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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Poetische Theorien und Theorie der Poesie,

Haftes Interesse dafür in ihnen zu erwecken. 10. Als das geeignetste Mittel,
die Lehrer selbst hierzu zu befähigen, erscheint die Errichtung einer deutschen
philologischen Akademie in Rom.




poetische Theorien und Theorie der Poesie.
2.

u unsern kürzlich gemachten Bemerkungen über die Verhältnisse
der poetischen Theorie in unsrer unpoetischen Zeit können wir
schon heute die Ergänzung fügen. Was wir damals im Gegensatz
zu einer spiritualistisch-allegvrisirenden Richtung als "exakte Poetik"
bezeichneten, liegt vor uns in den (von Zeitungen sonst uicht
gerade exakter Natur schon lauge signalisirten) Vorlesungen über Poetik des
verstorbenen Literarhistorikers Wilhelm Scherer.") Inwieweit wir in dieser
Veröffentlichung eine litterarische Kundgebung dieses Gelehrten selbst zu sehen
haben, bleibt allerdings fraglich. Vor der Hand nur für den akademischen Ge¬
brauch, d. h. für Studenten des philologischen (speziell germanistischen) Faches
bestimmt und nur einmal gehalten, machen sie mehr den Eindruck eines ersten
Überblickes, einer Selbstorieutiruug über das Feld, als eines abgeschlossenen
Werkes. Gleichwohl macht die für den Verfasser charakteristische Grundtendenz
und eine Reihe von Beziehungen zu dem wissenschaftlichen und litterarischen Ge¬
triebe das Buch interessant, und so möge es uns als erwünschter Ausgangs¬
punkt dienen für diejenigen kritischen Ausführungen, die in unserm ersten Aufsatze
nur angedeutet werden konnten.

So gewichtig und umfangreich unser damaliger Verfasser sich darstellte, so
leichten Gepäcks treten uns die dritthalbhundert Seiten des vorliegenden Buches
entgegen. Der den Fachgenossen bekannt, Neigung Scherers zu Absätzen im Druck
hat der sorgsame Schüler, dem die Herausgabe übertragen war, auch hier zu ihrem
Rechte verholfen. Ein Anhang, der den philologischen Apparat des Heraus¬
gebers in großer Vollständigkeit beibringt, verstattet aufschlußreiche Einblicke in
die Arbeitsweise, die dieser aphoristischen Schreibart zu Grunde lag. Verlor
sich Baumgart in endlose Spekulativ", philologische Polemik und philoso¬
phische Systematik, so ist Scherer überverständlich und enthält sich äußerlich
mit Beflissenheit der einen wie der andern. Gleichwohl ist beiden jener Zug



Poetik von Wilhelm Scherer, Berlin, Weidmmm, 1888.
Poetische Theorien und Theorie der Poesie,

Haftes Interesse dafür in ihnen zu erwecken. 10. Als das geeignetste Mittel,
die Lehrer selbst hierzu zu befähigen, erscheint die Errichtung einer deutschen
philologischen Akademie in Rom.




poetische Theorien und Theorie der Poesie.
2.

u unsern kürzlich gemachten Bemerkungen über die Verhältnisse
der poetischen Theorie in unsrer unpoetischen Zeit können wir
schon heute die Ergänzung fügen. Was wir damals im Gegensatz
zu einer spiritualistisch-allegvrisirenden Richtung als „exakte Poetik"
bezeichneten, liegt vor uns in den (von Zeitungen sonst uicht
gerade exakter Natur schon lauge signalisirten) Vorlesungen über Poetik des
verstorbenen Literarhistorikers Wilhelm Scherer.") Inwieweit wir in dieser
Veröffentlichung eine litterarische Kundgebung dieses Gelehrten selbst zu sehen
haben, bleibt allerdings fraglich. Vor der Hand nur für den akademischen Ge¬
brauch, d. h. für Studenten des philologischen (speziell germanistischen) Faches
bestimmt und nur einmal gehalten, machen sie mehr den Eindruck eines ersten
Überblickes, einer Selbstorieutiruug über das Feld, als eines abgeschlossenen
Werkes. Gleichwohl macht die für den Verfasser charakteristische Grundtendenz
und eine Reihe von Beziehungen zu dem wissenschaftlichen und litterarischen Ge¬
triebe das Buch interessant, und so möge es uns als erwünschter Ausgangs¬
punkt dienen für diejenigen kritischen Ausführungen, die in unserm ersten Aufsatze
nur angedeutet werden konnten.

So gewichtig und umfangreich unser damaliger Verfasser sich darstellte, so
leichten Gepäcks treten uns die dritthalbhundert Seiten des vorliegenden Buches
entgegen. Der den Fachgenossen bekannt, Neigung Scherers zu Absätzen im Druck
hat der sorgsame Schüler, dem die Herausgabe übertragen war, auch hier zu ihrem
Rechte verholfen. Ein Anhang, der den philologischen Apparat des Heraus¬
gebers in großer Vollständigkeit beibringt, verstattet aufschlußreiche Einblicke in
die Arbeitsweise, die dieser aphoristischen Schreibart zu Grunde lag. Verlor
sich Baumgart in endlose Spekulativ», philologische Polemik und philoso¬
phische Systematik, so ist Scherer überverständlich und enthält sich äußerlich
mit Beflissenheit der einen wie der andern. Gleichwohl ist beiden jener Zug



Poetik von Wilhelm Scherer, Berlin, Weidmmm, 1888.
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[0584] Poetische Theorien und Theorie der Poesie, Haftes Interesse dafür in ihnen zu erwecken. 10. Als das geeignetste Mittel, die Lehrer selbst hierzu zu befähigen, erscheint die Errichtung einer deutschen philologischen Akademie in Rom. poetische Theorien und Theorie der Poesie. 2. u unsern kürzlich gemachten Bemerkungen über die Verhältnisse der poetischen Theorie in unsrer unpoetischen Zeit können wir schon heute die Ergänzung fügen. Was wir damals im Gegensatz zu einer spiritualistisch-allegvrisirenden Richtung als „exakte Poetik" bezeichneten, liegt vor uns in den (von Zeitungen sonst uicht gerade exakter Natur schon lauge signalisirten) Vorlesungen über Poetik des verstorbenen Literarhistorikers Wilhelm Scherer.") Inwieweit wir in dieser Veröffentlichung eine litterarische Kundgebung dieses Gelehrten selbst zu sehen haben, bleibt allerdings fraglich. Vor der Hand nur für den akademischen Ge¬ brauch, d. h. für Studenten des philologischen (speziell germanistischen) Faches bestimmt und nur einmal gehalten, machen sie mehr den Eindruck eines ersten Überblickes, einer Selbstorieutiruug über das Feld, als eines abgeschlossenen Werkes. Gleichwohl macht die für den Verfasser charakteristische Grundtendenz und eine Reihe von Beziehungen zu dem wissenschaftlichen und litterarischen Ge¬ triebe das Buch interessant, und so möge es uns als erwünschter Ausgangs¬ punkt dienen für diejenigen kritischen Ausführungen, die in unserm ersten Aufsatze nur angedeutet werden konnten. So gewichtig und umfangreich unser damaliger Verfasser sich darstellte, so leichten Gepäcks treten uns die dritthalbhundert Seiten des vorliegenden Buches entgegen. Der den Fachgenossen bekannt, Neigung Scherers zu Absätzen im Druck hat der sorgsame Schüler, dem die Herausgabe übertragen war, auch hier zu ihrem Rechte verholfen. Ein Anhang, der den philologischen Apparat des Heraus¬ gebers in großer Vollständigkeit beibringt, verstattet aufschlußreiche Einblicke in die Arbeitsweise, die dieser aphoristischen Schreibart zu Grunde lag. Verlor sich Baumgart in endlose Spekulativ», philologische Polemik und philoso¬ phische Systematik, so ist Scherer überverständlich und enthält sich äußerlich mit Beflissenheit der einen wie der andern. Gleichwohl ist beiden jener Zug Poetik von Wilhelm Scherer, Berlin, Weidmmm, 1888.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/584>, abgerufen am 13.11.2024.