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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Toynbee-Hall.
von Gerhart Schulze. (Schluß.)

le Humanitären Bestrebungen, welche heutzutage in London einen
großen Umfang erreicht haben, beschränken sich aber nicht auf die
Jugend. Auch bei den Vereinigungen der erwachsenen Arbeiter
ist die Teilnahme von Gentlemen von großer Wichtigkeit. Wir
haben hier nicht von den mächtigen ?rs,as8 union8, sondern von den
zwar weniger entwickelten, aber gewisz ebenso nützlichen LooxsriMoir sovisriss zu
reden. Wo es sich um Sachen des Berufes handelt, halten es wenigstens die
Residenten von Toynbee-Hall für geboten, sich grundsätzlich fernzuhalten. Dagegen
giebt es andre Vereinigungen, in denen sie als Gäste stets willkommen sind:
die zahlreichen, über ganz London verbreiteten ^VoMriA nrsir owds, Ver¬
einigungen für den Feierabend, die der Unterhaltung oder Belehrung gewidmet sind.

Die ganze soziale Stufenleiter innerhalb des Arbeiterstandes spiegelt sich
in seinen Vereinen wieder, von dem begabten und gutgestellten Arbeiter an, der
in seinem Fache zum Mechaniker geworden ist und aus dessen Kreisen oft be¬
deutende Erfindungen hervorgegangen sind, bis hinunter zu der hungernden
Menge, die sich jede" Morgen um die Thore der Docks drängt. Der ganze
Bodensatz einer großen Nation hat sich hier zusammengefunden, Leute, die sich
darum so elend befinden, weil sie keine besondre Fähigkeit, sondern nnr die
Kraft ihrer Hände zu Markte bringen. Es war für mich wohl der traurigste
Anblick, der mir in dem Londoner Elend geworden ist, jene Menge zu sehen,
die stundenlang wartet, bis die Thore des Docks sich öffnen, dann wild hinein¬
stürzt und ebenso laugsam, wie sie schnell gekommen, wieder zurückfließt. Nur
wenige, natürlich die jugendlichsten und kräftigsten, sind genommen worden, die
andern sind für den Tag brotlos. Zwischen diesen beiden Endpunkten giebt
es unendlich viele Mittelglieder. Alle, ausgenommen vielleicht die alleruntersten,
denen die Not des Lebens jeden Sinn für Geselligkeit geraubt hat, vereinigen
sich wenigstens einen Abend der Woche in den verschiedensten Klubs mit den
mannichfaltigsten Zwecken. Diese Klubabende geben einem Gentleman die Ge¬
legenheit, mit den arbeitenden Klassen persönliche Verbindungen anzuknüpfen.
Zugleich hat die bloße, selbst unthätige Anwesenheit eines Gentleman einen
günstigen Einfluß auf den Ton, der im Klub herrscht.

Durch die Freundlichkeit einiger Residenten von Toynbee-Hall hatte ich
verschiedne male Gelegenheit, mit ihnen derartige Vereinigungen zu besuchen.
In dem einen Klub, den ich auf diese Weise kennen lernte, machte die Gesell-


Toynbee-Hall.
von Gerhart Schulze. (Schluß.)

le Humanitären Bestrebungen, welche heutzutage in London einen
großen Umfang erreicht haben, beschränken sich aber nicht auf die
Jugend. Auch bei den Vereinigungen der erwachsenen Arbeiter
ist die Teilnahme von Gentlemen von großer Wichtigkeit. Wir
haben hier nicht von den mächtigen ?rs,as8 union8, sondern von den
zwar weniger entwickelten, aber gewisz ebenso nützlichen LooxsriMoir sovisriss zu
reden. Wo es sich um Sachen des Berufes handelt, halten es wenigstens die
Residenten von Toynbee-Hall für geboten, sich grundsätzlich fernzuhalten. Dagegen
giebt es andre Vereinigungen, in denen sie als Gäste stets willkommen sind:
die zahlreichen, über ganz London verbreiteten ^VoMriA nrsir owds, Ver¬
einigungen für den Feierabend, die der Unterhaltung oder Belehrung gewidmet sind.

Die ganze soziale Stufenleiter innerhalb des Arbeiterstandes spiegelt sich
in seinen Vereinen wieder, von dem begabten und gutgestellten Arbeiter an, der
in seinem Fache zum Mechaniker geworden ist und aus dessen Kreisen oft be¬
deutende Erfindungen hervorgegangen sind, bis hinunter zu der hungernden
Menge, die sich jede» Morgen um die Thore der Docks drängt. Der ganze
Bodensatz einer großen Nation hat sich hier zusammengefunden, Leute, die sich
darum so elend befinden, weil sie keine besondre Fähigkeit, sondern nnr die
Kraft ihrer Hände zu Markte bringen. Es war für mich wohl der traurigste
Anblick, der mir in dem Londoner Elend geworden ist, jene Menge zu sehen,
die stundenlang wartet, bis die Thore des Docks sich öffnen, dann wild hinein¬
stürzt und ebenso laugsam, wie sie schnell gekommen, wieder zurückfließt. Nur
wenige, natürlich die jugendlichsten und kräftigsten, sind genommen worden, die
andern sind für den Tag brotlos. Zwischen diesen beiden Endpunkten giebt
es unendlich viele Mittelglieder. Alle, ausgenommen vielleicht die alleruntersten,
denen die Not des Lebens jeden Sinn für Geselligkeit geraubt hat, vereinigen
sich wenigstens einen Abend der Woche in den verschiedensten Klubs mit den
mannichfaltigsten Zwecken. Diese Klubabende geben einem Gentleman die Ge¬
legenheit, mit den arbeitenden Klassen persönliche Verbindungen anzuknüpfen.
Zugleich hat die bloße, selbst unthätige Anwesenheit eines Gentleman einen
günstigen Einfluß auf den Ton, der im Klub herrscht.

Durch die Freundlichkeit einiger Residenten von Toynbee-Hall hatte ich
verschiedne male Gelegenheit, mit ihnen derartige Vereinigungen zu besuchen.
In dem einen Klub, den ich auf diese Weise kennen lernte, machte die Gesell-


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[0582] Toynbee-Hall. von Gerhart Schulze. (Schluß.) le Humanitären Bestrebungen, welche heutzutage in London einen großen Umfang erreicht haben, beschränken sich aber nicht auf die Jugend. Auch bei den Vereinigungen der erwachsenen Arbeiter ist die Teilnahme von Gentlemen von großer Wichtigkeit. Wir haben hier nicht von den mächtigen ?rs,as8 union8, sondern von den zwar weniger entwickelten, aber gewisz ebenso nützlichen LooxsriMoir sovisriss zu reden. Wo es sich um Sachen des Berufes handelt, halten es wenigstens die Residenten von Toynbee-Hall für geboten, sich grundsätzlich fernzuhalten. Dagegen giebt es andre Vereinigungen, in denen sie als Gäste stets willkommen sind: die zahlreichen, über ganz London verbreiteten ^VoMriA nrsir owds, Ver¬ einigungen für den Feierabend, die der Unterhaltung oder Belehrung gewidmet sind. Die ganze soziale Stufenleiter innerhalb des Arbeiterstandes spiegelt sich in seinen Vereinen wieder, von dem begabten und gutgestellten Arbeiter an, der in seinem Fache zum Mechaniker geworden ist und aus dessen Kreisen oft be¬ deutende Erfindungen hervorgegangen sind, bis hinunter zu der hungernden Menge, die sich jede» Morgen um die Thore der Docks drängt. Der ganze Bodensatz einer großen Nation hat sich hier zusammengefunden, Leute, die sich darum so elend befinden, weil sie keine besondre Fähigkeit, sondern nnr die Kraft ihrer Hände zu Markte bringen. Es war für mich wohl der traurigste Anblick, der mir in dem Londoner Elend geworden ist, jene Menge zu sehen, die stundenlang wartet, bis die Thore des Docks sich öffnen, dann wild hinein¬ stürzt und ebenso laugsam, wie sie schnell gekommen, wieder zurückfließt. Nur wenige, natürlich die jugendlichsten und kräftigsten, sind genommen worden, die andern sind für den Tag brotlos. Zwischen diesen beiden Endpunkten giebt es unendlich viele Mittelglieder. Alle, ausgenommen vielleicht die alleruntersten, denen die Not des Lebens jeden Sinn für Geselligkeit geraubt hat, vereinigen sich wenigstens einen Abend der Woche in den verschiedensten Klubs mit den mannichfaltigsten Zwecken. Diese Klubabende geben einem Gentleman die Ge¬ legenheit, mit den arbeitenden Klassen persönliche Verbindungen anzuknüpfen. Zugleich hat die bloße, selbst unthätige Anwesenheit eines Gentleman einen günstigen Einfluß auf den Ton, der im Klub herrscht. Durch die Freundlichkeit einiger Residenten von Toynbee-Hall hatte ich verschiedne male Gelegenheit, mit ihnen derartige Vereinigungen zu besuchen. In dem einen Klub, den ich auf diese Weise kennen lernte, machte die Gesell-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/582>, abgerufen am 22.12.2024.