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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Das war auch jetzt nicht anders. Die Zurückhaltung war womöglich noch
größer, jedenfalls bei Ricks, aber die Freundschaft war darum nicht geringer,
und ihr Hauptcckstein war jetzt, wie auch früher, Ricks Lyhnes Bewunderung
für das Frische, Lebensfrohe, das Erik eigen war, daß er sich so heimisch im
Leben fühlte, so bereit, zuzugreifen und zu nehmen. Aber Ricks konnte sich
nicht verbergen, daß die Freundschaft ziemlich einseitig war, nicht etwa weil
Erik des wahren Freundschaftssinnes entbehrte oder weil er kein Zutrauen zu
Ricks hatte. Im Gegenteil, es konnte wohl niemand eine höhere Meinung vou
Ricks haben als gerade Erik, er glaubte ihn sich so weit überlegen an Begabung,
daß von Kritik keine Rede sein konnte, aber gleichzeitig mit dieser blinden An¬
erkennung hielt er auch das, womit Ricks sich beschäftigte, wie das, was seine
Gedanken in Anspruch nahm, für weit über den Gesichtskreis hinausreichend,
den er mit seinen Augen erreichen konnte. Er war fest überzeugt, daß Ricks
auf dem Wege, den er sich erwählt hatte, vorwärts kommen würde, aber er
war ebenso überzeugt, daß sein Fuß nichts auf diesem Wege zu suchen habe,
und deswegen betrat er ihn gar nicht.

Das war nun freilich ein wenig hart für Ricks, denn obwohl Eriks Ideale
nicht die seinigen waren und dasjenige, welchem Erik in seiner Kunst Ausdruck
verleihen wollte, das Romantische oder das Sentimental-Romantische, ihm keines¬
wegs sympatisch war, so konnte er doch persönlich eine breitere, vielseitigere
Sympathie empfinden und darin getreulich der Entwicklung des Freundes folgen,
sich mit ihm freuen, wenn er Erfolge hatte, seine Hoffnung aufs neue beseelen,
wenn er stillstand.

So kam es, daß die Freundschaft eine einseitige war, und es war nicht zu
verwundern, daß es Ricks jetzt, wo sich so viel Neues in ihm Bahn brach und
deswegen das Bedürfnis sich mitzuteilen und verstanden zu werden doppelt groß
war, klar ward, wie unzulänglich diese Freundschaft war, und daß er, dadurch
erbittert, den bis dahin so rücksichtsvoll beurteilten Freund einer schärfern Kritik
unterzog. So entstand ein trauriges Gefühl der Vereinsamung in ihm; es war,
als wenn alles, was er aus der Heimat mitgebracht, was er von Kindheit auf
besessen hatte, vou ihm abfiele, ihn fahren ließe, als wenn er vergessen, verlassen
wäre. Die Thür, die zu dem Alten führte, war verriegelt, und er stand mit leeren
Händen davor und allein; was er entbehrte, was er verlangte, mußte er sich
selber erringen, neue Freunde, ein neues Heim, einen neuen Herzensraum und
neue Erinnerungen. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Das Wort "Töchterschule."

Gegenüber den wenn auch nicht gerade
verteidigenden, so doch einigermaßen entschuldigenden Zeilen, in denen Gotthold
Kreyenberg in seinem Aufsatze "Die Bildung der Töchter höherer Stände" im elften
Hefte der diesjährigen Grenzvoten den Ausdruck "Töchterschule" bespricht, schreibt
uns ein andrer unsrer geschätzten Mitarbeiter:"

Keller rechnet in seinem "deutschen Antibarbarus unter die Gallizismen und
wohlfeilen Vornehmthuereien auch den Ausdruck "Töchterschule." Töchter sind die


Kleinere Mitteilungen.

Das war auch jetzt nicht anders. Die Zurückhaltung war womöglich noch
größer, jedenfalls bei Ricks, aber die Freundschaft war darum nicht geringer,
und ihr Hauptcckstein war jetzt, wie auch früher, Ricks Lyhnes Bewunderung
für das Frische, Lebensfrohe, das Erik eigen war, daß er sich so heimisch im
Leben fühlte, so bereit, zuzugreifen und zu nehmen. Aber Ricks konnte sich
nicht verbergen, daß die Freundschaft ziemlich einseitig war, nicht etwa weil
Erik des wahren Freundschaftssinnes entbehrte oder weil er kein Zutrauen zu
Ricks hatte. Im Gegenteil, es konnte wohl niemand eine höhere Meinung vou
Ricks haben als gerade Erik, er glaubte ihn sich so weit überlegen an Begabung,
daß von Kritik keine Rede sein konnte, aber gleichzeitig mit dieser blinden An¬
erkennung hielt er auch das, womit Ricks sich beschäftigte, wie das, was seine
Gedanken in Anspruch nahm, für weit über den Gesichtskreis hinausreichend,
den er mit seinen Augen erreichen konnte. Er war fest überzeugt, daß Ricks
auf dem Wege, den er sich erwählt hatte, vorwärts kommen würde, aber er
war ebenso überzeugt, daß sein Fuß nichts auf diesem Wege zu suchen habe,
und deswegen betrat er ihn gar nicht.

Das war nun freilich ein wenig hart für Ricks, denn obwohl Eriks Ideale
nicht die seinigen waren und dasjenige, welchem Erik in seiner Kunst Ausdruck
verleihen wollte, das Romantische oder das Sentimental-Romantische, ihm keines¬
wegs sympatisch war, so konnte er doch persönlich eine breitere, vielseitigere
Sympathie empfinden und darin getreulich der Entwicklung des Freundes folgen,
sich mit ihm freuen, wenn er Erfolge hatte, seine Hoffnung aufs neue beseelen,
wenn er stillstand.

So kam es, daß die Freundschaft eine einseitige war, und es war nicht zu
verwundern, daß es Ricks jetzt, wo sich so viel Neues in ihm Bahn brach und
deswegen das Bedürfnis sich mitzuteilen und verstanden zu werden doppelt groß
war, klar ward, wie unzulänglich diese Freundschaft war, und daß er, dadurch
erbittert, den bis dahin so rücksichtsvoll beurteilten Freund einer schärfern Kritik
unterzog. So entstand ein trauriges Gefühl der Vereinsamung in ihm; es war,
als wenn alles, was er aus der Heimat mitgebracht, was er von Kindheit auf
besessen hatte, vou ihm abfiele, ihn fahren ließe, als wenn er vergessen, verlassen
wäre. Die Thür, die zu dem Alten führte, war verriegelt, und er stand mit leeren
Händen davor und allein; was er entbehrte, was er verlangte, mußte er sich
selber erringen, neue Freunde, ein neues Heim, einen neuen Herzensraum und
neue Erinnerungen. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Das Wort „Töchterschule."

Gegenüber den wenn auch nicht gerade
verteidigenden, so doch einigermaßen entschuldigenden Zeilen, in denen Gotthold
Kreyenberg in seinem Aufsatze „Die Bildung der Töchter höherer Stände" im elften
Hefte der diesjährigen Grenzvoten den Ausdruck „Töchterschule" bespricht, schreibt
uns ein andrer unsrer geschätzten Mitarbeiter:"

Keller rechnet in seinem „deutschen Antibarbarus unter die Gallizismen und
wohlfeilen Vornehmthuereien auch den Ausdruck „Töchterschule." Töchter sind die


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[0502] Kleinere Mitteilungen. Das war auch jetzt nicht anders. Die Zurückhaltung war womöglich noch größer, jedenfalls bei Ricks, aber die Freundschaft war darum nicht geringer, und ihr Hauptcckstein war jetzt, wie auch früher, Ricks Lyhnes Bewunderung für das Frische, Lebensfrohe, das Erik eigen war, daß er sich so heimisch im Leben fühlte, so bereit, zuzugreifen und zu nehmen. Aber Ricks konnte sich nicht verbergen, daß die Freundschaft ziemlich einseitig war, nicht etwa weil Erik des wahren Freundschaftssinnes entbehrte oder weil er kein Zutrauen zu Ricks hatte. Im Gegenteil, es konnte wohl niemand eine höhere Meinung vou Ricks haben als gerade Erik, er glaubte ihn sich so weit überlegen an Begabung, daß von Kritik keine Rede sein konnte, aber gleichzeitig mit dieser blinden An¬ erkennung hielt er auch das, womit Ricks sich beschäftigte, wie das, was seine Gedanken in Anspruch nahm, für weit über den Gesichtskreis hinausreichend, den er mit seinen Augen erreichen konnte. Er war fest überzeugt, daß Ricks auf dem Wege, den er sich erwählt hatte, vorwärts kommen würde, aber er war ebenso überzeugt, daß sein Fuß nichts auf diesem Wege zu suchen habe, und deswegen betrat er ihn gar nicht. Das war nun freilich ein wenig hart für Ricks, denn obwohl Eriks Ideale nicht die seinigen waren und dasjenige, welchem Erik in seiner Kunst Ausdruck verleihen wollte, das Romantische oder das Sentimental-Romantische, ihm keines¬ wegs sympatisch war, so konnte er doch persönlich eine breitere, vielseitigere Sympathie empfinden und darin getreulich der Entwicklung des Freundes folgen, sich mit ihm freuen, wenn er Erfolge hatte, seine Hoffnung aufs neue beseelen, wenn er stillstand. So kam es, daß die Freundschaft eine einseitige war, und es war nicht zu verwundern, daß es Ricks jetzt, wo sich so viel Neues in ihm Bahn brach und deswegen das Bedürfnis sich mitzuteilen und verstanden zu werden doppelt groß war, klar ward, wie unzulänglich diese Freundschaft war, und daß er, dadurch erbittert, den bis dahin so rücksichtsvoll beurteilten Freund einer schärfern Kritik unterzog. So entstand ein trauriges Gefühl der Vereinsamung in ihm; es war, als wenn alles, was er aus der Heimat mitgebracht, was er von Kindheit auf besessen hatte, vou ihm abfiele, ihn fahren ließe, als wenn er vergessen, verlassen wäre. Die Thür, die zu dem Alten führte, war verriegelt, und er stand mit leeren Händen davor und allein; was er entbehrte, was er verlangte, mußte er sich selber erringen, neue Freunde, ein neues Heim, einen neuen Herzensraum und neue Erinnerungen. (Fortsetzung folgt.) Kleinere Mitteilungen. Das Wort „Töchterschule." Gegenüber den wenn auch nicht gerade verteidigenden, so doch einigermaßen entschuldigenden Zeilen, in denen Gotthold Kreyenberg in seinem Aufsatze „Die Bildung der Töchter höherer Stände" im elften Hefte der diesjährigen Grenzvoten den Ausdruck „Töchterschule" bespricht, schreibt uns ein andrer unsrer geschätzten Mitarbeiter:" Keller rechnet in seinem „deutschen Antibarbarus unter die Gallizismen und wohlfeilen Vornehmthuereien auch den Ausdruck „Töchterschule." Töchter sind die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/502>, abgerufen am 13.11.2024.