Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Ricks Lyhne. Z. p. Zacobsen. Roman von Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) leis schwieg auch, und es ward ganz still. Man vernahm das Sie sah so jung aus, wie sie dalag, inmitten des gelben Scheines der Ricks schaute sie bewundernd an. Wie sonderbar es doch ist, dies Sehnen nach dem eignen Ich! sagte sie, Ricks Lyhne. Z. p. Zacobsen. Roman von Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) leis schwieg auch, und es ward ganz still. Man vernahm das Sie sah so jung aus, wie sie dalag, inmitten des gelben Scheines der Ricks schaute sie bewundernd an. Wie sonderbar es doch ist, dies Sehnen nach dem eignen Ich! sagte sie, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203223"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341847_202776/figures/grenzboten_341847_202776_203223_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ricks Lyhne.<lb/><note type="byline"> Z. p. Zacobsen.</note> Roman von<lb/> Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.<lb/> (Fortsetzung.)</head><lb/> <p xml:id="ID_1413"> leis schwieg auch, und es ward ganz still. Man vernahm das<lb/> rastlose Auf- und AbHüpfen des Kanarienvogels, die Tafeluhr<lb/> tickte lauter und lauter durch das Schweigen, und eine Saite in<lb/> dem geöffneten Klavier machte einen plötzlichen kleinen Ruck und<lb/> klang in langem, schwachem, ersterbenden! Tone mit dem weichen<lb/> Singen des Schweigens zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1414"> Sie sah so jung aus, wie sie dalag, inmitten des gelben Scheines der<lb/> Astrallampe, vom Scheitel bis zur Sohle beleuchtet, und es war ein entzückender<lb/> Widerspruch zwischen dem schönen Halse, der matronenhaften Charlotte Corday-<lb/> Hcmbe und den kindlich unschuldigen Augen, dem kleinen offnen Munde mit<lb/> den milchweißen Zähnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1415"> Ricks schaute sie bewundernd an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1416" next="#ID_1417"> Wie sonderbar es doch ist, dies Sehnen nach dem eignen Ich! sagte sie,<lb/> sich zögernd von ihren Träumen wendend und mit ihrem Blicke wieder zur<lb/> Wirklichkeit zurückkehrend. Und ich sehne mich so oft, so unendlich oft nach<lb/> mir selber, wie ich als junges Mädchen war, und ich liebe dies junge Mädchen<lb/> wie jemand, dem ich unendlich nahe gestanden, mit dem ich Leben und Glück<lb/> und alles geteilt habe, und den ich dann verlieren mußte, ohne das Geringste dazu<lb/> thun zu können. Welch herrliche Zeit war das! Sie ahnen nicht, wie zart<lb/> und rein so ein Menschenleben in der Zeit der allerersten Liebe ist. Es kann<lb/> nur in Tönen ausgesprochen werden; stellen Sie es sich vor wie ein Fest, ein<lb/> Fest in einem Feenschloß, wo die Luft leuchtet gleich rötlichen Silber. Da<lb/> ist eine Fülle von lustigen Blumen, und sie wechseln ihre Farbe, sie tauschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
[Abbildung]
Ricks Lyhne.
Z. p. Zacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)
leis schwieg auch, und es ward ganz still. Man vernahm das
rastlose Auf- und AbHüpfen des Kanarienvogels, die Tafeluhr
tickte lauter und lauter durch das Schweigen, und eine Saite in
dem geöffneten Klavier machte einen plötzlichen kleinen Ruck und
klang in langem, schwachem, ersterbenden! Tone mit dem weichen
Singen des Schweigens zusammen.
Sie sah so jung aus, wie sie dalag, inmitten des gelben Scheines der
Astrallampe, vom Scheitel bis zur Sohle beleuchtet, und es war ein entzückender
Widerspruch zwischen dem schönen Halse, der matronenhaften Charlotte Corday-
Hcmbe und den kindlich unschuldigen Augen, dem kleinen offnen Munde mit
den milchweißen Zähnen.
Ricks schaute sie bewundernd an.
Wie sonderbar es doch ist, dies Sehnen nach dem eignen Ich! sagte sie,
sich zögernd von ihren Träumen wendend und mit ihrem Blicke wieder zur
Wirklichkeit zurückkehrend. Und ich sehne mich so oft, so unendlich oft nach
mir selber, wie ich als junges Mädchen war, und ich liebe dies junge Mädchen
wie jemand, dem ich unendlich nahe gestanden, mit dem ich Leben und Glück
und alles geteilt habe, und den ich dann verlieren mußte, ohne das Geringste dazu
thun zu können. Welch herrliche Zeit war das! Sie ahnen nicht, wie zart
und rein so ein Menschenleben in der Zeit der allerersten Liebe ist. Es kann
nur in Tönen ausgesprochen werden; stellen Sie es sich vor wie ein Fest, ein
Fest in einem Feenschloß, wo die Luft leuchtet gleich rötlichen Silber. Da
ist eine Fülle von lustigen Blumen, und sie wechseln ihre Farbe, sie tauschen
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