Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Eine Eroberung der deutschen Sprache. von Julius von Pflugk-Harttung, SMVchon oft ist besprochen worden, wie die deutsche Sprache im Diese Sprache, das sogenannte Chnrwülsch, umfaßte früher ziemlich das Hierin liegt das Wesen der Sache angedeutet, der Bewohner jener Gegend Grenzboten IV. 1886. "Z
Eine Eroberung der deutschen Sprache. von Julius von Pflugk-Harttung, SMVchon oft ist besprochen worden, wie die deutsche Sprache im Diese Sprache, das sogenannte Chnrwülsch, umfaßte früher ziemlich das Hierin liegt das Wesen der Sache angedeutet, der Bewohner jener Gegend Grenzboten IV. 1886. «Z
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Eine Eroberung der deutschen Sprache.
von Julius von Pflugk-Harttung,
SMVchon oft ist besprochen worden, wie die deutsche Sprache im
äußersten Süden unsers Volksswmmes, in Tirol, vor dem
Wälschen zurückweicht, wie sich dort in verhältnismäßig schneller
Entwicklung die Sprachgrenze stetig nach Norden vorschiebt, wie
Orte, die früher durchaus deutsch waren, nur noch italienisch
reden. Weniger bekannt dürfte der Mehrzahl der Leser sein, daß sich in un¬
mittelbarer Nachbarschaft Tirols, in der Schweiz, die entgegengesetzte Wandlung
vollzieht, daß dort das Deutsche im Vordringen begriffen ist, und zwar der
romanischen Sprache gegenüber, die sich zur italienischen ungefähr wie Hol¬
ländisch zum Deutschen verhält.
Diese Sprache, das sogenannte Chnrwülsch, umfaßte früher ziemlich das
ganze Granbünden, einen Teil des südlichen Se. Gallen und wohl auch ein
Stückchen von Glarus, wie noch jetzt die Ortsnamen beweisen, obgleich das
Sprachgebiet sich wesentlich verkleinert und auf Graubünden beschränkt hat. In
dem eigentlich romanischen Hauptorte Chur spricht jetzt jedermann Deutsch, ähnlich
so im Norden und Westen des Kantons, etwa mit Ausnahme einiger abge¬
legenen Gebirgsorte; Splügen u. a. unmittelbar an der italienischen Grenze ist
ein deutscher Ort; in den südlichen Thälern des Landes, im Bergell, im
Misoecothale und der Umgegend von Poschiavo wird italienisch geredet, während
das Zentrum und der Westen noch churwälsch sind. Aber wie? Zunächst in
buntem Durcheinander finden sich romanische und deutsche Ortschaften, erstere
zwar weit überwiegend, zumal je mehr man von Chur nach Süden und Süd¬
westen vordringt, tragen doch äußerlich schon ein deutsches Gepräge, indem die
Laden- und Wirtshausschilder oder sonstige derartige Anzeigen in dieser Sprache
abgefaßt zu sein pflegen. Anders die Kreuze auf den Kirchhöfen, Votivtafeln
und dergleichen, sie zeigen meistens romanischen Wortlaut; doch sehr bedeutsam:
Kreuze und Leichensteine vornehmerer Toten beschrieb man gern deutsch.
Hierin liegt das Wesen der Sache angedeutet, der Bewohner jener Gegend
erachtet gewöhnlich seine Muttersprache als Bauerndialekt, das Deutsche gilt ihm
vornehmer, als die Mundart des Gebildeten. Von Kantouswegen wird in den
Schulen romanischer Dörfer deutsch unterrichtet, nicht romanisch, der Lehrer
steht hier da als der Pionier des Deutschtums. Und wie gewaltig seine Wirk¬
samkeit ist, mag der Fall beweisen, daß mir ein Bauer von Thusis (am Ein
Grenzboten IV. 1886. «Z
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