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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Jugenderinnerungen.
von Gruft Willkomm. (Fortsetzung.)
5.

an dem Ende der Befreiungskriege war von auszen her nichts
Aufregendes an unser dörfliches Stillleben herangetreten. Ein
Tag verging ziemlich wie der andre; selten wurde der geregelte
Gang unsers Faunlienznfammenseins durch Besuche unterbrochen.
Und kehrten solche bei uns ein, so brachten sie keinerlei Stö¬
rung hervor, denn sie gehörten immer bekannten Kreisen an und kamen aus
der nächsten Nachbarschaft. Wir Geschwister sahen indes solche Gäste gern, da
es bei der merkwürdigen Bauart der alten Pfarrei uus gestattet sein mußte,
in ein- und demselben Zinnner mit den Eltern und Besuchenden uns aufzuhalten.
Daraus ergab sich für uns ein nicht gering anzuschlagender Vorteil. Wir
hörten über die verschiedenartigsten Gegenstände unumwundene Urteile fällen,
und vernahmen oft Äußerungen, die für uus später reichen Stoff zur Nach¬
denken gaben.

Man lächelt vielleicht über die Behauptung, daß die bauliche Einrichtung
unsers Hauses Ursache gewesen sei, daß meine Eltern Besuche nicht in einem
besondern Zimmer hätten empfangen können. Es möge deshalb hier eine kurze
Schilderung der uns zu Gebote stehenden Räumlichkeiten eingeschaltet werden,
umsomehr, als diese nicht ohne Einfluß blieben ans den Gesundheitszustand der
Familie.

Ich habe schon erwähnt, daß die Pfarrei unmittelbar an den Kirchhof
stieß, nur lag und liegt sie heute noch vier Fuß tiefer als dieser. Mau mußte
deshalb, nachdem man die "Halle" durchschritten hatte, drei hohe Stufen hinunter-
steigen, um die Hausflur zu erreichen. Von diefer führte eine mit plumper




Jugenderinnerungen.
von Gruft Willkomm. (Fortsetzung.)
5.

an dem Ende der Befreiungskriege war von auszen her nichts
Aufregendes an unser dörfliches Stillleben herangetreten. Ein
Tag verging ziemlich wie der andre; selten wurde der geregelte
Gang unsers Faunlienznfammenseins durch Besuche unterbrochen.
Und kehrten solche bei uns ein, so brachten sie keinerlei Stö¬
rung hervor, denn sie gehörten immer bekannten Kreisen an und kamen aus
der nächsten Nachbarschaft. Wir Geschwister sahen indes solche Gäste gern, da
es bei der merkwürdigen Bauart der alten Pfarrei uus gestattet sein mußte,
in ein- und demselben Zinnner mit den Eltern und Besuchenden uns aufzuhalten.
Daraus ergab sich für uns ein nicht gering anzuschlagender Vorteil. Wir
hörten über die verschiedenartigsten Gegenstände unumwundene Urteile fällen,
und vernahmen oft Äußerungen, die für uus später reichen Stoff zur Nach¬
denken gaben.

Man lächelt vielleicht über die Behauptung, daß die bauliche Einrichtung
unsers Hauses Ursache gewesen sei, daß meine Eltern Besuche nicht in einem
besondern Zimmer hätten empfangen können. Es möge deshalb hier eine kurze
Schilderung der uns zu Gebote stehenden Räumlichkeiten eingeschaltet werden,
umsomehr, als diese nicht ohne Einfluß blieben ans den Gesundheitszustand der
Familie.

Ich habe schon erwähnt, daß die Pfarrei unmittelbar an den Kirchhof
stieß, nur lag und liegt sie heute noch vier Fuß tiefer als dieser. Mau mußte
deshalb, nachdem man die „Halle" durchschritten hatte, drei hohe Stufen hinunter-
steigen, um die Hausflur zu erreichen. Von diefer führte eine mit plumper


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[0557] Jugenderinnerungen. von Gruft Willkomm. (Fortsetzung.) 5. an dem Ende der Befreiungskriege war von auszen her nichts Aufregendes an unser dörfliches Stillleben herangetreten. Ein Tag verging ziemlich wie der andre; selten wurde der geregelte Gang unsers Faunlienznfammenseins durch Besuche unterbrochen. Und kehrten solche bei uns ein, so brachten sie keinerlei Stö¬ rung hervor, denn sie gehörten immer bekannten Kreisen an und kamen aus der nächsten Nachbarschaft. Wir Geschwister sahen indes solche Gäste gern, da es bei der merkwürdigen Bauart der alten Pfarrei uus gestattet sein mußte, in ein- und demselben Zinnner mit den Eltern und Besuchenden uns aufzuhalten. Daraus ergab sich für uns ein nicht gering anzuschlagender Vorteil. Wir hörten über die verschiedenartigsten Gegenstände unumwundene Urteile fällen, und vernahmen oft Äußerungen, die für uus später reichen Stoff zur Nach¬ denken gaben. Man lächelt vielleicht über die Behauptung, daß die bauliche Einrichtung unsers Hauses Ursache gewesen sei, daß meine Eltern Besuche nicht in einem besondern Zimmer hätten empfangen können. Es möge deshalb hier eine kurze Schilderung der uns zu Gebote stehenden Räumlichkeiten eingeschaltet werden, umsomehr, als diese nicht ohne Einfluß blieben ans den Gesundheitszustand der Familie. Ich habe schon erwähnt, daß die Pfarrei unmittelbar an den Kirchhof stieß, nur lag und liegt sie heute noch vier Fuß tiefer als dieser. Mau mußte deshalb, nachdem man die „Halle" durchschritten hatte, drei hohe Stufen hinunter- steigen, um die Hausflur zu erreichen. Von diefer führte eine mit plumper

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/557>, abgerufen am 22.12.2024.