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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

thätigen und daher berechtigten Neuerung im voraus nicht berechnen zu können.
Eine dem Unglauben verfallende Gemeinde würde ihn entsetzt und ihm das
ganze Scelsorgercimt verleidet haben. Aus diesem Grunde beschränkte er sich
auf wohlmeinende Zurechtweisungen, warnte vor thörichter Leichtgläubigkeit und
bedeutete die Leute, man dürfe nicht alles für wahr halten, was durch sinnliche
Eindrücke auf uns wirke.

So blieb denn alles so ziemlich beim Alten; sollte ein Umschwung zum
Bessern in den Anschauungen des Volkes eintreten, so mußte dieser der all¬
mählich sich bahnbrechenden bessern Erkenntnis der Naturgesetze und ihrer
Wirkungen überlassen bleiben.

Fragt man, wie ich mich diesen tief in der Volksseele wurzelnden aber¬
gläubischen Ansichten gegenüber verhielt, so muß ich bekennen, daß ich geraume
Zeit wie ein Rohr hin- und herschwnnkte. Zu dreister Bestreitung der von
vielen achtbaren Personen behaupteten Thatsachen, die mancher ohne Bedenken
vor Gericht würde beschworen haben, fehlte es mir an Gegenbeweisen, auch
besaß ich dazu noch zu wenig Reife des Urteils. Zum unerschütterlichen Glauben
an das Gehörte brachte ich es aber auch nicht, weil es mir trotz aller Mühe
nicht gelingen wollte, etwas durchaus Rätselhaftes zu sehen. Weder der berühmte
Doktor Horn mit seinem gelben Pantoffel noch der Flicken zählende Wassermann
kam mir zu Gesicht; ebenso erblickte ich den feurigen Drachen nie, obwohl er
sich mehrmals über dem Schornsteine eines ganz nahe gelegenen Bauerngutes
zeigte, dessen Besitzerin von ihren vortrefflichen Kühen die schönste Butter er¬
zielte, was eben der Drache bewerkstelligen sollte. Selbst unser Arbeiter hatte
das feurige Gespenst gesehen und teilte dies in voller Gläubigkeit meinem Vater
mit, der ihm darauf zur Antwort gab, es habe ihm wohl feurig vor den Augen
geschwirrt, weil er zu lange in der Steinschenke gesessen habe.

Dennoch ahnte mir dunkel, daß dem Leben selbst etwas fehlen würde, wenn
man dasselbe alles abergläubischen Beiwerks entkleide, und so gab ich mich mit
Genuß den Erzählungen von diesen Dingen hin, die meine Phantasie beschäf¬
tigten und mir wie ein angenehm glitzernder Schmuck an dem Alltagskleide des
Lebens erschienen. Ich fühlte das Poetische darin heraus, ergötzte mich darau
und legte es mir auf meine Weise zurecht, woraus sich dann nach und nach
phantastisch gestaltete Märchen bildeten, die ich mir selbst vorerzählte und an
die ich sogar halb und halb glaubte, als hätte ich sie selbst erlebt.

(Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Der nächste Krieg.

Die Zeit der Kabinetskricge ist vorbei; der siebenjährige
und der bciierische Erbfolgekrieg waren die letzten Kämpfe, in denen berufsmäßige


Kleinere Mitteilungen.

thätigen und daher berechtigten Neuerung im voraus nicht berechnen zu können.
Eine dem Unglauben verfallende Gemeinde würde ihn entsetzt und ihm das
ganze Scelsorgercimt verleidet haben. Aus diesem Grunde beschränkte er sich
auf wohlmeinende Zurechtweisungen, warnte vor thörichter Leichtgläubigkeit und
bedeutete die Leute, man dürfe nicht alles für wahr halten, was durch sinnliche
Eindrücke auf uns wirke.

So blieb denn alles so ziemlich beim Alten; sollte ein Umschwung zum
Bessern in den Anschauungen des Volkes eintreten, so mußte dieser der all¬
mählich sich bahnbrechenden bessern Erkenntnis der Naturgesetze und ihrer
Wirkungen überlassen bleiben.

Fragt man, wie ich mich diesen tief in der Volksseele wurzelnden aber¬
gläubischen Ansichten gegenüber verhielt, so muß ich bekennen, daß ich geraume
Zeit wie ein Rohr hin- und herschwnnkte. Zu dreister Bestreitung der von
vielen achtbaren Personen behaupteten Thatsachen, die mancher ohne Bedenken
vor Gericht würde beschworen haben, fehlte es mir an Gegenbeweisen, auch
besaß ich dazu noch zu wenig Reife des Urteils. Zum unerschütterlichen Glauben
an das Gehörte brachte ich es aber auch nicht, weil es mir trotz aller Mühe
nicht gelingen wollte, etwas durchaus Rätselhaftes zu sehen. Weder der berühmte
Doktor Horn mit seinem gelben Pantoffel noch der Flicken zählende Wassermann
kam mir zu Gesicht; ebenso erblickte ich den feurigen Drachen nie, obwohl er
sich mehrmals über dem Schornsteine eines ganz nahe gelegenen Bauerngutes
zeigte, dessen Besitzerin von ihren vortrefflichen Kühen die schönste Butter er¬
zielte, was eben der Drache bewerkstelligen sollte. Selbst unser Arbeiter hatte
das feurige Gespenst gesehen und teilte dies in voller Gläubigkeit meinem Vater
mit, der ihm darauf zur Antwort gab, es habe ihm wohl feurig vor den Augen
geschwirrt, weil er zu lange in der Steinschenke gesessen habe.

Dennoch ahnte mir dunkel, daß dem Leben selbst etwas fehlen würde, wenn
man dasselbe alles abergläubischen Beiwerks entkleide, und so gab ich mich mit
Genuß den Erzählungen von diesen Dingen hin, die meine Phantasie beschäf¬
tigten und mir wie ein angenehm glitzernder Schmuck an dem Alltagskleide des
Lebens erschienen. Ich fühlte das Poetische darin heraus, ergötzte mich darau
und legte es mir auf meine Weise zurecht, woraus sich dann nach und nach
phantastisch gestaltete Märchen bildeten, die ich mir selbst vorerzählte und an
die ich sogar halb und halb glaubte, als hätte ich sie selbst erlebt.

(Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Der nächste Krieg.

Die Zeit der Kabinetskricge ist vorbei; der siebenjährige
und der bciierische Erbfolgekrieg waren die letzten Kämpfe, in denen berufsmäßige


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[0507] Kleinere Mitteilungen. thätigen und daher berechtigten Neuerung im voraus nicht berechnen zu können. Eine dem Unglauben verfallende Gemeinde würde ihn entsetzt und ihm das ganze Scelsorgercimt verleidet haben. Aus diesem Grunde beschränkte er sich auf wohlmeinende Zurechtweisungen, warnte vor thörichter Leichtgläubigkeit und bedeutete die Leute, man dürfe nicht alles für wahr halten, was durch sinnliche Eindrücke auf uns wirke. So blieb denn alles so ziemlich beim Alten; sollte ein Umschwung zum Bessern in den Anschauungen des Volkes eintreten, so mußte dieser der all¬ mählich sich bahnbrechenden bessern Erkenntnis der Naturgesetze und ihrer Wirkungen überlassen bleiben. Fragt man, wie ich mich diesen tief in der Volksseele wurzelnden aber¬ gläubischen Ansichten gegenüber verhielt, so muß ich bekennen, daß ich geraume Zeit wie ein Rohr hin- und herschwnnkte. Zu dreister Bestreitung der von vielen achtbaren Personen behaupteten Thatsachen, die mancher ohne Bedenken vor Gericht würde beschworen haben, fehlte es mir an Gegenbeweisen, auch besaß ich dazu noch zu wenig Reife des Urteils. Zum unerschütterlichen Glauben an das Gehörte brachte ich es aber auch nicht, weil es mir trotz aller Mühe nicht gelingen wollte, etwas durchaus Rätselhaftes zu sehen. Weder der berühmte Doktor Horn mit seinem gelben Pantoffel noch der Flicken zählende Wassermann kam mir zu Gesicht; ebenso erblickte ich den feurigen Drachen nie, obwohl er sich mehrmals über dem Schornsteine eines ganz nahe gelegenen Bauerngutes zeigte, dessen Besitzerin von ihren vortrefflichen Kühen die schönste Butter er¬ zielte, was eben der Drache bewerkstelligen sollte. Selbst unser Arbeiter hatte das feurige Gespenst gesehen und teilte dies in voller Gläubigkeit meinem Vater mit, der ihm darauf zur Antwort gab, es habe ihm wohl feurig vor den Augen geschwirrt, weil er zu lange in der Steinschenke gesessen habe. Dennoch ahnte mir dunkel, daß dem Leben selbst etwas fehlen würde, wenn man dasselbe alles abergläubischen Beiwerks entkleide, und so gab ich mich mit Genuß den Erzählungen von diesen Dingen hin, die meine Phantasie beschäf¬ tigten und mir wie ein angenehm glitzernder Schmuck an dem Alltagskleide des Lebens erschienen. Ich fühlte das Poetische darin heraus, ergötzte mich darau und legte es mir auf meine Weise zurecht, woraus sich dann nach und nach phantastisch gestaltete Märchen bildeten, die ich mir selbst vorerzählte und an die ich sogar halb und halb glaubte, als hätte ich sie selbst erlebt. (Fortsetzung folgt.) Kleinere Mitteilungen. Der nächste Krieg. Die Zeit der Kabinetskricge ist vorbei; der siebenjährige und der bciierische Erbfolgekrieg waren die letzten Kämpfe, in denen berufsmäßige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/507>, abgerufen am 22.12.2024.