Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.eine katholische Gemeinde noch nicht zum Altkatholizismus oder zum Prote¬ Und immer wieder zur Schulreform. s ist bezeichnend für die herrschenden pädagogischen Anschauungen, Grnndzngc einer Hygiene des Unterrichts. Von Dr. Wilhelm Löwen-
thal, Agr. Professor an der Akademie zu Lausanne. Wiesbaden, I. F. Bergmann, 1387. eine katholische Gemeinde noch nicht zum Altkatholizismus oder zum Prote¬ Und immer wieder zur Schulreform. s ist bezeichnend für die herrschenden pädagogischen Anschauungen, Grnndzngc einer Hygiene des Unterrichts. Von Dr. Wilhelm Löwen-
thal, Agr. Professor an der Akademie zu Lausanne. Wiesbaden, I. F. Bergmann, 1387. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288571"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_332" prev="#ID_331"> eine katholische Gemeinde noch nicht zum Altkatholizismus oder zum Prote¬<lb/> stantismus übergegangen; nicht religiöse Überzeugung hat es verhindert. Wenn<lb/> Altkatholizismus und Protestantismus nicht schon größere Fortschritte bei uns<lb/> gemacht haben, so steht dem zunächst der bedauerliche, aber sehr erklärliche<lb/> konfessionelle Jndifferentismus entgegen.. . Noch lebt Religiosität in unserm<lb/> Volke, aber, meine Herren, die katholische Konfession ist ihm nicht gerade ans<lb/> Herz gewachsen. Es hat vor allem ein deutsches Herz. Vielleicht bringt die<lb/> Regierung diese Bevölkerung glücklich auch noch dahin, die letzte Hülle abzu¬<lb/> streifen, welche dieses deutsche Herz zu verbergen scheint."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Und immer wieder zur Schulreform.</head><lb/> <p xml:id="ID_333" next="#ID_334"> s ist bezeichnend für die herrschenden pädagogischen Anschauungen,<lb/> daß der Verfasser einer kürzlich erschienenen „Hygiene des Unter¬<lb/> richts"*) die Berechtigung der Medizin, d. h. der Gesnndheits-<lb/> wissenschaft im weitesten Sinne des Wortes, in Erziehungsfragen<lb/> mitzureden, erst nachweisen zu müssen glaubt. Da in der That<lb/> die Erziehung kein andres Ziel hat als die möglichst vollkommene, gleichmäßige<lb/> Ausbildung aller Fähigkeiten, die höchste seelische Gesundheit des Menschen,<lb/> und da die seelischen Funktionen während des irdischen Lebens unauflöslich mit<lb/> dem Körper verknüpft sind, so sollte es selbstverständlich scheinen, daß die Er¬<lb/> ziehungswissenschaft von der Kenntnis des Organismus und der seinen Lebens-<lb/> äuszerungen zu Grunde liegenden Gesetze auszugehen habe. Dasselbe gilt vom<lb/> Unterricht als Teil der Erziehung. Leider entspricht die thatsächliche Entwick¬<lb/> lung unsers Unterrichtswesens dieser Voraussetzung sehr wenig. Der Lehrplan<lb/> unsrer Schulen, namentlich der höhern, bietet ein buntes Spiegelbild alles<lb/> dessen, was seit ungefähr vierhundert Jahren dem jeweiligen Bildungsbedürfnis<lb/> als angemessen gegolten hat, und indem man einerseits auf jeder Stufe dieser<lb/> Entwicklung neben den notgedrungenen Zugeständnissen an die Anforderungen<lb/> der Zeit den überlieferte!? Lehrstoff pietätvoll bewahrte, anderseits den letztern,<lb/> soweit er innerlich nicht mehr berechtigt war, durch äußere Gründe und durch<lb/> naturwidrige Anpassung der Unterrichtstheorien und Methoden zu rechtfertigen<lb/> und zu stützen suchte, entstand allmählich jene das natürliche Bedürfnis gänz¬<lb/> lich außer Acht lassende Prinzipienlosigkeit sowohl in der Auswahl der Lehr-</p><lb/> <note xml:id="FID_17" place="foot"> Grnndzngc einer Hygiene des Unterrichts. Von Dr. Wilhelm Löwen-<lb/> thal, Agr. Professor an der Akademie zu Lausanne. Wiesbaden, I. F. Bergmann, 1387.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0118]
eine katholische Gemeinde noch nicht zum Altkatholizismus oder zum Prote¬
stantismus übergegangen; nicht religiöse Überzeugung hat es verhindert. Wenn
Altkatholizismus und Protestantismus nicht schon größere Fortschritte bei uns
gemacht haben, so steht dem zunächst der bedauerliche, aber sehr erklärliche
konfessionelle Jndifferentismus entgegen.. . Noch lebt Religiosität in unserm
Volke, aber, meine Herren, die katholische Konfession ist ihm nicht gerade ans
Herz gewachsen. Es hat vor allem ein deutsches Herz. Vielleicht bringt die
Regierung diese Bevölkerung glücklich auch noch dahin, die letzte Hülle abzu¬
streifen, welche dieses deutsche Herz zu verbergen scheint."
Und immer wieder zur Schulreform.
s ist bezeichnend für die herrschenden pädagogischen Anschauungen,
daß der Verfasser einer kürzlich erschienenen „Hygiene des Unter¬
richts"*) die Berechtigung der Medizin, d. h. der Gesnndheits-
wissenschaft im weitesten Sinne des Wortes, in Erziehungsfragen
mitzureden, erst nachweisen zu müssen glaubt. Da in der That
die Erziehung kein andres Ziel hat als die möglichst vollkommene, gleichmäßige
Ausbildung aller Fähigkeiten, die höchste seelische Gesundheit des Menschen,
und da die seelischen Funktionen während des irdischen Lebens unauflöslich mit
dem Körper verknüpft sind, so sollte es selbstverständlich scheinen, daß die Er¬
ziehungswissenschaft von der Kenntnis des Organismus und der seinen Lebens-
äuszerungen zu Grunde liegenden Gesetze auszugehen habe. Dasselbe gilt vom
Unterricht als Teil der Erziehung. Leider entspricht die thatsächliche Entwick¬
lung unsers Unterrichtswesens dieser Voraussetzung sehr wenig. Der Lehrplan
unsrer Schulen, namentlich der höhern, bietet ein buntes Spiegelbild alles
dessen, was seit ungefähr vierhundert Jahren dem jeweiligen Bildungsbedürfnis
als angemessen gegolten hat, und indem man einerseits auf jeder Stufe dieser
Entwicklung neben den notgedrungenen Zugeständnissen an die Anforderungen
der Zeit den überlieferte!? Lehrstoff pietätvoll bewahrte, anderseits den letztern,
soweit er innerlich nicht mehr berechtigt war, durch äußere Gründe und durch
naturwidrige Anpassung der Unterrichtstheorien und Methoden zu rechtfertigen
und zu stützen suchte, entstand allmählich jene das natürliche Bedürfnis gänz¬
lich außer Acht lassende Prinzipienlosigkeit sowohl in der Auswahl der Lehr-
Grnndzngc einer Hygiene des Unterrichts. Von Dr. Wilhelm Löwen-
thal, Agr. Professor an der Akademie zu Lausanne. Wiesbaden, I. F. Bergmann, 1387.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |