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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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^pe8 1a litterÄture ^teina-nde.
In vier Briefen.

it freudigem Erstaunen, lieber Herr Combes, habe ich Ihr Buch
in die Hand genommen. Ihre Lcnidslcutc haben viele einzelne
Partien der deutschen Litteratur behandelt, geschickt behandelt;
hier ist endlich einmal ein Buch, sagte ich mir, worin das Ganze
umfaßt und eine große Entwicklung in ihrem Znsammmenhange
verstanden wird. Welche Bescheidenheit, fügte ich hinzu, ein derartiges Werk
nur ?i'oeil8 et t^xe-s 6g ig. littviÄtnrv allgmimäe zu nennen!

Aber bald wurde ich eines Bessern belehrt. Ihr Buch ist ein Tendeuzbuch
und giebt sich als solches. Das darf ein gutes Buch immer sein, und wenn
der Titel es auch nicht verrät, der sorgfältige Leser wird es schnell Heraus¬
finden. Umso besser, schloß ich; da hast du es mit einem kritischen und pole¬
mischen Werke zu thun. Was tummcrts dich, wenn ein gut Teil der Polemik
deinen eignen Landsleuten gilt? Sie haben einen solchen Kampf nicht zu
fürchten; und wenn sie ihn zu fürchten hätten, Dank dem Manne, der ihnen
ihre Schwächen zeigt und sie verbessern lehrt.

Also, Herr Combes, was wollen Sie eigentlich? Wenn ich recht verstanden
habe, die Überschätzung der deutschen Litteratur, wie sie seit einem Jahrzehnt
in Frankreich eingerissen ist, zurückweisen. Deutschland sei heute bei Ihnen Mode,
sagen Sie. Man bewundere den Gott Erfolg. Man bewundere jenes germa¬
nische Mittelalter, welches, aus der Ferne gesehen, imponirt dnrch seine phan¬
tastischen Formen, die der Nebel der Entfernung noch vergrößert. Vu ä"z xrös,
1"z puis-is 8'vVW0uit; 1ö vive 1'solo. . . . I^olivus ä'sei'ö ,just>0L.

Der Vorsatz ist gut und eines wissenschaftlich gebildeten würdig. Aber
der Kampf wird nicht leicht sein, das fühlen Sie selbst. Die französischen Ur¬
teile, zumal über das Mittelalter, beruhen auf den Ansichten deutscher Forscher.
Und mag auch bei den Deutschen vieles Zopf und eitel Nachbeterei sein, Ge¬
lehrte haben sie denn doch, und streitknndige Gelehrte. Hatten Sie keine Furcht,
gegen Franzosen und Deutsche zu kämpfen?

Wir hätten Ihr Buch nicht, wäre Ihnen nur einen Augenblick bange ge¬
worden. Und daß ich hier sitze und in drei sehr offnen Briefen an Sie und




^pe8 1a litterÄture ^teina-nde.
In vier Briefen.

it freudigem Erstaunen, lieber Herr Combes, habe ich Ihr Buch
in die Hand genommen. Ihre Lcnidslcutc haben viele einzelne
Partien der deutschen Litteratur behandelt, geschickt behandelt;
hier ist endlich einmal ein Buch, sagte ich mir, worin das Ganze
umfaßt und eine große Entwicklung in ihrem Znsammmenhange
verstanden wird. Welche Bescheidenheit, fügte ich hinzu, ein derartiges Werk
nur ?i'oeil8 et t^xe-s 6g ig. littviÄtnrv allgmimäe zu nennen!

Aber bald wurde ich eines Bessern belehrt. Ihr Buch ist ein Tendeuzbuch
und giebt sich als solches. Das darf ein gutes Buch immer sein, und wenn
der Titel es auch nicht verrät, der sorgfältige Leser wird es schnell Heraus¬
finden. Umso besser, schloß ich; da hast du es mit einem kritischen und pole¬
mischen Werke zu thun. Was tummcrts dich, wenn ein gut Teil der Polemik
deinen eignen Landsleuten gilt? Sie haben einen solchen Kampf nicht zu
fürchten; und wenn sie ihn zu fürchten hätten, Dank dem Manne, der ihnen
ihre Schwächen zeigt und sie verbessern lehrt.

Also, Herr Combes, was wollen Sie eigentlich? Wenn ich recht verstanden
habe, die Überschätzung der deutschen Litteratur, wie sie seit einem Jahrzehnt
in Frankreich eingerissen ist, zurückweisen. Deutschland sei heute bei Ihnen Mode,
sagen Sie. Man bewundere den Gott Erfolg. Man bewundere jenes germa¬
nische Mittelalter, welches, aus der Ferne gesehen, imponirt dnrch seine phan¬
tastischen Formen, die der Nebel der Entfernung noch vergrößert. Vu ä«z xrös,
1«z puis-is 8'vVW0uit; 1ö vive 1'solo. . . . I^olivus ä'sei'ö ,just>0L.

Der Vorsatz ist gut und eines wissenschaftlich gebildeten würdig. Aber
der Kampf wird nicht leicht sein, das fühlen Sie selbst. Die französischen Ur¬
teile, zumal über das Mittelalter, beruhen auf den Ansichten deutscher Forscher.
Und mag auch bei den Deutschen vieles Zopf und eitel Nachbeterei sein, Ge¬
lehrte haben sie denn doch, und streitknndige Gelehrte. Hatten Sie keine Furcht,
gegen Franzosen und Deutsche zu kämpfen?

Wir hätten Ihr Buch nicht, wäre Ihnen nur einen Augenblick bange ge¬
worden. Und daß ich hier sitze und in drei sehr offnen Briefen an Sie und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/133>, abgerufen am 27.07.2024.