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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Was mich von Erkers eignen Worten sympathisch angezogen hat, ist die
Vorrede und die Einleitung zu dem Ehlertschen Aufsatze (II, 109), worin Erker
das Ideal einer Schumann-Biographie schildert.


H. Budy.


Hie Waldung! Hie N)elf!

le Berliner Wahlen haben seit langen Jahren das Bedauern der
Reichstreuen und bei allen Feinden Deutschlands lebhafte Genug¬
thuung hervorgerufen, und es ist begreiflich, daß jetzt, wo der
nationale Geist sich so kräftig und erfolgreich aufgerafft hat, sehr
bittere Urteile laut werden über die Reichshauptstadt, welche sich
nach wie vor durch verbissene Oppositionsmänner vertreten läßt. Gewiß ist die
Thatsache im höchsten Grade bedauerlich. Unermeßlich viel hat gerade diese
Stadt der preußischen Politik der letzten fünfundzwanzig Jahre zu danken, und
gerade sie beharrt in dem schroffsten Gegensatze nicht nur gegen den leitenden
Staatsmann und den ihm zur Seite stehenden großen Feldherrn, sondern gegen
den Regenten selbst -- was sich ja gegenwärtig durch kein Drehen und Deuteln
bemänteln läßt. Wer dürfte sich wundern, wenn daraus ein andrer Gegensatz
hervorginge, wenn ebenso entschieden das Reich Partei ergriffe gegen die frvn-
dirende Hauptstadt? Und Stimmungen solcher Art kommen auch schon hie
und da zum Ausdruck. Dabei wird jedoch leicht zweierlei übersehen: daß eben
in Berlin die Kartellparteien besonders große Schwierigkeiten zu überwinden
haben, und daß sie immerhin ein gutes Stück Arbeit schon geleistet haben. Zu¬
nächst kommt eine allgemein hauptstädtische Krankheit in Rechnung. Der Gro߬
städter, vollends der Residenzler, dünkt sich leicht hoch erhaben über den Be¬
wohner der "Provinz" -- Ausdruck und Vorstellung sind überall von Frank¬
reich angenommen worden, obwohl ein Verhältnis, wie zwischen Paris und den
Departements, zu unserm Heile nirgends in Deutschland besteht, nirgends be¬
stehen kann. Was die Hauptstadt auszeichnet, was Großes in ihr gedacht
oder gethan wird, das rechnet sich der Großstädter gern als persönliches Ver¬
dienst an, umso entschiedner, je weniger Anteil er daran hat; dafür empfindet
er die Verpflichtung, in allen Moden, auch in den politischen, voraus zu sein.
Und Überlegenheit zu zeigen, dazu ist, wie bekannt, das Negiren das bequemste
Mittel. Auf den berufenen Hang der Berliner zum Kritisiren wollen wir kein
so großes Gewicht legen, denn "richtige Berliner" soll es kaum noch geben.
Aber die wirtschaftliche und die politische Entwicklung haben vor allem die un¬
ruhigen, unzufriedenen und wenig urteilsfähigen Elemente der Hauptstadt ver¬
stärkt. Der liberale Philister und der um das tägliche Brot ringende waren


Was mich von Erkers eignen Worten sympathisch angezogen hat, ist die
Vorrede und die Einleitung zu dem Ehlertschen Aufsatze (II, 109), worin Erker
das Ideal einer Schumann-Biographie schildert.


H. Budy.


Hie Waldung! Hie N)elf!

le Berliner Wahlen haben seit langen Jahren das Bedauern der
Reichstreuen und bei allen Feinden Deutschlands lebhafte Genug¬
thuung hervorgerufen, und es ist begreiflich, daß jetzt, wo der
nationale Geist sich so kräftig und erfolgreich aufgerafft hat, sehr
bittere Urteile laut werden über die Reichshauptstadt, welche sich
nach wie vor durch verbissene Oppositionsmänner vertreten läßt. Gewiß ist die
Thatsache im höchsten Grade bedauerlich. Unermeßlich viel hat gerade diese
Stadt der preußischen Politik der letzten fünfundzwanzig Jahre zu danken, und
gerade sie beharrt in dem schroffsten Gegensatze nicht nur gegen den leitenden
Staatsmann und den ihm zur Seite stehenden großen Feldherrn, sondern gegen
den Regenten selbst — was sich ja gegenwärtig durch kein Drehen und Deuteln
bemänteln läßt. Wer dürfte sich wundern, wenn daraus ein andrer Gegensatz
hervorginge, wenn ebenso entschieden das Reich Partei ergriffe gegen die frvn-
dirende Hauptstadt? Und Stimmungen solcher Art kommen auch schon hie
und da zum Ausdruck. Dabei wird jedoch leicht zweierlei übersehen: daß eben
in Berlin die Kartellparteien besonders große Schwierigkeiten zu überwinden
haben, und daß sie immerhin ein gutes Stück Arbeit schon geleistet haben. Zu¬
nächst kommt eine allgemein hauptstädtische Krankheit in Rechnung. Der Gro߬
städter, vollends der Residenzler, dünkt sich leicht hoch erhaben über den Be¬
wohner der „Provinz" — Ausdruck und Vorstellung sind überall von Frank¬
reich angenommen worden, obwohl ein Verhältnis, wie zwischen Paris und den
Departements, zu unserm Heile nirgends in Deutschland besteht, nirgends be¬
stehen kann. Was die Hauptstadt auszeichnet, was Großes in ihr gedacht
oder gethan wird, das rechnet sich der Großstädter gern als persönliches Ver¬
dienst an, umso entschiedner, je weniger Anteil er daran hat; dafür empfindet
er die Verpflichtung, in allen Moden, auch in den politischen, voraus zu sein.
Und Überlegenheit zu zeigen, dazu ist, wie bekannt, das Negiren das bequemste
Mittel. Auf den berufenen Hang der Berliner zum Kritisiren wollen wir kein
so großes Gewicht legen, denn „richtige Berliner" soll es kaum noch geben.
Aber die wirtschaftliche und die politische Entwicklung haben vor allem die un¬
ruhigen, unzufriedenen und wenig urteilsfähigen Elemente der Hauptstadt ver¬
stärkt. Der liberale Philister und der um das tägliche Brot ringende waren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/611>, abgerufen am 22.12.2024.