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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Teutoburger Ivalde.

Die Besitzung der unzähligen kleinen Befestigungen Frankreichs erfordert
eine große Menschenmenge; sie entzieht der Feldarmee ein ganzes Armeekorps.
Das Fehlen dieses Armeekorps dürfte sich bei gegebener Gelegenheit sehr fühlbar
machen. Eine Nngriffsstrategik dagegen wird es scheuen, die Operationstruppen
zu schwächen; sie wird nach Möglichkeit die Zahl der Festungen vermindern,
diese wenigen aber derart ausbauen, daß sie feste Stütz- und Ausgangspunkte
für Augriffsunternehinungen bilden können. Das ist das deutsche System. Es
erscheint fast fraglich, ob unter dem Einfluß des Wettkampfes die deutsche
Heeresleitung an der Westgrenze nicht schon über die äußerste Grenze dieses
gesunden, von Kraft und Zutrauen zeugenden Systems hinausgegangen ist.
Eine Heeresleitung von echt militärischem Geiste und ein kriegstüchtigcs Volk,
dessen männliche Eigenschaften es ans den Angriff hinweisen, werden überhaupt
dem Bcfestigungssystcm des Landes nur eine geringe Rolle zugestehen;*) sie
werden der Überzeugung nachleben, daß die beste Mauer die Brust der Männer
ist, welche die Gcfechtsreihen schließen.




Die Schlacht im Teutoburger Walde.
von F. Rnoke,

er im Anfange der siebziger Jahre in Nom geweilt hat, zu einer
Zeit, als die wichtigen Ausgrabungen auf dem l!'orna ^.ointmum
stattfanden, konnte beobachten, wie mich der gemeine Römer, über
die Schranken des Platzes gelehnt, voll Teilnahme zu den Ar¬
beiten in der Tiefe uiederschnute und seine Freude daran hatte,
wenn ein Stück der alten Welt nach dem ander" wieder zum Vorschein kam.
Es darf wohl angenommen werden, daß hinter jenen armseligen Römern der
gebildete Deutsche nicht znnickbleibeu wird, wenn auch bei uns die Denkmäler
einer ruhmreichen Vorzeit wieder aus dem Dunkel steigen. Wir dürfen viel¬
mehr erwarten, daß man nicht minder in unserm Volke mit Interesse zuschauen
wird, wenn die Bilder der Vergangenheit sich von neuem gestalten und beleben.

Freilich handelt es sich im vorliegenden Falle nicht um einen Raum,
auf dem, wie auf dem römischen Forum, eine tausendjährige Geschichte sich voll¬
zogen hat. Gleichwohl verdienen auch die Schauplätze, auf denen einst die
Deutschen mit den römischen Legionen kämpften, unsre volle Beachtung. Tritt



^) Major Scheiberl, der Verfasser des neueste" Wertes über diesen Gegenstand ("Die
Befestigungskunst und die Lehre vom Kampf." Drei Teile, Berlin, 183"), scheint uns freilich
diesen gerechtfertigten Standpunkt ein wenig zu iiberlreilien. Er will kaum einmal die
Festungen als sei'chpnnkt von Angriffsunternehninngen gellen lassen.
Die Schlacht im Teutoburger Ivalde.

Die Besitzung der unzähligen kleinen Befestigungen Frankreichs erfordert
eine große Menschenmenge; sie entzieht der Feldarmee ein ganzes Armeekorps.
Das Fehlen dieses Armeekorps dürfte sich bei gegebener Gelegenheit sehr fühlbar
machen. Eine Nngriffsstrategik dagegen wird es scheuen, die Operationstruppen
zu schwächen; sie wird nach Möglichkeit die Zahl der Festungen vermindern,
diese wenigen aber derart ausbauen, daß sie feste Stütz- und Ausgangspunkte
für Augriffsunternehinungen bilden können. Das ist das deutsche System. Es
erscheint fast fraglich, ob unter dem Einfluß des Wettkampfes die deutsche
Heeresleitung an der Westgrenze nicht schon über die äußerste Grenze dieses
gesunden, von Kraft und Zutrauen zeugenden Systems hinausgegangen ist.
Eine Heeresleitung von echt militärischem Geiste und ein kriegstüchtigcs Volk,
dessen männliche Eigenschaften es ans den Angriff hinweisen, werden überhaupt
dem Bcfestigungssystcm des Landes nur eine geringe Rolle zugestehen;*) sie
werden der Überzeugung nachleben, daß die beste Mauer die Brust der Männer
ist, welche die Gcfechtsreihen schließen.




Die Schlacht im Teutoburger Walde.
von F. Rnoke,

er im Anfange der siebziger Jahre in Nom geweilt hat, zu einer
Zeit, als die wichtigen Ausgrabungen auf dem l!'orna ^.ointmum
stattfanden, konnte beobachten, wie mich der gemeine Römer, über
die Schranken des Platzes gelehnt, voll Teilnahme zu den Ar¬
beiten in der Tiefe uiederschnute und seine Freude daran hatte,
wenn ein Stück der alten Welt nach dem ander» wieder zum Vorschein kam.
Es darf wohl angenommen werden, daß hinter jenen armseligen Römern der
gebildete Deutsche nicht znnickbleibeu wird, wenn auch bei uns die Denkmäler
einer ruhmreichen Vorzeit wieder aus dem Dunkel steigen. Wir dürfen viel¬
mehr erwarten, daß man nicht minder in unserm Volke mit Interesse zuschauen
wird, wenn die Bilder der Vergangenheit sich von neuem gestalten und beleben.

Freilich handelt es sich im vorliegenden Falle nicht um einen Raum,
auf dem, wie auf dem römischen Forum, eine tausendjährige Geschichte sich voll¬
zogen hat. Gleichwohl verdienen auch die Schauplätze, auf denen einst die
Deutschen mit den römischen Legionen kämpften, unsre volle Beachtung. Tritt



^) Major Scheiberl, der Verfasser des neueste» Wertes über diesen Gegenstand („Die
Befestigungskunst und die Lehre vom Kampf." Drei Teile, Berlin, 183«), scheint uns freilich
diesen gerechtfertigten Standpunkt ein wenig zu iiberlreilien. Er will kaum einmal die
Festungen als sei'chpnnkt von Angriffsunternehninngen gellen lassen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/580>, abgerufen am 17.09.2024.