Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.Jugenderinnerungen. von Lrnst rvillkomm. (Fortsetzung.) ^ÄF^me andre Reise von ungefähr gleicher Dauer brachte uns mit Das Slawentum machte sich überhaupt in unmittelbarster Nähe bemerkbar. Jugenderinnerungen. von Lrnst rvillkomm. (Fortsetzung.) ^ÄF^me andre Reise von ungefähr gleicher Dauer brachte uns mit Das Slawentum machte sich überhaupt in unmittelbarster Nähe bemerkbar. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288500"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341845_288451/figures/grenzboten_341845_288451_288500_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Jugenderinnerungen.<lb/><note type="byline"> von Lrnst rvillkomm.</note> (Fortsetzung.) </head><lb/> <p xml:id="ID_118"> ^ÄF^me andre Reise von ungefähr gleicher Dauer brachte uns mit<lb/> der ältesten Schwester der Mutter und deren Kindern in nähere<lb/> Berührung. Diese unsre Tante lebte ebenfalls als Gattin<lb/> eines Geistlichen in einem völlig einsam gelegenen Dorfe der<lb/> sogenannten Bautzener Haide. Den Namen Haide führen in<lb/> beiden Lausitzer jene endlosen Nadelholzwälder, welche von einer bedeutenden<lb/> Anzahl trägfließender, meistenteils tiefer und wasserreicher Flüsse durchschnitten<lb/> werden, unter denen Spree und Neisse die bekanntesten sind. Das Dorf Lohsa<lb/> liegt einige Stunden hinter Bautzen. gehörte seit 1815 zu Preußen und war<lb/> größtenteils von Sorben-Wenden bewohnt, weshalb denn auch meinem Onkel<lb/> Hantusch, einem reinen Wenden von Geburt, die angenehme Pflicht oblag, seine<lb/> Predigt allsonntäglich zweimal, nämlich zuerst in wendischer und später in<lb/> deutscher Sprache, zu halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_119" next="#ID_120"> Das Slawentum machte sich überhaupt in unmittelbarster Nähe bemerkbar.<lb/> Es hockte gleichsam vor der Schwelle unsers Hauses, denn im Süden von Zittau<lb/> hörte man schon im benachbarten Grottau tschechische Laute auf der Straße,<lb/> und an den von Böhmen stark besuchten Wochenmärkten Zittaus erklang die<lb/> tschechische Zunge auch in dieser Stadt. Selbst eine böhmische Gemeinde — die<lb/> Tschechen nannte man schlechtweg Böhmen — gab es noch in den ersten Jahrzehnten<lb/> des gegenwärtigen Jahrhunderts in Zittau, die ihre eigne Kirche und Schule<lb/> besaß. Im Norden und Osten, namentlich im Flachlande der Lausitz und in<lb/> den sumpfigen Niederungen der ausgedehnten Waldungen (der Haiden) waren<lb/> seit unvordenklichen Zeiten Sorben-Wenden ansässig, ein betriebsames, fleißiges,<lb/> dem Überlieferten treu anhängendes, sangreiches Völkchen, das mit den herrschenden<lb/> Deutschen in Frieden und Eintracht lebte. Die slawische Volkswoge spülte bis</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
[Abbildung]
Jugenderinnerungen.
von Lrnst rvillkomm. (Fortsetzung.)
^ÄF^me andre Reise von ungefähr gleicher Dauer brachte uns mit
der ältesten Schwester der Mutter und deren Kindern in nähere
Berührung. Diese unsre Tante lebte ebenfalls als Gattin
eines Geistlichen in einem völlig einsam gelegenen Dorfe der
sogenannten Bautzener Haide. Den Namen Haide führen in
beiden Lausitzer jene endlosen Nadelholzwälder, welche von einer bedeutenden
Anzahl trägfließender, meistenteils tiefer und wasserreicher Flüsse durchschnitten
werden, unter denen Spree und Neisse die bekanntesten sind. Das Dorf Lohsa
liegt einige Stunden hinter Bautzen. gehörte seit 1815 zu Preußen und war
größtenteils von Sorben-Wenden bewohnt, weshalb denn auch meinem Onkel
Hantusch, einem reinen Wenden von Geburt, die angenehme Pflicht oblag, seine
Predigt allsonntäglich zweimal, nämlich zuerst in wendischer und später in
deutscher Sprache, zu halten.
Das Slawentum machte sich überhaupt in unmittelbarster Nähe bemerkbar.
Es hockte gleichsam vor der Schwelle unsers Hauses, denn im Süden von Zittau
hörte man schon im benachbarten Grottau tschechische Laute auf der Straße,
und an den von Böhmen stark besuchten Wochenmärkten Zittaus erklang die
tschechische Zunge auch in dieser Stadt. Selbst eine böhmische Gemeinde — die
Tschechen nannte man schlechtweg Böhmen — gab es noch in den ersten Jahrzehnten
des gegenwärtigen Jahrhunderts in Zittau, die ihre eigne Kirche und Schule
besaß. Im Norden und Osten, namentlich im Flachlande der Lausitz und in
den sumpfigen Niederungen der ausgedehnten Waldungen (der Haiden) waren
seit unvordenklichen Zeiten Sorben-Wenden ansässig, ein betriebsames, fleißiges,
dem Überlieferten treu anhängendes, sangreiches Völkchen, das mit den herrschenden
Deutschen in Frieden und Eintracht lebte. Die slawische Volkswoge spülte bis
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