollern-Aar sich wieder so kräftig
über Deutschlands Gaue und Stämme erhebt, die Ausführung der Reichs¬
verfassung in einem ihrer wichtigsten Artikel, die endliche Befriedigung eines
nationalen Wunsches, die endgiltige Regelung der deutschen Zollgrenzen erfolgt,
wird der jungen Negierung Kaiser Wilhelms II. das schönste Angebinde, die
verheißungsvollste Morgengabe zu Teil.




Die Vereinigten Staaten im Lichte der letzten
Präsidentenwahl.

eit einigen Jahren ist die Teilnahme Europas an dem politischen
Leben der Vereinigten Staaten in beständiger Abnahme begriffen.
Kein Wunder; der äußerlich wachsende», ihre Bevölkerung im
Rieseumaßstabe steigernden Republik hat das innere Wachstum, das
der geistig-sittlichen Entwicklung, in einer auffallenden Weise gefehlt.
Die Kritik, die sich gegen das immer mehr im schlimmsten Sinne sich amerika-
nisirende Frankreich wandte, mußte auch auf die Beurteilung des transatlantischen


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[0624] Die vereinigten Staaten im Lichte der letzten Präsidentenwahl. Körnchen Wahrheit in jener Behauptung, daß Deutschland anch ohne die Schlacht bei Königsgrätz allein durch den Zollverein zu politischer Einheit gelangt wäre. Wenn dem so ist, so kaun es für die Stärkung unsrer poli¬ tischen Einheit nicht unwesentlich sein, daß jene beiden alten Städte, die den Ruhm ihrer hanseatischen Überlieferungen und die seltene Würde freier Städte bewahrt haben, aber gleich den größten deutschen Königreichen ihre Vertreter in den Bundesrat entsenden, die hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl zwar nur mit thüringischen Kleinstaaten zu vergleichen sind, aber an wirtschaftlicher Kraft Württemberg und Baden übertreffen, endlich dem nationalen Wirtschaftsgebiete sich eingliedern. Im Gegenteil: indem Fürst Bismarck in einer Frage, wo es sich weder um Schutzzoll, noch um Freihandel handelte, sondern in der er ganz und vollkommen Recht hatte, fest blieb, und indem er sich entschloß, einen alten ehr¬ samen Zopf, der ja seine großen, unvergeßlichen Tage gehabt hatte, aber schon längst nicht mehr zur Verschönerung unsers Reichskörpers diente, mit kühner Hand abzuschneiden, hat er wieder angeknüpft an die schönsten Überlieferungen der deutschen Zvllvereinsgeschichte. Indem die Verbündete» Regierungen in der Hamburger Frage Hand in Hand mit dem Reichskanzler gingen, haben sie nur eine Pflicht nationaler Politik erfüllt, deren Erfüllung vielleicht schon früher hätte in Gang kommen sollen, aber auch jetzt sicherlich nicht zu spät kommt. Indem in dem Augenblicke, wo der Hohenzollern-Aar sich wieder so kräftig über Deutschlands Gaue und Stämme erhebt, die Ausführung der Reichs¬ verfassung in einem ihrer wichtigsten Artikel, die endliche Befriedigung eines nationalen Wunsches, die endgiltige Regelung der deutschen Zollgrenzen erfolgt, wird der jungen Negierung Kaiser Wilhelms II. das schönste Angebinde, die verheißungsvollste Morgengabe zu Teil. Die Vereinigten Staaten im Lichte der letzten Präsidentenwahl. eit einigen Jahren ist die Teilnahme Europas an dem politischen Leben der Vereinigten Staaten in beständiger Abnahme begriffen. Kein Wunder; der äußerlich wachsende», ihre Bevölkerung im Rieseumaßstabe steigernden Republik hat das innere Wachstum, das der geistig-sittlichen Entwicklung, in einer auffallenden Weise gefehlt. Die Kritik, die sich gegen das immer mehr im schlimmsten Sinne sich amerika- nisirende Frankreich wandte, mußte auch auf die Beurteilung des transatlantischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/624>, abgerufen am 22.07.2024.