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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die Ministerkrisis in j)ronßen.

die einzig unschädliche und stets angebrachte, gegenwärtig kräftig zum Ausdruck
zu bringen. Schon am Schlüsse des vorigen Aufsatzes haben wir auch für das
engere Gebiet, das uns hier beschäftigt hat, ihr thätiges Eingreifen herbeige¬
rufen. Vielleicht gelingt es ihr selbst in unsrer Zeit noch ein rüstiges Leben
auf ihm hervorzulocken und im Verein muntrer Kräfte, die sich aneinander
schließen, zwar keine dunkeln Kapellen oder prosaischen Warenhäuser, aber dafür
jene freien, sonnigen Hallen daselbst aufzurichten, die ihm einzig ziemen.




Die Ministerkrisis in Preußen.

eitungsgerede oder nicht? So fragte man sich in den letzten
Wochen angesichts der Behauptung, es sei wieder eine Minister¬
krisis entweder im Anzüge oder schon ausgebrochen, und der
lebhaften Erörterungen, die sich in der Welt der Leitartikel und
Preßberichte an sie knüpften und einen großen Teil des Publikums
in Atem erhielten. Nach den einen war nur die Stellung des einen von den
obersten Räten der Krone ins Wanken geraten, nach andern war das Ver¬
bleiben mehrerer Minister, wieder nach andern das des ganzen Kabinets im
Amte fraglich geworden. Die einen jubelten über einen nahen Sieg, die andern
fühlten sich beklemmt über eine verhängnisvolle Wendung in der Entwicklung
des preußischen Staates unter seinem neuen Könige. Zunächst verlautete, daß
der König das von beiden Häusern des Landtages beschlossene Gesetz über die
Verlängerung der Legislaturperioden nicht genehmigt habe. Dann sollte er
es zwar mit seiner Unterschrift versehen, aber seine unverzügliche Veröffent¬
lichung beanstandet habe", und gleichzeitig tauchte die Nachricht auf, er habe
an den Minister des Innern ein Schreiben gerichtet, welches über die vor¬
gekommenen Beeinflussungen der Wahlen Rechenschaft verlange -- ein Schritt,
der Herrn von Puttkamer den Entschluß nahe gelegt habe, von seinem Posten
zurückzutreten. Daran knüpfte sich endlich die Meldung, daß das Gesamt¬
ministerium sich mit ihm solidarisch erklärt habe oder dies wenigstens zu thun
gedenke. Alle diese angeblichen Thatsachen wurden zuerst von Blättern der
freisinnigen Partei berichtet, die, ganz gegen das Manifest, mit welchem König
Friedrich der Dritte die Negierung antrat, seit Wochen bemüht gewesen war,


Grenzboten II. 1883. 74
Die Ministerkrisis in j)ronßen.

die einzig unschädliche und stets angebrachte, gegenwärtig kräftig zum Ausdruck
zu bringen. Schon am Schlüsse des vorigen Aufsatzes haben wir auch für das
engere Gebiet, das uns hier beschäftigt hat, ihr thätiges Eingreifen herbeige¬
rufen. Vielleicht gelingt es ihr selbst in unsrer Zeit noch ein rüstiges Leben
auf ihm hervorzulocken und im Verein muntrer Kräfte, die sich aneinander
schließen, zwar keine dunkeln Kapellen oder prosaischen Warenhäuser, aber dafür
jene freien, sonnigen Hallen daselbst aufzurichten, die ihm einzig ziemen.




Die Ministerkrisis in Preußen.

eitungsgerede oder nicht? So fragte man sich in den letzten
Wochen angesichts der Behauptung, es sei wieder eine Minister¬
krisis entweder im Anzüge oder schon ausgebrochen, und der
lebhaften Erörterungen, die sich in der Welt der Leitartikel und
Preßberichte an sie knüpften und einen großen Teil des Publikums
in Atem erhielten. Nach den einen war nur die Stellung des einen von den
obersten Räten der Krone ins Wanken geraten, nach andern war das Ver¬
bleiben mehrerer Minister, wieder nach andern das des ganzen Kabinets im
Amte fraglich geworden. Die einen jubelten über einen nahen Sieg, die andern
fühlten sich beklemmt über eine verhängnisvolle Wendung in der Entwicklung
des preußischen Staates unter seinem neuen Könige. Zunächst verlautete, daß
der König das von beiden Häusern des Landtages beschlossene Gesetz über die
Verlängerung der Legislaturperioden nicht genehmigt habe. Dann sollte er
es zwar mit seiner Unterschrift versehen, aber seine unverzügliche Veröffent¬
lichung beanstandet habe», und gleichzeitig tauchte die Nachricht auf, er habe
an den Minister des Innern ein Schreiben gerichtet, welches über die vor¬
gekommenen Beeinflussungen der Wahlen Rechenschaft verlange — ein Schritt,
der Herrn von Puttkamer den Entschluß nahe gelegt habe, von seinem Posten
zurückzutreten. Daran knüpfte sich endlich die Meldung, daß das Gesamt¬
ministerium sich mit ihm solidarisch erklärt habe oder dies wenigstens zu thun
gedenke. Alle diese angeblichen Thatsachen wurden zuerst von Blättern der
freisinnigen Partei berichtet, die, ganz gegen das Manifest, mit welchem König
Friedrich der Dritte die Negierung antrat, seit Wochen bemüht gewesen war,


Grenzboten II. 1883. 74
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[0593] Die Ministerkrisis in j)ronßen. die einzig unschädliche und stets angebrachte, gegenwärtig kräftig zum Ausdruck zu bringen. Schon am Schlüsse des vorigen Aufsatzes haben wir auch für das engere Gebiet, das uns hier beschäftigt hat, ihr thätiges Eingreifen herbeige¬ rufen. Vielleicht gelingt es ihr selbst in unsrer Zeit noch ein rüstiges Leben auf ihm hervorzulocken und im Verein muntrer Kräfte, die sich aneinander schließen, zwar keine dunkeln Kapellen oder prosaischen Warenhäuser, aber dafür jene freien, sonnigen Hallen daselbst aufzurichten, die ihm einzig ziemen. Die Ministerkrisis in Preußen. eitungsgerede oder nicht? So fragte man sich in den letzten Wochen angesichts der Behauptung, es sei wieder eine Minister¬ krisis entweder im Anzüge oder schon ausgebrochen, und der lebhaften Erörterungen, die sich in der Welt der Leitartikel und Preßberichte an sie knüpften und einen großen Teil des Publikums in Atem erhielten. Nach den einen war nur die Stellung des einen von den obersten Räten der Krone ins Wanken geraten, nach andern war das Ver¬ bleiben mehrerer Minister, wieder nach andern das des ganzen Kabinets im Amte fraglich geworden. Die einen jubelten über einen nahen Sieg, die andern fühlten sich beklemmt über eine verhängnisvolle Wendung in der Entwicklung des preußischen Staates unter seinem neuen Könige. Zunächst verlautete, daß der König das von beiden Häusern des Landtages beschlossene Gesetz über die Verlängerung der Legislaturperioden nicht genehmigt habe. Dann sollte er es zwar mit seiner Unterschrift versehen, aber seine unverzügliche Veröffent¬ lichung beanstandet habe», und gleichzeitig tauchte die Nachricht auf, er habe an den Minister des Innern ein Schreiben gerichtet, welches über die vor¬ gekommenen Beeinflussungen der Wahlen Rechenschaft verlange — ein Schritt, der Herrn von Puttkamer den Entschluß nahe gelegt habe, von seinem Posten zurückzutreten. Daran knüpfte sich endlich die Meldung, daß das Gesamt¬ ministerium sich mit ihm solidarisch erklärt habe oder dies wenigstens zu thun gedenke. Alle diese angeblichen Thatsachen wurden zuerst von Blättern der freisinnigen Partei berichtet, die, ganz gegen das Manifest, mit welchem König Friedrich der Dritte die Negierung antrat, seit Wochen bemüht gewesen war, Grenzboten II. 1883. 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/593>, abgerufen am 13.11.2024.