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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Das britische Weltreich und seine Aussichten.
i.

n einigen Wochen (am 28. Juni) wird die Königin Viktoria das
fünfzigjährige Jubiläum ihrer Krönung feiern, und schon seit
Monaten stellen englische Blätter Betrachtungen über die Erfolge
und Gewinne an, welche das britische Reich unter ihr zu ver¬
zeichnen gehabt hat. Sie finden dabei fast nur Ursache, zu rühmen
und stolz zu sein. Eine lange Reihe von Fortschritten wird aufgezählt, und
an die ruhmreiche Vergangenheit schließen sich Hoffnungen und Prophezeiungen
einer noch glänzenderen Zukunft. Die Entdeckungen der physischen Wissenschaften
haben das Land mit Eisenbahnen und Telegraphendrähten überzogen und den
Verkehr desselben verzehnfacht. Die heimische Bevölkerung ist in erstaunlichem
Maße gewachsen, nicht bloß an Zahl, sondern auch, durch die Verbesserung des
Schulwesens und durch das Entstehen und die Zunahme einer wohlfeilen Presse,
in allgemeiner und politischer Bildung. Freiheiten und Berechtigungen wurden
einem größeren Teile des Volkes zugewiesen als vor dieser Zeit. Der Freihandel
machte dem Arbeiter das Brot um die Hälfte billiger und ließ die Häfen zu
Märkten und Speichern für die Erzeugnisse der gesamten Erde werden. Ein
ununterbrochener Strom von Auswanderern aus dem Mutterlande ergoß sich
in die Kolonien und verwandelte sie in junge Nationen, die sich bereits fühlen
und kräftig emporstreben, aber zugleich daraus bedacht sind, ihren Zusammen¬
hang mit ihrem Ursprünge zu wahren. Bor drei Jahrzehnten überwand Gro߬
britannien in Indien die furchtbarste Militärrevolution. welche die Welt jemals
gesehen, und jetzt hat die Königin keine treuerer Freunde als die dortigen Fürsten.
Die Kriege, welche sie führen mußte, endigten fast ohne Ausnahme mit Siegen


Grenzboten II. 1L87. 57


Das britische Weltreich und seine Aussichten.
i.

n einigen Wochen (am 28. Juni) wird die Königin Viktoria das
fünfzigjährige Jubiläum ihrer Krönung feiern, und schon seit
Monaten stellen englische Blätter Betrachtungen über die Erfolge
und Gewinne an, welche das britische Reich unter ihr zu ver¬
zeichnen gehabt hat. Sie finden dabei fast nur Ursache, zu rühmen
und stolz zu sein. Eine lange Reihe von Fortschritten wird aufgezählt, und
an die ruhmreiche Vergangenheit schließen sich Hoffnungen und Prophezeiungen
einer noch glänzenderen Zukunft. Die Entdeckungen der physischen Wissenschaften
haben das Land mit Eisenbahnen und Telegraphendrähten überzogen und den
Verkehr desselben verzehnfacht. Die heimische Bevölkerung ist in erstaunlichem
Maße gewachsen, nicht bloß an Zahl, sondern auch, durch die Verbesserung des
Schulwesens und durch das Entstehen und die Zunahme einer wohlfeilen Presse,
in allgemeiner und politischer Bildung. Freiheiten und Berechtigungen wurden
einem größeren Teile des Volkes zugewiesen als vor dieser Zeit. Der Freihandel
machte dem Arbeiter das Brot um die Hälfte billiger und ließ die Häfen zu
Märkten und Speichern für die Erzeugnisse der gesamten Erde werden. Ein
ununterbrochener Strom von Auswanderern aus dem Mutterlande ergoß sich
in die Kolonien und verwandelte sie in junge Nationen, die sich bereits fühlen
und kräftig emporstreben, aber zugleich daraus bedacht sind, ihren Zusammen¬
hang mit ihrem Ursprünge zu wahren. Bor drei Jahrzehnten überwand Gro߬
britannien in Indien die furchtbarste Militärrevolution. welche die Welt jemals
gesehen, und jetzt hat die Königin keine treuerer Freunde als die dortigen Fürsten.
Die Kriege, welche sie führen mußte, endigten fast ohne Ausnahme mit Siegen


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[0457] [Abbildung] Das britische Weltreich und seine Aussichten. i. n einigen Wochen (am 28. Juni) wird die Königin Viktoria das fünfzigjährige Jubiläum ihrer Krönung feiern, und schon seit Monaten stellen englische Blätter Betrachtungen über die Erfolge und Gewinne an, welche das britische Reich unter ihr zu ver¬ zeichnen gehabt hat. Sie finden dabei fast nur Ursache, zu rühmen und stolz zu sein. Eine lange Reihe von Fortschritten wird aufgezählt, und an die ruhmreiche Vergangenheit schließen sich Hoffnungen und Prophezeiungen einer noch glänzenderen Zukunft. Die Entdeckungen der physischen Wissenschaften haben das Land mit Eisenbahnen und Telegraphendrähten überzogen und den Verkehr desselben verzehnfacht. Die heimische Bevölkerung ist in erstaunlichem Maße gewachsen, nicht bloß an Zahl, sondern auch, durch die Verbesserung des Schulwesens und durch das Entstehen und die Zunahme einer wohlfeilen Presse, in allgemeiner und politischer Bildung. Freiheiten und Berechtigungen wurden einem größeren Teile des Volkes zugewiesen als vor dieser Zeit. Der Freihandel machte dem Arbeiter das Brot um die Hälfte billiger und ließ die Häfen zu Märkten und Speichern für die Erzeugnisse der gesamten Erde werden. Ein ununterbrochener Strom von Auswanderern aus dem Mutterlande ergoß sich in die Kolonien und verwandelte sie in junge Nationen, die sich bereits fühlen und kräftig emporstreben, aber zugleich daraus bedacht sind, ihren Zusammen¬ hang mit ihrem Ursprünge zu wahren. Bor drei Jahrzehnten überwand Gro߬ britannien in Indien die furchtbarste Militärrevolution. welche die Welt jemals gesehen, und jetzt hat die Königin keine treuerer Freunde als die dortigen Fürsten. Die Kriege, welche sie führen mußte, endigten fast ohne Ausnahme mit Siegen Grenzboten II. 1L87. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/457>, abgerufen am 17.09.2024.