Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.staatsrechtliche Zusagen an die deutschen Unterthanen Rußlands. se Rußland nach heute geltendem Rechte oder doch nach einer Hören wir zunächst, wie Rußland selbst dies sein Beginnen rechtfertigt. Grenzboten III. 18S7. 57
staatsrechtliche Zusagen an die deutschen Unterthanen Rußlands. se Rußland nach heute geltendem Rechte oder doch nach einer Hören wir zunächst, wie Rußland selbst dies sein Beginnen rechtfertigt. Grenzboten III. 18S7. 57
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201236"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341845_200778/figures/grenzboten_341845_200778_201236_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> staatsrechtliche Zusagen<lb/> an die deutschen Unterthanen Rußlands.</head><lb/> <p xml:id="ID_1441"> se Rußland nach heute geltendem Rechte oder doch nach einer<lb/> herrschend gewordenen und von niemand ernstlich angefochtenen<lb/> Übung berechtigt, die unzweifelhaften, feierlichen Zusagen früherer<lb/> Kaiser hinsichtlich der inneren Verhältnisse der Ostseeprovinzen,<lb/> ihrer Sprache, ihrer Religion, ihrer Einrichtungen ze, als nicht<lb/> erfolgt zu betrachten und an die Bewohner jener Provinzen das Ansinnen zu<lb/> richten, sich gutwillig oder mit roher Gewalt zu Nationalrussen machen zu lassen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1442" next="#ID_1443"> Hören wir zunächst, wie Rußland selbst dies sein Beginnen rechtfertigt.<lb/> Daß die erwähnten Zusagen vorliegen, bestreitet niemand; aber russischerseits<lb/> erklärt man sie für veraltet und unter heutigen Umständen nicht mehr rechts¬<lb/> verbindlich. Das heutige Staatsrecht, so meinen die russischen Wortführer,<lb/> erkennt innerhalb eines Staatswesens keinerlei Zusagen oder Verträgen das<lb/> Recht zu, der Entwicklung und Ausgestaltung eines solchen Staatswesens nach<lb/> seinen besondern Bedürfnissen hindernd in den Weg zu treten; weder Verpflich¬<lb/> tungen, die man einem Auslandsstaate gegenüber eingegangen ist, noch Zusagen,<lb/> die man neu hinzugetretenen Staatsangehörigen früher einmal gemacht hat,<lb/> könnten das Recht eines Staates beschränken, die zu seiner Festigung und zu<lb/> seiner Sicherung gegen jetzige oder künftige Gefahren oder zu sonst einem in<lb/> der Natur dieses Staatswesens liegenden Zwecke erforderlichen Maßregeln zu<lb/> ergreifen. Um die Frage, wie die Ballen zu Rußland gekommen seien und<lb/> welche Versprechungen man ihnen damals — kaum ahnend, wie Rußland sich<lb/> entfalten würde — gemacht habe, handle es sich heute nicht mehr; jedenfalls<lb/> seien sie jetzt Angehörige des russischen Staates, hätten gewaltige Stürme mit</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 18S7. 57</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0457]
[Abbildung]
staatsrechtliche Zusagen
an die deutschen Unterthanen Rußlands.
se Rußland nach heute geltendem Rechte oder doch nach einer
herrschend gewordenen und von niemand ernstlich angefochtenen
Übung berechtigt, die unzweifelhaften, feierlichen Zusagen früherer
Kaiser hinsichtlich der inneren Verhältnisse der Ostseeprovinzen,
ihrer Sprache, ihrer Religion, ihrer Einrichtungen ze, als nicht
erfolgt zu betrachten und an die Bewohner jener Provinzen das Ansinnen zu
richten, sich gutwillig oder mit roher Gewalt zu Nationalrussen machen zu lassen?
Hören wir zunächst, wie Rußland selbst dies sein Beginnen rechtfertigt.
Daß die erwähnten Zusagen vorliegen, bestreitet niemand; aber russischerseits
erklärt man sie für veraltet und unter heutigen Umständen nicht mehr rechts¬
verbindlich. Das heutige Staatsrecht, so meinen die russischen Wortführer,
erkennt innerhalb eines Staatswesens keinerlei Zusagen oder Verträgen das
Recht zu, der Entwicklung und Ausgestaltung eines solchen Staatswesens nach
seinen besondern Bedürfnissen hindernd in den Weg zu treten; weder Verpflich¬
tungen, die man einem Auslandsstaate gegenüber eingegangen ist, noch Zusagen,
die man neu hinzugetretenen Staatsangehörigen früher einmal gemacht hat,
könnten das Recht eines Staates beschränken, die zu seiner Festigung und zu
seiner Sicherung gegen jetzige oder künftige Gefahren oder zu sonst einem in
der Natur dieses Staatswesens liegenden Zwecke erforderlichen Maßregeln zu
ergreifen. Um die Frage, wie die Ballen zu Rußland gekommen seien und
welche Versprechungen man ihnen damals — kaum ahnend, wie Rußland sich
entfalten würde — gemacht habe, handle es sich heute nicht mehr; jedenfalls
seien sie jetzt Angehörige des russischen Staates, hätten gewaltige Stürme mit
Grenzboten III. 18S7. 57
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |