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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Die böhmische Frage.

ährend wir unverwandten Blickes und sorgenvoll das Gewölk am
östlichen Himmel beobachteten, welches in stündlich Wechseluder
Gestaltung uns doch immer zu bedrohen scheint, entlud sich plötz¬
lich in nächster Nähe eine Gewitterwolke, die schon zu lange über
uns gehangen hatte, um uoch besondre Beunruhigung zu ver¬
ursachen. Längst erwartet und nun wieder unerwartet traf die Nachricht von
dem Austritte der deutschen Abgeordneten aus dem böhmischen Landtage ein.
Die Tschechen hatten ein Recht, über den Beschluß zu erstaunen, denn es war
nichts ungewöhnliches vorgefallen. Sie hatten, wie unzähligemale, ihre Stimmen¬
mehrheit brutal gemißbraucht, von vornherein die Beratung eines Antrages
abgelehnt, durch welchen eine Schutzwehr für das Deutschtum aufgeführt werden
sollte: konnte etwas andres von ihnen erwartet werden? Ganz naiv sprachen
sie in der ersten Überraschung aus, daß sie sich ja dazu herbeigelassen haben
würden, den Antrag erst in der zweiten Lesung zu verwerfen, wenn die Deutschen
rechtzeitig mit ihrem Austritt gedroht hätten. Auf mehr als ein formelles
Zugeständnis zu rechnen, muß ihnen sonderbar vorkommen. Was der Antrag
verhüten wollte, soll ja geschehen, die Deutschen sollen aus allen Gerichten und
allen Verwaltungsstellen verdrängt werden, sie sind ja Fremde, die mau uicht
länger dulden will; Fremde ist noch die glimpflichste Bezeichnung für sie. Und
gewiß haben auch die deutschen Abgeordneten kaum erwartet, daß die Mehr¬
heit im Landtage ihren Antrag auf Zweiteilung des Oberlandesgerichtes und
Abgrenzung nationaler Gerichts- und Verwaltungsbezirke unparteiisch prüfen
und demnach, wenn auch nur teilweise, annehmen werde; aber dein frechen Hohn


Grenzboten I. 1887. 13


Die böhmische Frage.

ährend wir unverwandten Blickes und sorgenvoll das Gewölk am
östlichen Himmel beobachteten, welches in stündlich Wechseluder
Gestaltung uns doch immer zu bedrohen scheint, entlud sich plötz¬
lich in nächster Nähe eine Gewitterwolke, die schon zu lange über
uns gehangen hatte, um uoch besondre Beunruhigung zu ver¬
ursachen. Längst erwartet und nun wieder unerwartet traf die Nachricht von
dem Austritte der deutschen Abgeordneten aus dem böhmischen Landtage ein.
Die Tschechen hatten ein Recht, über den Beschluß zu erstaunen, denn es war
nichts ungewöhnliches vorgefallen. Sie hatten, wie unzähligemale, ihre Stimmen¬
mehrheit brutal gemißbraucht, von vornherein die Beratung eines Antrages
abgelehnt, durch welchen eine Schutzwehr für das Deutschtum aufgeführt werden
sollte: konnte etwas andres von ihnen erwartet werden? Ganz naiv sprachen
sie in der ersten Überraschung aus, daß sie sich ja dazu herbeigelassen haben
würden, den Antrag erst in der zweiten Lesung zu verwerfen, wenn die Deutschen
rechtzeitig mit ihrem Austritt gedroht hätten. Auf mehr als ein formelles
Zugeständnis zu rechnen, muß ihnen sonderbar vorkommen. Was der Antrag
verhüten wollte, soll ja geschehen, die Deutschen sollen aus allen Gerichten und
allen Verwaltungsstellen verdrängt werden, sie sind ja Fremde, die mau uicht
länger dulden will; Fremde ist noch die glimpflichste Bezeichnung für sie. Und
gewiß haben auch die deutschen Abgeordneten kaum erwartet, daß die Mehr¬
heit im Landtage ihren Antrag auf Zweiteilung des Oberlandesgerichtes und
Abgrenzung nationaler Gerichts- und Verwaltungsbezirke unparteiisch prüfen
und demnach, wenn auch nur teilweise, annehmen werde; aber dein frechen Hohn


Grenzboten I. 1887. 13
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[0105] [Abbildung] Die böhmische Frage. ährend wir unverwandten Blickes und sorgenvoll das Gewölk am östlichen Himmel beobachteten, welches in stündlich Wechseluder Gestaltung uns doch immer zu bedrohen scheint, entlud sich plötz¬ lich in nächster Nähe eine Gewitterwolke, die schon zu lange über uns gehangen hatte, um uoch besondre Beunruhigung zu ver¬ ursachen. Längst erwartet und nun wieder unerwartet traf die Nachricht von dem Austritte der deutschen Abgeordneten aus dem böhmischen Landtage ein. Die Tschechen hatten ein Recht, über den Beschluß zu erstaunen, denn es war nichts ungewöhnliches vorgefallen. Sie hatten, wie unzähligemale, ihre Stimmen¬ mehrheit brutal gemißbraucht, von vornherein die Beratung eines Antrages abgelehnt, durch welchen eine Schutzwehr für das Deutschtum aufgeführt werden sollte: konnte etwas andres von ihnen erwartet werden? Ganz naiv sprachen sie in der ersten Überraschung aus, daß sie sich ja dazu herbeigelassen haben würden, den Antrag erst in der zweiten Lesung zu verwerfen, wenn die Deutschen rechtzeitig mit ihrem Austritt gedroht hätten. Auf mehr als ein formelles Zugeständnis zu rechnen, muß ihnen sonderbar vorkommen. Was der Antrag verhüten wollte, soll ja geschehen, die Deutschen sollen aus allen Gerichten und allen Verwaltungsstellen verdrängt werden, sie sind ja Fremde, die mau uicht länger dulden will; Fremde ist noch die glimpflichste Bezeichnung für sie. Und gewiß haben auch die deutschen Abgeordneten kaum erwartet, daß die Mehr¬ heit im Landtage ihren Antrag auf Zweiteilung des Oberlandesgerichtes und Abgrenzung nationaler Gerichts- und Verwaltungsbezirke unparteiisch prüfen und demnach, wenn auch nur teilweise, annehmen werde; aber dein frechen Hohn Grenzboten I. 1887. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/105>, abgerufen am 22.12.2024.